Grasser-Prozess - Angeklagte widersprechen Zeugen Winkler
Fischer und Hochegger: Grasser-Kabinettchef wollte 25.000 Euro
von der Telekom für Regierungskampagne zur Pensionsreform -
Kritik an "Gedächtnisverlust" beim Zeugen - BILD
Der 77. Tag im Prozess gegen Ex-Finanzminister
Karl-Heinz Grasser und andere hat heute mit zwei Überraschungen
begonnen. Eine stellvertretende Sektionsleiterin im
Finanzministerium, als Zeugin geladen, ließ sich krankheitsbedingt
entschuldigen. Und dem gestrigen Zeugen, dem ehemaligen
Grasser-Pressesprecher und Kabinettschef Matthias Winkler, wurde
heute von zwei Angeklagten massiv widersprochen.
Winkler hatte gestern nur geringe Erinnerungen an ihm
vorgehaltene Unterlagen aus der Amtszeit von Grasser, die er sieben
Jahre lang als enger Mitarbeiter begleitete. Des weiteren will er
von den angeklagten beiden Causen - Provisionen beim Verkauf der
Bundeswohnungen (Buwog u.a.) und bei der Einmietung der
Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower - nur wenig mitbekommen
haben. Das sorgte im Nachhinein für sichtlich große Verärgerung beim
Angeklagten Ex-Telekom Austria-Manager Rudolf Fischer.
Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages ergriff Fischer das Wort
- und nahm sich kein Blatt vor den Mund. Winkler sei nicht nur
Pressesprecher gewesen, sondern die "zentrale Drehscheibe" im
Finanzministerium. Er könne sich selbst erinnern, dass Winkler bei
ihm zu einer 25.000-Euro-Spende der Telekom für eine
Regierungskampagne zur Pensionsreform nachgefragt hatte.
Dies bestätige gegenüber Richterin Marion Hohenecker unmittelbar
danach auch der mitangeklagte Ex-Lobbyist Peter Hochegger. Er könne
sich erinnern, dass ihm Fischer von dem Wunsch Winklers erzählt
habe. Dieser Vorwurf ist insofern brisant, weil Fischer und
Hochegger unter anderem dafür angeklagt sind, weil es
ungerechtfertigte Zahlungen der Telekom an die Politik gegeben haben
soll.
Dass Winkler von einer " ́politischen Landschaftspflege" nichts
wusste, wie er gestern als Zeuge unter Wahrheitspflicht im großen
Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts aussagte, sorgte
heute hörbar für emotionale Wallungen bei Fischer. Er sei ja schon
bei einigen Hauptverhandlungen gewesen und wisse daher, dass manche
Personen am Zeugenstuhl von "selektiver Wahrnehmung" befallen
würden. Er verstehe nicht, warum die Menschen im Zeugenstand nicht
einfach die Wahrheit sagen könnten. "Ich habe mich geärgert, man
sitzt da und plötzlich tritt der Gedächtnisverlust ein. So alt ist
der Herr Winkler nicht", so Fischer.
Unmittelbar darauf meldete sich Hochegger zu Wort und bestätigte
die Aussagen von Fischer. Er selbst habe die 25.000 Euro dann
abgerechnet. 2004 sei er in der Angelegenheit von den Grünen
angezeigt worden, bei der Einvernahme habe er, wie er zuvor mit
Winkler abgesprochen habe, die Unwahrheit gesagt. Bei einer weiteren
Einvernahme 2011 habe er dann seine frühere Falschaussage richtig
gestellt. Denn die Abrechnung der Gelder sei über Winkler erfolgt
und nicht durch ihn, sagte Hochegger.
Zum Hintergrund: Richterin Hohenecker hatte gestern
Schriftverkehr präsentiert, wonach die damalige Regierung unter
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) plante, mit honorigen
Professoren eine Werbekampagne für eine Pensionsreform
durchzuführen. Die Kosten dafür sollten staatsnahe Betriebe und
Interessenvereinigungen übernehmen - unter anderem die Telekom
Austria. Winkler sagte, er habe dazu keine Wahrnehmung.
Nachdem sich die erste Zeugin des heutigen Tages entschuldigen
ließ, begann Hohenecker mit der Verlesung der Vernehmungsprotokolle
des mittlerweile verstorbenen RLB-OÖ-Chefs Ludwig Scharinger, der
auch angeklagt, aber krankheitsbedingt nie im Großen
Schwurgerichtssaal erschienen war.
Am Nachmittag soll noch ein Zeuge aus dem ehemaligen Kabinett von
Grasser im Zeugenstand befragt werden, am kommenden Dienstag geht es
dann weiter mit den Zeugenauftritten. Als erster wird dann der
ehemalige Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP) aussagen.
(Schluss) stf/gru/ivn
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