Corona-Jahrhundertkrise kostet uns drei Jahre Wirtschaftsleistung
Raiffeisen-Analysten setzen auf baldiges Ende des
Zwangssparens: Aufgestauter Konsum sollte zwangsläufig zu
Aufschwung führen - Bis 2025 keine EZB-Leitzinsänderungen in
Sicht
Erst Anfang 2023 erwarten die Analysten der
Raiffeisen Bank International (RBI) die Wirtschaftsleistung in
Euroland und in Österreich auf Vorkrisenniveau zurückkommen. Damit
hat diese "Jahrhundertkrise" zwei bis drei Jahre der
Wirtschaftsleistung gekostet. Schwer getroffene Sektoren dürften bis
weit in die 2020er Jahre um Normalität kämpfen. Trotz neuerlicher
Lockdowns in weiten Teilen Europas sehen die Experten 2021
Erholungspotenzial, allenfalls etwas später als erwartet.
Nach dem Corona-Jahr, das sich mit abermaligen Horrormeldungen
bei Covid-Infektionen verabschiedet hat, wird zumindest noch im 1.
Quartal 2021 mit einschneidenden Restriktionen gerechnet. Die
Wirtschaftsdynamik fürs erste Quartal setzen die RBI-Ökonomen zum
Vorquartal (nicht annualisiert) derzeit hart an der Null an, also
bei Null bis allenfalls 0,5 Prozent plus. Falls es noch leicht
negativ ausfällt, werde das zweite Quartal entsprechend positiver.
Das wird derzeit im Vergleich zum Vorquartal bei 2,5 Prozent im Plus
gesehen, oder höher. Der in der Folge größere - konsumgetriebene -
"unvollständige" Aufschwung würde ins 3. Quartal fallen. Somit
bleibt die RBI für das Gesamtjahr bei ihrer Erwartung auf ein
BIP-Plus von 3,5 Prozent - nach einem Rückgang um 7,2 Prozent im
abgelaufenen Jahr.
Auch wenn es beim Ausrollen der so erhofften Corona-Impfungen
Verzögerungen gab und nach rekordschneller Impfstoffentwicklung der
Impfstart nicht reibungslos lief, lasse der angelaufene Impfzyklus
doch Hoffnungen auf Besserung im weiteren Jahresverlauf aufkommen.
Im vierten Quartal ist laut RBI das BIP zum Vorquartal nur mehr um 4
Prozent gesunken, Österreich kamen hier Industrielastigkeit und
Exportverflechtungen zugute. Beim privaten Konsum erlebte Österreich
aber einen nie gesehenen Rückgang.
Wenn die "künstlichen Sperren" aufgehoben werden, das
Zwangssparen bzw. Angstsparen endet, löse sich derart viel
aufgestauter Konsum, dass schon daraus Wachstum zwingend notwendig
sei, meinten RBI-Chefanalyst Peter Brezinschek und Gunter Deuber,
seit Anfang Jänner Leiter des Bereichs Volkswirtschaft und
Finanzanalyse am Donnerstag. Wieviel Geld private Haushalte in der
Coronakrise beiseite gelegt haben statt auszugeben, zeigt die
Entwicklung der Sparquote, die zur Jahresmitte 2020 auf 25 Prozent
gesprungen war, im Gesamtjahr dann bei 13,5 Prozent zu liegen kam -
nach 8,5 Prozent im Jahr vor der Krise. Laut RBI sind die Einkommen
der in Beschäftigung gebliebenen Arbeitnehmer durch fiskalische
Maßnahmen und Kurzarbeit voriges Jahr nicht so sehr zurückgegangen.
Von Politik und Notenbanken erwarten die Experten weiterhin den
Willen, den Anfang eines neuen Konjunkturzylus wirtschafts- fiskal-
und geldpolitisch zu flankieren. Bis 2024/2025 sieht man bei
Raiffeisen keine Änderung der EZB-Leitzinsen. Durch die
Anleiheaufkaufsprogramme halte die Europäische Zentralbank (RZB)
mittlerweile 20, 30 Prozent oder mehr der Staatsanleihen der
einzelnen Länder. Die Anleiherenditen seien damit schätzungsweise um
2 Prozentpunkte nach unten verzerrt. Durch Reinvestitionen dürfte
die Zentralbank bis weit in die 2030er Jahre am Kapitalmarkt aktiv
sein. Die Finanzmärkte selbst hätten den externen Schock durch
Corona schon voriges Jahr in Summe schnell verarbeitet.
Nach der Erstürmung des Capitols in Washington durch Anhänger des
abgewählten US-Präsidenten Donald Trump haben sich die Börsen heute
Donnerstag nicht wirklich aus der Ruhe bringen lassen. Brezinschek
sieht in der Gewaltaktion ein einmaliges Ereignis, die
Handlungsfähigkeit der US-Demokratie sei in keinster Weise
gefährdet. So unerfreulich solche Gewaltaktionen seien, so wenig
hätten sie Einfluss auf die langfristige Wirtschafts- und
Konjunkturentwicklung. "Das sind die treibenden Kräfte an den
Aktienmärkten." In Summe sei die Hoffnung für den US-Markt mehr
politische Stabilität, klarere wirtschaftspolitische Ausrichtungen
der Handelsbeziehungen auch zu Europa.