Neue Infineon-Chip-Fabrik in Villach entsteht mit Rekord-Investition
Halbleiterkonzern erweitert Produktionskapazität in Österreich
- Höchster Reinraumstandard - CEO Herlitschka: Europa muss auf
eigene Interessen achten - BILD
Der deutsche Chipkonzern Infineon erweitert seine
Kapazitäten in Österreich massiv: Am Rand von Villach entsteht eine
vollautomatisierte High-Tech-Fabrik für Halbleiter. Mit 1,6
Milliarden Euro Investitionsvolumen bis 2025 ist es die größte
Privatinvestition in Österreich, wie Infineon-Österreich-Chefin
Sabine Herlitschka bei der Baustellenbesichtigung mit Journalisten
erklärt.
Baubeginn war in der ersten Jahreshälfte 2019, Ende 2021 soll das
Projekt fertiggestellt und die Produktion begonnen werden.
Produziert werden Leistungshalbleiter auf 300-Millimeter-Dünnwafern.
Dabei werden 400 neue hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstehen,
denn trotz vollautomatischer Chip-Produktion werden Arbeitskräfte
zur Wartung und Überwachung der Einrichtungen gebraucht. Weiters
wird am Gelände ein neuer Gebäudekomplex für Forschung und
Entwicklung errichtet, wo 350 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.
Für dieses neue Gebäude sind "nur" Kosten von 50 Mio. Euro
veranschlagt - hier befindet sich keine Produktion, daher sind weder
Maschinen, Roboter noch Reinraumqualität notwendig.
Zum Ende des Geschäftsjahrs 2019 arbeiteten bei Infineon Austria
4.600 Menschen. Villach ist das Österreich-Headquarter für den
deutschen börsennotierten Infineon-Konzern. Hierzulande gibt es auch
in Graz, Linz und Klagenfurt Infineon-Standorte, die ebenfalls
ausgebaut werden. In Wien arbeiten nur wenige Vertriebsmitarbeiter.
Bei dem Mega-Bauvorhaben für die neue Kärntner Chipfabrik mit
rund 60.000 m2 entsteht keine einfache Werkshalle, wie Projektleiter
Andreas Wittmann erläutert: Die Chips werden im Reinraum
hergestellt, dafür müssen extra hochreine Umgebungsbedingungen
geschaffen werden. Eigene riesige Lüftungsanlagen, Schleusen für die
Mitarbeiter, die die Fabrik nur in Schutzanzügen betreten dürfen,
und ein massives Betongebäude, das auch bei Erschütterungen in der
Umgebung stabil bleiben muss, gehören zu den Voraussetzungen.
Wer Halbleiter-Bauelemente herstellt, benötigt neben den
Rohstoffen und Materialien insbesondere hochreine
Umgebungsbedingungen. In Villach wird in Reinräumen bis Klasse 1
gearbeitet. Klasse 1 bedeutet, dass in 28 Liter Luft maximal ein
Staubteilchen über 0,5 Mikrometer Durchmesser zulässig ist. Zum
Vergleich: Ein OP-Saal im Krankenhaus enthält 1.000 bis 10.000
Teilchen, die reine Gebirgsluft - etwa im angrenzenden Gebirgszug
der Karawanken - ca. 100.000 Teilchen und normale Umgebungsluft rund
eine Million Teilchen. Die Temperatur im Reinraum muss außerdem
konstant bei 22,2 Grad Celsius gehalten werden - nur dann gelingt
eine Produktion mit hoher Qualität.
Auch wenn die massive Betonkonstruktion, die gerade erbaut wird,
sich auf den ersten Eindruck nicht als Umweltprojekt präsentiert,
ist Infineon-CEO Herlitschka von der Nachhaltigkeit der
Chipproduktion überzeugt: In Villach entstehen Leistungshalbleiter,
die als elektronische Bauteile den Energieverbrauch verringern. Egal
wo sie letztlich eingebaut werden, ob in Industrieanlagen oder
Smartphones, wird der Energieverbrauch dadurch optimiert. Durch die
in Villach erzeugten Halbleiter wurden alleine im Geschäftsjahr 2019
8,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart, rechnet Herlitschka vor: Die
Produktion belastete die Umwelt mit 0,12 Millionen Tonnen
CO2-Äquivalenten, die Einsparung durch die produzierten
Leistungshalbleiter machte jedoch mit 8,5 Millionen Tonnen ein
Vielfaches davon aus. Die unterm Strich eingesparten 8,4 Millionen
Tonnen entsprächen rund dem 4-fachen aller jährlichen Pkw-Emissionen
in Österreich.
Mit dem Ausbau der Chipproduktion in Villach habe der Konzern
auch eine wichtige Standortentscheidung für Österreich getroffen,
erläutert Herlitschka. Eine derartige Produktion könne man nicht so
einfach wieder auslagern. Infineon ist einer von drei europäischen
Halbleiterproduzenten, die international noch mit den Großen
"mitspielen" können. Neben der früheren Siemens-Tochter Infineon
sind dies NXP (ausgelagerte Halbleitersparte von Philips) und
STMicroelectronics, die aus einer französisch-italienischen Fusion
hervorgingen und in den Niederlanden ihren Sitz haben. Mit einem
Jahresumsatz von 9,1 Milliarden Dollar (8,41 Milliarden Euro) von
Infineon und ähnlichen Größen bei den beiden anderen kommen die drei
europäischen Halbleiter-Konzerne zusammen nur auf rund ein Drittel
des Marktführers: Der südkoreanische Samsung-Konzern (Jahresumsatz
74,6 Mrd. Dollar) und der US-Konzern Intel (Jahresumsatz 69,9 Mrd.
Dollar - alle Zahlen für 2018) dominieren größenmäßig klar.
Herlitschka spricht sich für eine europäische Industriepolitik aus:
"Ich halte Offenheit und globalen Handel für wichtig, aber das darf
nicht zum Nachteil für uns in Europa führen", sagt sie. "Deswegen
ist es wichtig, dass Europa auf seine eigenen Interessen schaut."