WIIW: Österreich hat bis zu 3 Mrd Spielraum für Konjunkturankurbelung
EU-Regeln lassen für Österreich Mehrausgaben zu - Für
Konjunkturankurbelung Nationale Schuldenbremse ändern, um
Klimainvestitionen zu ermöglichen
Österreich könnte 2020 bis zu drei Mrd. Euro mehr
für die Ankurbelung der Konjunktur ausgeben, ohne EU-Regeln oder
nationale Bestimmungen zum Budget zu verletzen. Zu diesem Schluss
kommt das Wirtschaftsforschungsinstitut WIIW in einer am Mittwoch
veröffentlichten Analyse. 2021 stünde noch einmal ein Betrag in
ähnlicher Höhe zur Verfügung, ohne dass die EU-Fiskalregeln verletzt
würden.
Die EU-Kommission bewertet die Budgetgebarung der Mitgliedsländer
am "strukturellen Defizit". Es korrigiert das gesamtstaatliche
Maastricht-Defizit von Bund, Ländern und Gebietskörperschaften um
Effekte des Konjunkturzyklus auf Steuereinnahmen und Staatsausgaben.
Für Österreich sagt die EU heuer ein ausgeglichenes strukturelles
Defizit voraus, 2021 sogar einen kleinen Überschuss. Zulässig wäre
aber ein Minus von bis zu 0,5 Prozent des BIP.
Dazu komme, dass die EU-Kommission das strukturelle Defizit seit
vielen Jahren zu pessimistisch einschätze, hält das WIIW fest. Von
2014 bis 2018 fiel das tatsächliche strukturelle Defizit im Schnitt
um 0,7 Prozent des BIP niedriger aus, als es die EU-Kommission
vorhergesagt hatte. "Diese systematischen Prognosefehler sollten
Berücksichtigung finden .... angesichts der Neigung zu
pessimistischen Prognosen (sollte) eine Übererfüllung der
Budgetregeln vermieden werden, um bestehende Spielräume ausnutzen zu
können", meint das WIIW. 2008 bis 2013 sei das tatsächliche
strukturelle Defizit teilweise um mehr als einen Prozentpunkt des
BIP vom Ex-Post-Ergebnis abgewichen.
Daher wären Mehrausgaben zur Konjunkturankurbelung im Wert von
0,5 bis 0,7 Prozent des BIP heuer und nächstes Jahr EU-konform und
würden auch nicht verhindern, dass die Staatsverschuldung weiter in
Richtung 60 Prozent des BIP fällt, so das WIIW. Auch die
Bestimmungen der österreichische Schuldenbremse würden nicht
verletzt. Sie begrenzt die Kreditaufnahme auf Bundesebene auf ein
strukturelles Defizit von jährlich maximal 0,35 Prozent des BIP bzw.
von 0,10 Prozent des BIP auf Landesebene (inklusive Gemeinden).
Das WIIW regt auch eine Änderung der nationalen Schuldenbremse
an, um die Finanzierung von Klimainvestitionen zu erleichtern.
Soweit langfristige Investitionen nicht im aktuell vorhandenen
Spielraum finanzierbar sind, könnte man eine "Goldenen Regel für
öffentliche Investitionen" einführen, wonach öffentliche
Nettoanlageinvestitionen für den Klimaschutz in den relevanten
Defizitmaßnahmen zur Berechnung des ("strukturellen") Budgetsaldos
nicht miteinberechnet werden. Dazu müsste der innerösterreichische
Stabilitätspakt von 2012 geändert werden. Damit würde die Einhaltung
von Pariser Klimaübereinkommen und geplantem "Green Deal" der
Europäischen Kommission ermöglicht. Auch Forschung und Innovation im
Bereich Klimaschutz könnten ausgenommen werden.
Das WIIW hebt zusätzliche AMS-Mittel für Vermittlung und
Qualifizierung, Kurzarbeitsbeihilfe, Sonderabschreibungen für
Investitionen, und öffentliche Investitionen als sinnvolle
fiskalpolitische Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur hervor.
Permanente Steuersenkungen würden hingegen nicht auslaufen, wenn die
Konjunktur wieder anzieht. "Sie sind damit relativ ungeeignet im
Hinblick auf eine dezidiert konjunkturpolitische Gegensteuerung", so
das WIIW. Auch öffentliche Investitionen seien ungeeignet, wenn es
keine bereits geplanten und zeitgerecht umsetzbaren Projekte gibt.