Ölkonzern OMV registriert bereits leichte Sprit-Nachfrageerholung
CEO Seele: Zweites Quartal wird schwerstes im Geschäftsjahr -
Hoffnung auf sukzessive Ölpreis-Erholung im zweiten Halbjahr
Der Erdöl- und Gaskonzern OMV macht nach dem
coronabedingten Nachfragekollaps erste Zeichen einer Belebung für
das schwer gebeutelte Geschäft aus. "Insbesondere bei Kraftstoffen
erkennen wir eine leichte Zunahme der Nachfrage", sagte
Vorstandschef Rainer Seele in einem am Mittwoch veröffentlichten
Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Das zweite Quartal werde das schwerste in diesem Geschäftsjahr.
"Schließlich haben wir im April die volle Wucht des Lockdown gesehen
und im großen Umfang auch noch im Mai". Vor allem das
Upstream-Geschäft, die Suche und Förderung von Öl- und Gas, leide
unter den niedrigen Preisen und Mengen. Aber auch das
Downstream-Geschäft, die Weiterverarbeitung von Rohöl zu
Treibstoffen, bekomme die Nachfrageschwäche zu spüren.
Produktionsstillstände seien zwar nicht zu befürchten, sich auf die
Suche nach neuen Feldern zu machen, "mache derzeit aber auch keinen
Sinn", sagte Seele.
Mit der Lockerung der Einschränkungen in Österreich sei der
Bedarf nach Diesel und Benzin etwas gestiegen. Nachdem die Nachfrage
im April um die Hälfte eingebrochen sei, lag das Minus Anfang Mai
bei 40 Prozent und zuletzt noch bei 35 Prozent, sagte der Manager,
der Österreichs größten Industriekonzern führt. Wie sich die
Nachfrage weiter entwickelt, könne derzeit niemand einschätzen. Dies
hänge auch davon ab, ob es zu einer zweiten Infektionswelle und
neuen Einschränkungen komme. Manche Analysten erwarten, dass der
Ölverbrauch erst in zwei Jahren wieder das Vorkrisen-Niveau
erreicht.
Die Kraftstoffnachfrage war weltweit um etwa 30 Prozent gesunken,
da die Wirtschaft wegen der Beschränkungen angesichts der
Coronavirus-Pandemie heruntergefahren wurde und die Menschen zu
Hause bleiben mussten. Die fehlende Nachfrage führte zu schweren
Turbulenzen am Ölmarkt. Österreich war eines der ersten Länder in
Europa, das Mitte März Geschäfte, Restaurants und Schulen
geschlossen und die Menschen aufgefordert hatte, zu Hause zu
bleiben. Das Land begann ab Mitte April mit einer schrittweisen
Lockerung.
Mit einer Erholung der Ölpreise rechnet der OMV-Chef in der
zweiten Jahreshälfte. "Es gibt Tendenzen, dass wir auf ein
vernünftiges Ölpreisniveau zurückkehren, wie zum Beispiel die
Bereitschaft der Produzenten doch sehr deutlich die Produktion
zurückzunehmen". Saudi-Arabien hatte zu Wochenbeginn weitere
Förderkürzungen von einer Million Barrel pro Tag angekündigt. Die ab
Juni geltende Drosselung kommt zu den von den OPEC-Ländern und ihren
Verbündeten ("OPEC+") beschlossenen Kürzungen von etwa zehn Prozent
des Angebots dazu.
OMV hatte im ersten Quartal einen Verlust von 159 Millionen Euro
angehäuft, nach einem Gewinn von 355 Mio. Euro. Das Produktionsziel
senkte der Konzern für 2020 von 500.000 auf 440.000 bis 470.000
Barrel pro Tag. Für den Ölpreis rechnet OMV nun mit 40 Dollar (knapp
37 Euro) je Barrel, nach zuvor 60 Dollar. Zuletzt lag die Sorte
Brent bei unter 30 Dollar je Fass.
Besser sei die Nachfrage im Bereich Petrochemie, wo OMV erst
kürzlich den größten Zukauf in der Unternehmensgeschichte
eingefädelt hatte. Mitte März kaufte OMV für über vier Milliarden
Euro die Mehrheit am Chemiekonzern Borealis. "Wenn ich die
Petrochemie nicht hätte, würde ich noch ein paar Sorgenfalten mehr
haben", sagte OMV-Chef Seele. Gerade in der Coronakrise mache sich
dieses Geschäft bezahlt, da OMV in den Raffinerien die wenig
nachgefragten Produkte wie Kerosin oder Benzin petrochemisch
verarbeiten könne und nicht alles liegen bleibe. Die Anlagen zur
Herstellung von chemischen Stoffen wie Ethylen oder Propylen - die
etwa für Gesichtsmasken benötigt werden - würden auf Hochtouren
laufen. Dies sei auch der Grund dafür, dass die OMV-Raffinerien mit
80 Prozent weit höher ausgelastet seien als jene von Mitbewerbern.