Air Berlin-Rettung bedroht - Piloten ins Cockpit zurückgerufen
Insolvente Airline hofft auf stabilen Flugbetrieb am
Donnerstag - Lufthansa-Angebot bisher noch nicht bindend -
"Giftpille" Betriebsübergang, "elegantes" Grounding?
Bei Air Berlin
haben sich viele Piloten den zweiten Tag in Folge krankgemeldet, sie
gefährden damit die Sanierung der insolventen Fluggesellschaft. Auch
am Mittwoch musste der Konzern Flüge streichen und setzt erst für
Donnerstag auf eine spürbare Besserung. Davor hatte es drastische
Warnungen gesetzt.
Vorstandschef Thomas Winkelmann schlug Alarm: "Potenzielle
Investoren werden durch die gestrige und heutige Performance
verschreckt." Am Dienstag hatten sich kurzfristig rund 200 Piloten
krank gemeldet. Nach jüngsten Zahlen der Air Berlin waren am
Dienstag 164 Flüge ausgefallen. Hinzu kamen mehrere Ausfälle bei der
Lufthansa-Tochter Eurowings, die üblicherweise mit Air
Berlin-Flugzeugen durchgeführt werden. Auch Wien-Flüge waren
betroffen.
Für Mittwoch gab das Unternehmen die Zahl der Krankmeldungen mit
149 an. Mindestens 32 Flüge wurden gestrichen, außerdem fielen 35
Eurowings-Verbindungen aus. Gegen Mittag gab es eine erste
Entwarnung, viele Crews kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück.
Vertreter des Managements und der deutschen Bundesregierung
hatten davor eindringlich an die Piloten appelliert. "Unterstützt
uns in dieser für das Unternehmen existenzbedrohenden Situation",
schrieb Winkelmann in einem offenen Brief. Ziel sei eine geordnete
Überleitung möglichst vieler Arbeitsplätze. Unabdingbar dafür sei,
dass der Flugbetrieb kurzfristig stabilisiert werde, also schon
morgen. "Meldet Euch aus dem Off freiwillig zurück." Auch die
deutsche Bundesregierung redete den Piloten ins Gewissen. Von
Arbeitgeberseite kam Kritik am "wilden Streik".
Die "Süddeutsche Zeitung" vermutet, dass die vielen
Krankmeldungen der Air-Berlin-Piloten aus deren Kreisen sorgfältig
organisiert wurden. Demnach führten Piloten der insolventen Airline
schon seit längerem eine sogenannte "Sick-out-Datei". In diese wurde
bereits am Montag jeder Krankgemeldete eingetragen, um einen
Überblick über die Teilnahme an der Aktion zu bekommen. Die
Verabredung dazu sei über eine vor kurzem gegründete Chat-Gruppe
eines Messenger-Dienstes erfolgt. In vertraulichen Mails von Piloten
an die "SZ" werde etwa auch argumentiert, zahlreiche in Bereitschaft
stehende Piloten seien am Montag nicht aktiviert worden, ebenso
wenig Piloten aus dem Management, oder solche, die frei hatten. "Wem
nutzt das?", fragte einer, der an eine geheime Planung zugunsten des
großen Konkurrenten Lufthansa glaubt. Air Berlin wies solche
Verdächtigungen zurück.
Air Berlin ist seit Mitte August pleite und kann nur dank eines
deutschen Staatskredits über 150 Mio. Euro weiterfliegen.
Interessenten können bis Freitag ein Kaufangebot für den Konzern
oder Teile davon einreichen. In Österreich heißt es damit weiter
Bangen, wie es mit der bisher nicht insolventen Tochter Niki weiter
geht. Insider halten es für möglich, dass Freitag schon die
Vorentscheidung fällt.
Die Zeit drängt, denn ein wichtiger irischer Flugzeugvermieter
hat von Air Berlin schon zehn geleaste Langstreckenjets
zurückverlangt. Deshalb muss das Langstreckennetz in der letzten
Septemberwoche schon dramatisch zusammengestrichen werden.
Viele Piloten fürchten bei einer Übernahme durch Konkurrenten wie
die Lufthansa oder Easyjet erhebliche Gehaltseinbußen. Sie fordern
deshalb Verhandlungen mit Air Berlin darüber, nach welchen Maßstäben
sie übernommen werden könnten. Dies ist auch für die Interessenten
ein Knackpunkt. "Der Betriebsübergang von Personal ist die giftige
Pille, die Condor, Lufthansa und Easyjet nicht schlucken wollen",
heißt es aus dem Umfeld der Verhandlungen.
Am Montag waren Gespräche gescheitert, in denen die
Arbeitnehmerseite einen Sozialplan erreichen wollte. Das Management
will aber erst verhandeln, wenn konkrete Kaufangebote vorliegen.
Selbst das erste öffentlich bekannte Angebot der AUA-Mutter
Lufthansa ist bisher noch nicht bindend.
Die Verkäufer wollen ein sogenanntes "Grounding" verhindern, also
die Einstellung des Flugbetriebs. Für Interessenten könnte dies
jedoch eine elegante Lösung sein, um nicht für Air Berlins
attraktive Start- und Landerechte an Flughäfen zahlen zu müssen,
verlautete heute wieder. "Für Lufthansa und Ryanair wäre dies
womöglich eine gute Variante", zitierte Reuters einen Insider.
Bei einer Einstellung des Flugbetriebs droht Air Berlin diese
"Slots" zu verlieren. Dann würden sie kostenlos neu verteilt - zu 50
Prozent an Airlines, die vom jeweiligen Flughafen bereits abfliegen,
und zu 50 Prozent an Neubewerber.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass jetzt auch der Geschäftsführer
der chinesischen Betreibergesellschaft des Flughafens Parchim,
Jonathan Pang, um Air Berlin mitbieten will. In Wien gehen seit
einigen Tagen unbestätigte Gerüchte um, dass Niki Lauda für die
Rückkaufideen der von ihm gegründeten Airline Niki den wohlhabenden
Red-Bull-Unternehmer Dietrich Mateschitz mit an Bord haben könnte.
(Schluss) rf/cam
ISIN GB00B128C026
WEB http://www.airberlin.com
http://www.flyniki.com