Grasser-Prozess - Ex-Pressesprecher konnte sich an wenig erinnern
Langjähriger Kabinettschef Matthias Winkler: War lediglich
politisch-strategischer Berater, mit inhaltlichen Fragen kaum
befasst - BILD
Im Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz
Grasser und andere konnte heute dessen ehemaliger Pressesprecher und
Kabinettschef Matthias Winkler als Zeuge wenig zur Aufklärung
beitragen. Er verwies vielfach auf den langen Zeitraum von rund 15
Jahren, die der angeklagte Buwog-Verkauf und die Einmietung der
Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower zurückliegen.
Winkler war fast die ganze Zeit von Grassers Ministerperiode an
dessen Seite im Ministerium: Ab März 2000 war er sein
Pressesprecher, später zusätzlich auch noch Kabinettschef bis zum
Ausscheiden Grassers aus dem Amt im Jänner 2007. Bei Fragen zu
Inhalten habe er sich immer an die zuständigen Beamten oder
Referenten gewandt, betonte Winkler: Er habe nur organisatorisch
eine Schnittstellenfunktion gehabt, aber nicht inhaltlich.
Daher sei er auch in die beiden angeklagten Causen nicht
eingebunden gewesen, da seine Aufgabe die politisch-strategische
Beratung des damaligen Ministers sowie die Pressearbeit gewesen sei.
Womit Winkler seinen Job genau so beschrieb wie der mitangeklagte
Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger - der dies aus
Freundschaft zu Grasser allerdings unentgeltlich gemacht haben will.
Die Handynummer Grassers habe er noch immer, so Winkler auf
Nachfrage von Richterin Marion Hohenecker.
Dass Meischberger ein "Gatekeeper" zu Grasser gewesen sei, habe
er nicht mitbekommen, so Winkler. Er könne mit dem Wort überhaupt
wenig anfangen. Replik von Richterin Marion Hohenecker: "Gatekeeper
ist auch kein tagesfüllender Beruf." Nichts anfangen konnte Winkler
auch mit der Erklärung Meischbergers, er habe als strategischer
Kommunikator "politische Landschaftspflege" betrieben.
Besonderes Interesse zeigte die Richterin an zwei Terminen in
Grassers Terminkalender nach der ersten Anbotsrunde der
Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog u.a.): Am Freitag, dem 4.
Juni 2004, um 17.30 Uhr ist ein Termin Grassers mit dem früheren
Kabinettschef Heinz Traumüller und Winkler eingetragen. Danach sind
die Termine für diesen Tag geblockt, das heißt nachher war kein
Termin mehr möglich.
Am Montag darauf, am 7. Juni 2004, ist um 8.30 Uhr ebenfalls ein
Termin Grassers mit Traumüller und Winkler eingetragen. Anschließend
hat laut Aktenlage ein Treffen mit mehreren Personen im "Gelben
Salon" des Finanzministeriums zur Buwog-Privatisierung
stattgefunden, das aber nicht im Terminkalender eingetragen ist.
Winkler sagte heute in der Befragung, er könne sich an diese Termine
nicht mehr erinnern, also auch nicht, ob er bei dem Treffen gewesen
sei oder worum es gegangen wäre. "Das ist schon 14, 15 Jahre her",
meinte er.
Als dann Grasser-Verteidiger Norbert Wess detaillierte Fragen an
Winkler stellte, hakte Richterin Hohenecker ein und drehte den Spieß
unter Erheiterung der Anwesenden im Großen Schwurgerichtssaal des
Wiener Straflandesgerichts um - sie erinnerte Wess an den langen
Zeitraum, der die Erinnerung erschwere. Doch Winkler erinnerte sich
jedenfalls, wie beliebt der Minister bei den Beamten gewesen sei,
weil er sich ihrer Anliegen angenommen habe.
Winkler bezeichnete sich zuvor als engsten beruflichen Vertrauten
des Ministers. Privat habe er mit dem Minister nicht über dessen
Eheschließung geredet, auch dieser mit ihm nicht über seine
Eheschließung. Dass Grasser im Zuge seiner Heirat 500.000 Euro von
seiner Schwiegermutter bekommen habe und von der Schweiz nach
Österreich mit dem Auto transportierte, davon wisse er nichts, denn
Grasser habe nicht mit ihm darüber gesprochen. Auch dass Grasser
sich eigenen Angaben nach im Ministerium erkundigte, ob er das Geld
bei der Einfuhr deklarieren müsse, sei ihm unbekannt, so Winkler.
Von market-Umfragen zu Grasser, die die Telekom Austria bezahlt
hatte und die über die PR-Agentur des mitangeklagten Lobbyisten
Peter Hochegger Medien zugespielt wurden, hatte Grassers
Pressesprecher keine Wahrnehmungen. Die Berichterstattung in den
Medien sei Grasser aber sehr wichtig gewesen.
Hohenecker befragte Winkler dann zu einem der Belastungszeugen
der Anklage aus dem Kabinett von Grasser, Michael Ramprecht. Laut
Verteidigung belastet dieser den Ex-Minister nur deshalb, weil
Grasser seinen Job nicht verlängert hatte. Winkler bestätigte, dass
Ramprecht sehr erzürnt gewesen sei, man habe sich im Bösen getrennt.
Am Vormittag war die ehemalige Sekretärin von Grasser im
Zeugenstand. Hohenecker konfrontierte sie mit einem Schreiben, das
auf ihrem Computer im Büro gefunden worden war und laut Text von
Grassers Schwiegermutter stammt. In dem Brief fragt Grassers
Schwiegermutter, Marina Giori-Lhota, den damaligen und mittlerweile
verstorbenen Raiffeisen-Oberösterreich-Generaldirektor Ludwig
Scharinger, ob er für sie Veranlagungsmöglichkeiten für Immobilien
wüsste, etwa Zinshäuser. Die Sekretärin versicherte, sie habe das
bestimmt nicht geschrieben.
Der Prozess geht morgen, Donnerstag, mit weiteren Zeugen aus dem
Kabinett Grassers und dem Finanzministerium weiter.
(Schluss) stf/gru/tsk
ISIN AT00BUWOG001 AT0000809058
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