Blockchain-Technologie hält auch im Stromsektor Einzug
Durch geringere Transaktionskosten Preisvorteile für
Konsumenten möglich - Intermediäre könnten verschwinden -
Veränderte Rolle für Energieversorger - Technik macht rasant
Fortschritte
Auch im Stromsektor werden Blockchain-Anwendungen -
die Verkettung von Transaktions-Datensätzen - Einzug halten und den
Verbrauchern durch Kosteneinsparungen Preisvorteile bieten können.
Das kann bis zum direkten Stromverkauf aus einer privaten PV-Anlage
an den Nachbarn gehen. Daraus werden sich auch neue Geschäftsmodelle
entwickeln, die Energieversorgern eine veränderte Rolle zuweist.
Bisherige Transaktionsmodelle erfordern zwischengeschaltete
Instanzen wie Energiehändler - oder Banken, Notare, Börsenplätze.
Diese könnten bei Blockchains ausgeschaltet werden, wenn sich etwa
Verkäufer und Käufer oder Kreditgeber und -nehmer direkt verbinden,
sagte Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
am Mittwoch bei einer Verbund-Diskussion in Wien: "Den Intermediär
lässt man in der Blockchain-Idealwelt aus." Natürlich könne man
solche Peer-to-Peer-Systeme auch mit SAP-Lösungen aufbauen, "die
Implementierungskosten bei Blockchain sind aber deutlich geringer".
Natürlich werde es weiterhin Intermediäre geben, diese würden
sich aber in den Wettbewerb stellen müssen. Wer dabei die
vertrauenswürdigste Plattform sei - zum Beispiel der Verbund, Hofer,
Google oder Facebook - werde sich in der Konkurrenz herausstellen,
so Sieverding. "Wir wollen ein Gewinner sein - und alles tun, damit
wir es sind", betonte dazu Verbund-Generaldirektor Wolfgang
Anzengruber: "Es werden neue Geschäftsmodelle entstehen, die müssen
wir wahrnehmen."
Das Online-Netzwerk Facebook betätige sich tatsächlich als ein
Treiber beim Thema Blockchain, was den Strombereich betreffe,
berichtete Erwin Smole vom Energieberatungs-Start-up Grid
Singularity. Facebook sei sich bewusst, dass es zwei Milliarden
Menschen weltweit ohne Strom gebe: "Die sind da dahinter, weil sie
wissen: Wo Strom ist, ist auch Internet." Als österreichisches
Start-up registriere man mittlerweile viele Anfragen zu Blockchain
aus den USA, vor allem von Energieversorgern, aber auch aus Afrika
und Asien, wobei es im Falle Afrikas primär um Mikromärkte gehe.
"Das ist ein globaler Markt", so Smole. In Europa gebe es ein
Nord-Süd-Gefälle, also mehr Interesse aus Nordeuropa.
Laut Peter Böhmwalder von Nasdaq Commodities Europe glauben vier
Fünftel der Marktteilnehmer, dass Blockchain-Anwendungen in den
nächsten paar Jahren Realität werden - und sich ein Großteil über
den Aspekt Kosteneffizienz abspielen wird. Im Börsenhandel seien
etwa derzeit für einen Kontrakt insgesamt acht Schritte für das
Clearinghaus nötig, mit Blockchain nur noch zwei. "Der Handel würde
etwas günstiger werden", so Böhmwalder: "Auch den Ölhandel könnte
man günstiger auf Blockchain legen."
Die Abwicklungen der Transaktionen könne man mittlerweile bereits
bis auf Haushaltsgeräte-Ebene herunter optimieren, der komplette
Mechanismus laufe dabei vollautomatisch, berichtete Smole. Dabei sei
alles marktbasiert, also ein "Marktmodell in Reinkultur". Der Kunde
könne bestimmte Preise eingeben, zu denen er ein Produkt erwerben
wolle - gleiches gelte umgekehrt für den Anbieter.
Und die Entwicklung der Blockchain-Modelle schreitet rasant
voran. In der nächsten Software-Generation, die 2018 als Open Source
verfügbar sein solle, werde man pro Sekunde eine Million
Transaktionen verarbeiten können, sagte Smole. Damit könne man in
der Energiewirtschaft "ganz Deutschland abbilden". Heute sei es
bereits möglich, im niedrigen Millisekundenbereich bei Stromnetzen
zu agieren. "2016 wussten wir nicht, dass wir das heuer erreichen.
Der Bereich ist unheimlich dynamisch."
Für Verbund-Chef Anzengruber wäre es "trügerisch zu glauben, dass
das nur ein Hype ist, der vorübergeht". Die Blockchain-Technologie
sei "hochspannend", und der Verbund habe bereits vor eineinhalb
Jahren ein erstes Projekt auf der Data-Mining-Seite durchgeführt.
Zudem sei bei Blockchain positiv, dass es sich um eine europäische
Technik handle: "Da laufen wir nicht den USA hinterher." Die Welt
werde sich in diese Richtung entwickeln "und deshalb werden wir
draufbleiben", so Anzengruber.
Von "gleichberechtigten" Peer-to-Peer-Anwendungen für Verbraucher
zeigte sich Keynote-Speaker Sieverding "nicht überzeugt". Er glaubt,
dass die Blockchain-Technologie eher über den B2B-Wettbewerb bei den
Kunden ankommen wird. "Die Verbraucher wollen, glaube ich, eher
weiter jemanden dazwischengeschaltet haben, dem sie vertrauen." Für
den Börsenhandel rechnet Böhmwalder auch nicht mit einer Ablöse der
bisherigen Akteure und Intermediäre - für Blockchain sieht er
Potenzial eher in Mikromärkten, also etwa im OTC-Handel für Papiere
von Firmen, die für eine Börsennotiz zu klein sind. "Wir sehen da
draußen hundert Millionen kleine Mikromärkte - in der Mongolei,
Afrika, Spitzbergen." Jedoch sehe er den "Hype" auch kritisch. Zu
Bitcoin sei er skeptisch, aber optimistisch zu Blockchain.
Treiber bei Blockchain werde zweifellos der Konsument sein: "In
zwei Jahren werden die großen Rollouts kommen, auch für die
Energiewirtschaft", meinte Start-up-Mitbegründer Smole. Ob das dann
auch ein "Game Changer" sein werde? Natürlich, "sonst hätten wir
unsere Firma nicht gegründet". Der Bereich wandle sich rasant, auch
zum Bitcoin-Mining gebe es schon ein Folgekonzept und
Nachfolgemodelle. "In einem Jahr wird vieles, was wir heute hören,
schon veraltet sein."
"Die Regulatoren müssten sich jetzt schon mit dem Thema
Blockchain befassen", meinte Smole. Und Verbraucherberater
Sieverding sieht dazu politischen Handlungsbedarf beim Datenschutz.
Auch der Frage, wie sehr die Solidarsysteme angegriffen werden
könnten - Stichwort Ent-Solidarisierung -, werde man sich widmen
müssen. Denn irgendwer müsse ja auch künftig die Fixkosten zahlen.
So werde etwa in Deutschland ein Energiewende-Fonds diskutiert, der
schlimmstenfalls die Finanzierung über das Steuersystem erledigen
müsste, würde die Energiewende nicht mehr über die Kilowattstunden
gespeist.
(Schluss) sp/itz
ISIN AT0000746409
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