Eurozone-Talfahrt schwächt sich im Juni den zweiten
Monat in Folge spürbar ab
Infolge der Aufhebung weiterer Restriktionen und
Beschränkungen zur Eindämmung der
Coronavirus-Pandemie hat sich die Talfahrt der
Eurozone im Juni den zweiten Monat
hintereinander deutlich verlangsamt. Überdies
verbesserten sich die Geschäftsaussichten binnen
Jahresfrist ausgesprochen stark.
Der IHS Markit Flash Eurozone Composite Index
Produktion legte binnen Monatsfrist um weitere
15,6 Punkte auf 47,5 im Juni zu – der höchste Wert
seit Februar. Im April war er auf ein Rekordtief von
13,6 Punkte abgesackt. Bis auf den Indexanstieg im
Mai hatte der Index noch nie zuvor so stark zugelegt
wie diesmal. Gleichwohl signalisierte er weiter
rückläufiges Wachstum.
Die Industrieproduktion sank erneut, noch etwas
stärker ging die Geschäftstätigkeit im Servicesektor
zurück. In beiden Fällen schwächten sich die
Schrumpfungsraten allerdings spürbar ab.
Ausschlaggebend für die erneuten Einbußen war die
weiter rückläufige Nachfrage, was eine abermals
starke Abnahme der Auftragsbestände nach sich
zog. Doch auch hier schwächten sich die jeweiligen
Schrumpfungsraten gegenüber Mai deutlich ab.
Hauptursache für die rückläufige Produktion und die
abnehmenden Auftragseingänge war erneut die
Corona-Pandemie. So blieben nicht systemrelevante
Unternehmen wie Hotels, Restaurants, Firmen aus
der Reise- und Tourismusbranche sowie aus
anderen konsumorientierte Sektoren auch im Juni
geschlossen und die Social-Distancing-Maßnahmen
weiter in Kraft. Zahlreiche weitere Unternehmen
berichteten von einer anhaltend schwachen
Nachfrage infolge der niedrigen Ausgabenbereitschaft seitens der Unternehmen und privaten
Haushalte.
Allerdings wurden die COVID-19-bedingten
Ausgangssperren in der gesamten Eurozone im
Monatsverlauf spürbar gelockert, wodurch viele
Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit wieder
aufnahmen und die Nachfrage nach zahlreichen
Gütern und Dienstleistungen wieder anzog.
Die bereits vollzogenen und weitere in Aussicht
gestellte Lockerungen trugen mit dazu bei, dass die
Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist auf den
höchsten Stand seit Februar gestiegen sind.
Erstmals seit vier Monaten übertraf die Anzahl der
Optimisten wieder die der Pessimisten. Verbessert
hat sich der Ausblick in der Industrie und im Servicesektor gleichermaßen, was den
zweitstärksten monatlichen Indexanstieg seit
Beginn der Erhebung dieser Daten 2012 nach sich
zog.
Angesichts der anhaltenden Nachfrageflaute setzte
sich der Stellenabbau jedoch den vierten Monat in
Folge fort, wenngleich mit der niedrigsten Rate seit
Februar. In beiden Sektoren gingen per Saldo
weniger Arbeitsplätze verloren als im Mai, in der
Industrie blieb der Jobabbau wegen rückläufiger
operativer Kapazitäten allerdings stark.
Um die Umsätze anzukurbeln, wurden die
Verkaufs- bzw. Angebotspreise für Güter und
Dienstleistungen den vierten Monat in Folge
reduziert. Aufgrund der verbesserten Preismacht
sanken sie diesmal allerdings nicht mehr ganz so
stark wie zum 11-Jahresrekord im April. Der
entsprechende Index kletterte auf ein 4-
Monatshoch.
Vor allem wegen des gestiegenen Lohndrucks
legten die Kosten erstmals seit Februar insgesamt
wieder zu. In der Industrie sanken die Einkaufspreise jedoch aufgrund der schwachen Nachfrage
abermals stark, wenngleich der entsprechende
Index auf ein 4-Monatshoch zulegte.
Auf Länderebene war Frankreich diesmal führend,
hier wuchs die Wirtschaft sogar erstmals seit
Februar wieder, angetrieben durch einen starken
Anstieg der Industrieproduktion. Deutschland hinkte
hinterher, hier sank die Wirtschaftsleistung stärker
als in den übrigen Ländern außerhalb Frankreichs
und Deutschlands. Allerdings war Deutschlands
Wirtschaft in den letzten vier Monaten am
schwächsten geschrumpft, gefolgt von Frankreich
und den übrigen Eurozone-Ländern.
Die Vorabschätzung basiert in der Regel auf ungefähr 85% der
regulären monatlichen Umfragerückmeldungen und beinhaltet
alle von der PMI-Umfrage erfassten Länder. Veröffentlicht
werden jedoch nur die Daten für Frankreich und Deutschland.
*Der Fokus dieses Berichts liegt stärker auf dem Index
Industrieproduktion als auf dem PMI-Hauptindex, da der PMI
Hauptindex auch die Unterindizes für Lieferzeiten und Lager
beinhaltet. Diese Unterindizes können die Analyse der
Umfragedaten und die Abschätzung der weiteren
Produktionsentwicklung verzerren.
Chris Williamson, Chief Business Economist bei
IHS Markit, kommentiert den aktuellen Eurozone
Flash-PMI:
“Wie der Eurozone PMI-Flash zeigt, hat sich die
Talfahrt der Eurozone im Juni abermals
substanziell verlangsamt. Produktion und
Nachfrage gingen zwar weiter zurück, kollabierten
aber nicht mehr. Zwar dürfte das BIP im zweiten
Quartal 2020 mit noch nie dagewesener Rate
sinken, doch nährt der PMI-Anstieg die
Erwartungen, dass die gelockerten Ausgangssperren der Rezession bis zum Sommer ein Ende
bereiten werden.
In Frankreich zeichneten sich sogar wieder erste
Wachstumstendenzen ab, wenngleich dessen
Wirtschaft zum Höhepunkt der COVID-19-
Pandemie stärker eingebrochen war als die
deutsche. Deutschland und die übrigen Eurozone-Länder vermelden erfreulicherweise ebenfalls
abgeschwächte Schrumpfungsraten.
Allerdings kann über den Zeitpunkt der Rückkehr
zur Normalität vorerst nur spekuliert werden. Und
da die Pandemie-bedingten Restriktionen die
Unternehmen auch noch das ganze Jahr hindurch
beeinträchtigen werden, bleiben wir sehr vorsichtig,
was Stärke und Nachhaltigkeit eines Wirtschaftsaufschwungs anbelangt.
Der Arbeitsmarkt bleibt Sorgenkind Nummer eins,
vor allem wenn die Nachfrage in den nächsten
Monaten nicht wieder stark anziehen sollte. Aus
diesem Grund bleiben wir bei unserer Prognose,
dass das BIP 2020 um über 8% sinken wird.
Während es mit dem Aufschwung im dritten Quartal
zwar wieder losgehen könnte, besteht die
Wahrscheinlichkeit, dass die Dynamik schon bald
wieder nachlässt, was bedeuten würde, dass es
wahrscheinlich bis zu drei Jahre dauern könnte,
bevor das Eurozone-BIP wieder das Niveau von vor
der Pandemie erreicht.
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