Grasser-Prozess - Grasser schwärmt, Hochegger/Meischberger streiten
Grasser verteidigt zweite Runde bei
Bundeswohnungs-Privatisierung, 90 Tage im Gerichtssaal
"Strafe" - Meischberger: War 10 Jahre Baum für viele Hunde -
Hochegger widerspricht Meischberger - BILD
Am 90. Tag im Grasser-Prozess hatten heute die
Angeklagten die Möglichkeit, zu den bisherigen Zeugenaussagen
Stellung zu nehmen, was Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser,
Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und Lobbyist Peter
Hochegger nutzten. Letzterer gebrauchte sein Rederecht dazu,
Meischberger zu belasten, während Grasser einmal mehr von einer
gelungenen Buwog-Privatisierung schwärmte.
Rund zwei Stunden hielt Grasser seine Rede im Großen
Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts und orientierte
sich dabei großteils an seinen schriftlichen Unterlagen. Fazit
seiner Ausführungen: Die Privatisierung sei vollkommen korrekt
abgelaufen und ein Erfolg für die Republik gewesen. Die angebliche
Finanzierungszusage des Mitbieters CA Immo von 960 Mio. Euro für den
Kauf der Bundeswohnungen, die Grasser laut Anklage verbotenerweise
an den Konkurrenten Immofinanz verraten hat, sei für den Mitbieter
in der zweiten Runde völlig irrelevant gewesen.
Im Übrigen seien die 960 Mio. Euro in der Immo-Branche bekannt
gewesen. Warum dann die Immofinanz an den Grasser-Trauzeugen
Meischberger und Hochegger im Geheimen 9,6 Mio. Euro an Provision
für den 960 Millionen-Euro-Tipp gezahlt hat, ließ Grasser offen.
Anschließend ging Grasser auf die entscheidenden Sitzungen für
die Vergabe der Bundeswohnungen (u.a. Buwog) ein. Er betonte, dass
hierbei eine große Personenzahl anwesend war und zählte einige der
Beteiligten auf, wobei sich manche dieser vor Gericht nicht mehr so
sicher waren, ob sie dabei waren. Dies ließe sich leicht anhand der
Sitzungsprotokolle klären, allerdings wurde für jene Sitzung, bei
der ein zweites Bieterverfahren beschlossen wurde, kein Protokoll
geführt. Bis heute ist unklar, wer zu der Sitzung am 7. Juni 2004
eingeladen hat. Grasser sagte heute, vermutlich habe der damalige
Spitzenbeamte Heinrich Traumüller dazu eingeladen, in Abstimmung mit
Lehman Brothers.
Dieses Treffen am 7. Juni 2004 ist insofern für den Prozess
zentral, da dort die zweite Bieterrunde beschlossen wurde, und ohne
einer zweiten Bieterrunde die CA Immo und nicht die Immofinanz den
Zuschlag für die Bundeswohnungen erhalten hätte. Grasser verteidigte
die Entscheidung zu einer zweiten Bieterrunde, diese habe nicht er
sondern "das Meeting" getroffen. Denn niemand sei gegen den
Vorschlag von Lehman Brothers gewesen, eine zweite Runde
durchzuführen. Durch die zweite Runde habe die Republik fast 40 Mio.
Euro mehr an Ertrag für die Bundeswohnungen erzielt, so der
Ex-Finanzminister.
Grasser verwies heute, Donnerstag, einmal mehr auch auf die
Rollen von Ex-Landeshauptmann Jörg Haider und Ex-RLB-OÖ-Chef Ludwig
Scharinger bei der Buwog-Privatisierung, bei der die
Raiffeisenlandesbank Oberösterreich gemeinsam mit der Immofinanz
auftrat. Beide können nicht mehr befragt werden, da sie verstorben
sind. Laut Meischberger kam der 960-Millionen-Euro-Tipp von Haider.
Dieser hatte sich ein Vorkaufsrecht für die Kärntner ESG-Wohnungen
ausbedungen, es aber dann nicht genutzt.
Grasser wandte sich teilweise direkt an die Schöffen und
bezeichnete den Prozess als Strafe für ihn. "90 Tage hier im
Gerichtssaal, ich erlebe das als Strafe", empörte er sich. "Die
Staatsanwaltschaft kriminalisiert mich und stellt mich als
Verbrecher hin, doch ich habe ein reines Gewissen." Er habe immer
nur versucht sein Bestes zu geben. "Ich möchte mir diese Leistungen
für Österreich nicht kaputtmachen lassen, ich kämpfe für meinen
Namen", so der Hauptangeklagte im Korruptionsprozess. Er wolle das
Bild geraderücken und erklären, dass er einen "guten Job" für das
Land gemacht habe.
Nach Grasser war Meischberger am Wort, der sich ungewohnt kurz
hielt. Er erklärte, warum sich der Kärntner Ex-Finanzlandesrat Karl
Pfeifenberger (FPÖ) als Zeuge gestern nicht an seine, Meischbergers,
Tätigkeiten in Kärnten erinnern konnte. "Ich nehme an, dass er
nichts mit mir zu tun haben wollte. Weil es in der Politik so ist:
Mal ist man der Hund, mal ist man der Baum. Ich war in den letzten
zehn Jahren der Baum, und da sind sehr viele Hunde vorbei gekommen.
(...) Und dann riecht der Baum irgendwann streng und da will dann
keiner was damit zu tun haben", so Meischberger. Er sprach auch
erneut über das 50. Geburtstagsfest vom Skistar Franz Klammer im
Dezember 2003, bei dem das vorher zerrüttete Verhältnis zwischen ihm
und Haider "neutralisiert" worden sei. Dabei habe er Haider auch
ausführlich über seine jetzige Arbeit erzählt und dass er bei den
Bundeswohnungen lobbyiere.
Der Angeklagte Peter Hochegger ergriff als Dritter das Wort und
widersprach Meischberger. Beim Geburtstagsfest könne Meischberger
gar nicht ausführlich über seine Rolle bei der
Bundeswohnungsprivatisierung gesprochen habe, wie er es darstelle.
Denn Haider habe sich zunächst auf das Gespräch mit Grasser
konzentriert, dann habe man die Aufarbeitung des Bruchs von
Knittelfeld an der Bar fortgesetzt, wo auch viel Tränen und viel
Alkohol geflossen seien. Zu glauben, da habe ein ausführliches
Gespräch über die Arbeit stattfinden können, sei "lebensfremd".
Nach einer längeren Pause während der Osterferien und danach wird
der Prozess in knapp einem Monat am 7. Mai fortgesetzt.
(Schluss) stf/gru/kre
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
WEB http://www.buwog.at
http://www.immofinanz.com
http://www.rlbooe.at