Raiffeisen Russland: Fragwürdiges Argument bei Überweisungssummen
Minimalbetrag von 10.000 Euro tangiert in den Westen geflohene
Russen
Die russische Raiffeisenbank hat Anfang März
mit Verweis auf ein fragwürdiges Argument die Möglichkeiten vieler
Kunden reduziert, Geld ins Ausland zu transferieren. Die RBI-Tochter
hatte die Verdopplung der Überweisungsminimalsumme auf 10.000 Euro
damit begründet, dass Korrespondenzbanken eine Obergrenze der
Überweisungszahl aus Russland eingeführt hätten. Laut APA-Recherchen
trifft dies zumindest bei drei von fünf bekannten
Korrespondenzbanken dieser Bank jedoch nicht zu.
Raiffeisen Russland hatte im August 2022 erstmals Minimalsummen
bei Auslandsüberweisungen eingeführt, die von anfänglich 3.000 Euro
auf nunmehr 10.000 Euro erhöht wurden. Tangiert von der Maßnahme
sind insbesondere jene Raiffeisen-Russland-Kunden aus der urbanen
Mittelschicht, die seit der russischen Invasion der Ukraine am 24.
Februar 2022 ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen haben. In
vielen Fällen haben diese Personen, die in der russischen
Staatspropaganda als Verräter dargestellt werden, noch nicht alle
wirtschaftlichen Brücken nach Russland abgebrochen. Sie erhalten
dort etwa bescheidene Einkünfte, die sie bei Raiffeisen nun nur noch
in sehr unregelmäßigen Abständen in das Ausland überweisen können.
Die aktuelle Minimalsumme bei Auslandsüberweisungen von
Raiffeisen Russland liegt 25 Mal höher als jene 400 Dollar, die laut
Angaben der russischen Zentralbank im Jahr 2021 in einer
durchschnittlichen Überweisung aus Russland in das Ausland
transferiert wurden. Nachdem viele russische Banken mit westlichen
Sanktionen belegt und aus dem SWIFT-System ausgeschlossen wurden,
bleibt Raiffeisen Russland gleichzeitig eine der wenigen Großbanken
im Land, die Überweisungen in den Westen noch anbieten können. Der
Anteil der RBI-Tochter bei SWIFT-Überweisungen in Dollar und Euro
aus Russland betrug laut RBI-Angaben zuletzt etwa 30 Prozent.
"Diese Maßnahme ist notwendig, um zu vermeiden, dass die von den
Korrespondenzbanken festgelegten Obergrenzen für die Anzahl solcher
Zahlungen überschritten werden, da die Korrespondenzbanken immer
höhere Anforderungen an die Prüfung und Abwicklung von Zahlungen
stellen", erklärte Ende Februar eine Sprecherin von Raiffeisen
International (RBI) die Erhöhung der minimalen Überweisungssumme auf
10.000 Euro. Die große Anzahl an Transaktionen stelle die
Korrespondenzbanken vor große Anforderungen, die Einführung eines
Mindestbetrags solle die Anzahl der Transaktionen reduzieren,
ergänzte sie auf APA-Nachfrage. RBI in Wien fungiert selbst als
Korrespondenzbank der Tochterbank bei Euroüberweisungen.
In der Bankenbranche gelten Beschränkungen der Anzahl von
Transaktionen jedenfalls als äußerst ungewöhnlich. Bei drei von fünf
bekannten Korrespondenzbanken der russischen Raiffeisenbank im
westlichen Ausland ist von einer diesbezüglichen Obergrenze auch
nichts bekannt.
Die Erste Group habe eine eingeschränkte und streng überwachte
Geschäftsbeziehung zur Raiffeisenbank Russland, erklärte ein
Sprecher der Erste Group in Wien auf APA-Anfrage. "Nachdem wir im
Rahmen der Korrespondenzbankbeziehung ausschließlich Zahlungen im
Zusammenhang mit eigenen Kundinnen und Kunden abwickeln, haben wir
kein Limit für die Anzahl der Überweisungen von der Raiffeisenbank
Russland gesetzt", betonte er.
Keine Rede von einer derartigen Selbstbeschränkungen ist bei
Raiffeisen Russland-Korrespondenzbanken in Deutschland: Der
Zahlungsverkehr laufe unter ständiger Berücksichtigung der
Sanktionen und in reduziertem Umfang aktuell weiter, betonte eine
Sprecherin der Commerzbank in Frankfurt. Im Zusammenhang mit
Verunsicherung am Markt und Sanktionen könne es jedoch zu deutlichen
Verzögerungen kommen und auch die Zurückweisungen von
Zahlungsaufträgen könnten nicht ausgeschlossen werden, berichtete
sie. Keine Informationen über eine Begrenzung der Anzahl der
Überweisungen liegen auch in der DZ Bank in Frankfurt vor. In dieser
Bank mutmaßt man jedoch, dass es sich bei der vorgeschriebenen
Überweisungsminimalsumme von 10.000 Euro bei Raiffeisen Russland um
Devisenbeschränkungen oder Auflagen der russischen Regierung handeln
könnte. Belege dafür gibt es freilich keine.