Seele: Abschied von Öl und Gas unrealistisch - "Nicht mit
Ängsten der Menschen spielen"
OMV-Generaldirektor Rainer Seele sieht
sich zur Zeit nach einem Standort in Indonesien um. Er glaubt nicht
an eine Zukunft ohne Öl und Gas und nennt in einem Zeitungsinterview
("Die Presse", Freitagausgabe) die Klimadebatte "hysterisch".
Die OMV investiert gerade viel Geld in den Umbau vom Öl- und
Gas-zum Chemiekonzern. Ende Juli hat sie sich um 2,5 Mrd. Dollar an
einer Raffinerie in Abu Dhabi beteiligt. "Wir sind jetzt mit 15
Prozent an der Raffinerie beteiligt und damit auch an der dortigen
Propylenproduktion. Das ist ein wichtiges Vorprodukt für unsere
Tochter Borealis und erhöht unsere Petrochemiekapazitäten um 10
Prozent. In der Raffinerie Burghausen investieren wir in die
Erzeugung von Isobuten, einem Vorprodukt für Vitamin C. OMV ist
daran interessiert, die Produktpalette zu verbreitern. Und wir sind
daran interessiert, auch das Raffineriegeschäft stark zu
internationalisieren", sagte der OMV-Chef.
"In Abu Dhabi haben wir erstmals Raffineriekapazitäten außerhalb
von Europa. Wir haben uns eine Keimzelle geschaffen. Davon ausgehend
wollen wir unsere Petrochemie in die Verbrauchermärkte verlagern.
Hierzu prüfen wir gerade einen Standort in Indonesien. Auch das
passiert zusammen mit unserem Aktionär Mubadala aus Abu Dhabi."
Die Kombination OMV und Abu Dhabi sei der größte strategische
Wandel, den es bei der OMV gibt. "Russland bleibt populär", erklärt
Seele, "aber mein Hauptaugenmerk lag immer auf Abu Dhabi. Die
Partnerschaft ist eine Erfolgsgeschichte, auch weil wir mit der
Borealis ein gemeinsames Projekt haben. Wir werden als OMV weiter
alles tun, um die Vorteile aus unserer Aktionärsstruktur zu ziehen.
Es wäre dumm, die guten Beziehungen zwischen Österreich und Abu
Dhabi nicht zu nutzen."
Dass der OMV mittelfristig das Geschäft davon läuft, weil in der
Klimadebatte Staaten Pläne für den Ausstieg aus Öl und Gas
schmieden, glaubt Seele nicht. "Erdöl und Erdgas werden derzeit
wesentlich stärker nachgefragt. Langfristig stellt sich die OMV
darauf ein, dass die Nachfrage zurückgehen wird. Wir haben ja auch
endliche Ressourcen. Aber sie wird nicht auf null zurückgehen. Darum
bringt es uns nicht weiter, wenn wir sagen: Ab morgen brauchen wir
kein Öl und Gas. Das ist schlichtweg unrealistisch."
Die Forderung von FPÖ, Grünen und NEOS nach einem Abschied der
teilstaatlichen OMV aus dem fossilen Geschäft bis 2040 führt Seele
hauptsächlich auf den Wahlkampf zurück. "Bei der OMV wollen wir
unsere Emissionen bis 2025 um ein Fünftel verringern", erinnerte er
- "und auch dann nicht damit aufhören. Das ist Teil unserer
Strategie. Aber eine Zukunft ohne Öl und Gas ist es sicher nicht.
Das Klima-Thema sei zu Recht "angekommen". Aber er erlebe auch
eine "stark hysterische Klimadebatte", sagt Seele in der "Presse".
"Man sollte vorsichtig sein, mit den Ängsten der Menschen zu
spielen." Nicht jeder sei als Wissenschaftler ausgebildet worden und
könne das kritisch hinterfragen. Seele ist selber Chemiker. Darum
habe er auch eine sehr kritische Meinung dazu. Was aus den Fugen
gerate, sei das Gleichgewicht der CO2-Konzentration in der
Atmosphäre. "Wir emittieren zu viel und absorbieren zu wenig. Dass
sich die Erderwärmung vollzogen hat, ist Faktum." Das müsse man zur
Kenntnis nehmen und technische Lösungen dagegen entwickeln. Seele:
"Wir erleben keine Klimakrise, sondern einen Klimawandel. Und wir
können als Menschen das Klima managen. Es geht darum, ein neues
Gleichgewicht zu finden. Dafür dürfen wir uns aber nicht nur den
CO2-Ausstoß ansehen, sondern auch die Absorption. Hier betreibt der
Mensch Raubbau, indem er etwa die Regenwälder abholzt. Wir sollten
vielmehr Bäume nachpflanzen, um dieses Problem zu lösen."