Erste-Group-CEO Spalt baut auf "doppelte Impfung" für die Konjunktur
Durchimpfungsrate und EU-Aufbaufonds heuer entscheidend für
die Wirtschaft - Für Erste Group 2021 mehr Gewinn und weniger
Risikokosten, aber höhere Kreditausfallrate gesehen
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS
Neu: Durchgehend neu nach der Pressekonferenz
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Nach dem von der Coronakrise stark belasteten Jahr
2020 ist das erste Quartal 2021 für die Erste Group wieder besser
gelaufen. Gesunkene Risikokosten, ein positives Handels- und
Bewertungsergebnis und ein starkes Provisionsergebnis haben den
Gewinn der Bank deutlich angeschoben. Dieses "insgesamt positive
Bild" ist laut Bankchef Bernd Spalt auch ein Zeichen, dass
Österreich und die Länder der CEE-Region beginnen, sich
wirtschaftlich wieder zu erholen.
Dieser kommende Aufschwung werde durch eine "doppelte Impfung"
ausgelöst, sagte Spalt am Freitag weiter. Einerseits sei der
Konjunkturaufschwung natürlich von der Durchimpfungsquote der
Bevölkerung damit der Rückkehr zu einer Normalität in den
Wirtschaftsaktivitäten geprägt. Einige Länder in Osteuropa seien
hier schon deutlich weiter als in Österreich.
Hierzulande stehe die Bank jedoch für die betriebliche Impfung
ihrer Mitarbeiter, die im Mai beginnen soll, bereits "Gewehr bei
Fuß", sagte die Risikochefin Alexandra Habeler-Drabek. Mit dem
Vorbereitungen im Gesundheitszentrum der Bank sei man schon sehr
weit. Sie geht auch davon aus, dass das Interesse der Mitarbeiter an
einer Impfung groß sein wird. Wann jedoch genau mit Impfungen
gestartet werden kann und welcher Impfstoff dann zur Anwendung
kommt, wisse man aber noch nicht.
Andererseits seien aber auch die Kapitalspritzen der EU von
großer Bedeutung. Der 750 Mrd. Euro schwere Wiederaufbaufonds der EU
werde "in unserer Region große wirtschaftliche Kräfte freisetzen,"
so Spalt. Die Mittel müssten nun aber auch in ehrgeizige Projekte
umgesetzt werden und von solchen sehe er derzeit noch zu wenig. "Ich
würde mir mehr wünschen, mehr Leuchtturmprojekte", so der Bankchef.
Die thematische Richtung, die dabei eingeschlagen werden müsse, sei
im Hinblick auf die junge Generation, für die die Krise auch viele
Verschlechterungen gebracht habe, klar: Nachhaltigkeit, Bildung,
aber auch Gesundheit und Arbeitsmarkt seien die großen Themen, die
auch entscheiden würden, wie der Weg aus der Krise geschafft werden
könne.
Vor allem in der zweiten Jahreshälfte sei mit einem
wirtschaftlichen Aufschwung zu rechnen. Für die Länder der
CEE-Region rechnet die Bank mit BIP-Wachstumsraten zwischen 3 und 5
Prozent. Den in den vergangenen Monaten häufig befürchteten
Insolvenztsunami sieht Spalt nicht kommen, auch wenn wegen der heuer
auslaufenden Corona-Staatshilfen die Quote der notleidenden Kredite
wohl wieder etwas ansteigen werde. Klippeneffekte erwartet Spalt
aber nicht.
Zum Ende des ersten Quartals lag die Quote der notleidenden
Kredite (non-performing loans/NPL) bei 2,6 Prozent, für das
Gesamtjahr rechnet die Bank dennoch weiterhin mit einem Anstieg auf
3 bis 4 Prozent. Derzeit seien die staatlichen
Unterstützungsmaßnahmen noch zu einem Großteil da, daher sei die
NPL-Quote im ersten Jahresviertel noch eher niedrig gewesen, sagte
Habeler-Drabek. Die gute Entwicklung der ersten Monate könne zudem
den Weg ebnen, um die Erwartungen für das Gesamtjahr noch zu
übertreffen.
Trotz eines Anstiegs der NPL-Quot rechnet die Bank für heuer mit
rückläufigen Risikokosten und einem höheren Nettogewinn als im
Vorjahr. Im ersten Quartal sanken die Risikovorsorgen von 61,7 Mio.
Euro auf 35,7 Mio. Euro, der Gewinn stieg indessen um 50,9 Prozent
auf 355,1 Mio. Euro. Auch an der Dividende von 0,50 Euro pro Aktie
hält die Bank weiter fest. Zudem wurde eine Reserve von 1,0 Euro je
Aktie für eine mögliche Sonderdividende im Herbst gebildet - diese
kann ausgezahlt werden, sofern die Europäische Zentralbank (EZB)
ihre Empfehlung zur Zurückhaltung bei Dividenden nicht über Ende
September hinaus verlängert.
In seiner Position als WKÖ-Bankspartenobmann betonte Spalt
weiters, dass es derzeit keine Kreditklemme gebe. "Der Kredithahn
ist auf und nicht zu", sagte der Bankchef. Es gebe auch keinen Stau
oder nicht bearbeitete Stundungen- oder Kreditanfragen. Vor einigen
Tagen kam eine Umfrage des Wiener Beratungsunternehmens
Finanzombudsmann zu dem Schluss, dass Banken bei Finanzierungen für
Unternehmen heuer bisher zögerlich gewesen seien.
Ebenfalls in der Position als Spartenobmann äußerte sich Spalt
zum geplanten Ausstieg der Raiffeisen-Gruppe aus der
Einlagensicherung in Österreich. Die Raiffeisen plant diesen Schritt
im Nachgang der Pleite der burgenländischen Commerzialbank im Sommer
des Vorjahres. Diese hatte den Raiffeisen-Sektor rund 220 Mio. Euro
gekostet. Die Genehmigungen der Aufseher stehen aktuell noch aus.
Laut Spalt geht es bei einer Neuordnung der Einlagensicherung in
erster Linie aber nicht um die Frage, wer den Schaden bezahlen muss,
sondern darum, Wege zu finden um zu verhindern, dass es in Zukunft
überhaupt zu solchen Fällen komme. Es gehe ums Vorausschauen und
darum, aus dieser Katastrophe zu lernen, so der Bankchef. Raiffeisen
war bisher der größte Einzahler in die ESA, nach deren Austritt ist
es dann die Bank Austria. Die Erste Group ist dagegen nicht Teil der
Einlagensicherung Austria (ESA), sondern betreibt gemeinsam mit den
Sparkassen eine eigene Einlagensicherung.