Grasser - Pilnacek: Ainedter-Vorgehen kann Fall für Standesrecht sein
Gespräch von Grasser-Anwalt mit Schöffen über Privatleben
"wenig geschickt" - Anwalt hätte Nachforschungen nicht in
Prozesspause vorbringen sollen
Der Sektionschef der Strafrechtssektion im
Justizministerium, Christian Pilnacek, stuft das Verhalten von
Grassers Rechtsanwalt Manfred Ainedter im Prozess zur
Buwog-Privatisierung als fragwürdig ein. "Ich halte das Ganze für
sehr wenig geschickt", so der Spitzenjurist am Donnerstag gegenüber
der APA. Ainedter hatte die Schöffen in einer Prozesspause auf
Privates und Berufliches angesprochen.
Zwar denke er nicht, dass man hier beim Anwalt des
Hauptangeklagten, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, den Verdacht
einer Straftat wie "Nötigung" habe, "aber möglicherweise doch ein
Verhalten, das vor dem Hintergrund des Standesrechts zu überprüfen
ist", sagte Pilnacek. Dafür wäre die Rechtsanwaltskammer Wien
zuständig.
Ainedter hatte in einer Prozesspause die Schöffen, also die
Laienrichter, angesprochen und ihnen zu verstehen gegeben, er wisse
Bescheid über ihre berufliche Vergangenheit und Freizeitaktivitäten
des Kindes eines der Schöffen. Die Schöffen informierten die
Richterin davon. In der Verhandlung am Mittwoch hatte er sich
gerechtfertigt, es sei "nur Small-Talk" gewesen. Richterin Marion
Hohenecker hatte ihn scharf gerügt.
Gegenüber dem Ö1-Morgenjournal des ORF-Radio Donnerstagfrüh hatte
Ainedter dann erklärt, er habe, nachdem er die Namen der Schöffen
erfahren habe, eine Google-Recherche durchgeführt, um allfällige
Befangenheiten von Schöffen feststellen zu können.
"Aus meiner Sicht ist das Ganze ein sehr sensibler Punkt", führte
Pilnacek zur APA aus. "Das hätte nicht in einer Pause passieren
sollen, sondern wenn ich als Verteidiger etwas wissen will, um
mögliche Befangenheiten von Schöffen feststellen zu können, müsste
ich das in einer Verhandlungssituation vorbringen."
Ein allgemeines Verbot der Kontaktaufnahme eines Verteidigers mit
Richter, Staatsanwalt oder Laienrichtern gebe es nicht. Ob ein
Gespräch allerdings eine - verbotene - Einschüchterung darstelle,
müssten die zuständigen Stellen jeweils im Einzelfall prüfen,
erläuterte der Sektionschef.
Staatsanwalt Alexander Marchart hatte noch während der
Verhandlung eine Protokollausfertigung verlangt. Er wolle offenbar
den Gesprächsinhalt genau beurteilen, um dann allenfalls daraus
Schlüsse zu ziehen. Der Staatsanwalt könnte den Disziplinaranwalt
der Rechtsanwaltskammer Wien damit befassen, so Pilnacek.
Die Berufsrichter müssten dafür Sorge tragen, dass die Schöffen,
die als Laienrichter ohnehin große Belastungen tragen, nicht noch in
der Öffentlichkeit quasi vorgeführt werden, daher würden etwa auch
keine Foto- oder Film-Aufnahmen von Schöffen gemacht.
Der Grasser-Prozess sei "sicherlich ein ganz außergewöhnlicher
Prozess", bestätigte Pilnacek, angesichts der Verfahrensbeteiligten,
der großen Anzahl, der Dauer des Verfahrens und der Schwere der
Vorwürfe. "Das alles sorgt hier für hohe Emotionalität im
Verfahren." Er plädiere dafür, derartige Emotionen aus dem Verfahren
rauszulassen. Natürlich stehe einiges auf dem Spiel. Es sei die
Aufgabe der Verteidigung, alles zu unternehmen, was dem eigenen
Mandanten nütze und nicht gegen Gesetze verstoße.
(Forts. mögl.) gru/cri
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