Grasser-Prozess - Ex-Minister auf Haider-Spur - Starzer: Schwachsinn
Grasser mit schweren Vorwürfen gegen Belastungszeugen
Ramprecht - "Glücklicher Zufall" dass Immofinanz/RLB 961 Mio.
Euro und CA Immo nur 960 Mio. Euro für Buwog bot - BILD
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat den
heutigen 106. Verhandlungstag im Wiener Straflandesgericht dazu
genutzt, um wortreich seine Sicht der bisherigen Zeugenaussagen zu
präsentieren. Einmal mehr legte er dabei eine Spur zu dem
verstorbenen Kärntner Ex-Landeshauptmann Jörg Haider - was der
ebenfalls angeklagte Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer als "absoluten
Schwachsinn" bezeichnete.
Grasser führte über drei Stunden aus, wer aller "möglicherweise"
davon wusste, wie viel das letztlich siegreiche Konsortium aus
Immofinanz und RLB OÖ für den Erwerb der Bundeswohnungen (u.a.
Buwog) bieten musste - sein Tipp sei es jedenfalls nicht gewesen. So
könnte der Tipp von Haider gekommen sein, eine Rolle dabei könnte
auch der ebenfalls verstorbene ehemalige RLB-OÖ-Chef Ludwig
Scharinger gespielt haben.
Grasser sagte, er halte eine "politische Vereinbarung" zwischen
Haider und Scharinger für möglich. Denn auffallend sei, dass das
Österreich-Konsortium im ersten Angebot sogar noch etwas
draufgezahlt hätte, wenn es die Kärntner Eisenbahnwohnungen ESG
nicht kaufen müsse. Im zweiten Angebot habe das Konsortium dann die
ESG hoch bepreist. Haider habe offensichtlich einen Einfluss auf die
Vergabe der Bundeswohnungen ausgeübt, so Grasser.
Es könnte aber auch anders gewesen sein, denn wie hoch die
Finanzierungsgarantie des unterlegenen Mitbewerbers CA Immo gewesen
sei, das hätte ein erheblicher Teil der Immobranche in Wien gewusst,
so Grasser. Selbst das Reinigungspersonal habe wahrscheinlich Zugang
zu sensiblen Räumen im Finanzministerium gehabt, erklärte der
Ex-Minister gegenüber Richterin Marion Hohenecker.
Grasser führte dann allerdings aus, dass die ominösen 960 Mio.
Euro, das Finanzierungslimit der mitbietenden CA Immo in der ersten
Bieterrunde für die Bundeswohnungen, ja eigentlich irrelevant
gewesen sei, weil die CA Immo in der zweiten Runde dann ein höheres
Finanzierungslimit hatte. Er als "Wissender" im
Privatisierungsverfahren habe ja gewusst, dass die Zahl 960 nicht
wichtig gewesen wäre. Dass die CA Immo dann trotzdem 960 Mio. Euro
geboten hat, bezeichnete Grasser als "Fehler". Letztendlich sei es
ein "glücklicher Zufall" gewesen, dass das Österreich-Konsortium aus
Immofinanz/RLB OÖ und anderen mit dem Angebot von 961 Mio. Euro die
Vergabe gewann.
Einen breiten Raum nahmen die Ausführungen Grassers zum
Belastungszeugen Michael Ramprecht ein, der einst enger Mitarbeiter
im Kabinett Grasser war. Der Ex-Minister zeichnete das Bild eines
Mannes mit einer "tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung", dessen
"notorische Aussageunehrlichkeit" für ihn, Grasser, zu einem
"Martyrium" geführt habe. Die Nichtverlängerung seines Vertrages bei
der Bundesbeschaffungsagentur durch ihn habe zu einer "Hasssucht"
geführt. Ramprechts Motiv zur "Falschaussage" gegen ihn sei Rache,
meinte der Angeklagte. Der weitere Belastungszeuge Willibald Berner,
einst Mitarbeiter im Verkehrsministerium, habe Ramprecht aus
Freundschaft und aus SPÖ-Ideologie unterstützt, so Grasser durchaus
emotional.
Als Grasser seine dreistündige Ausführung mit heftiger Kritik an
der Staatsanwaltschaft beendet hatte, ergriff Richterin Hohenecker
noch einmal das Wort und stellte Fragen an die Angeklagten zu
Grassers Aussagen zu Haider und Scharinger. Ex-Immofinanz-Chef Karl
Petrikovics dementierte Grassers Angaben zur ESG. Ex-RLB-OÖ-Vorstand
Georg Starzer bezeichnete Grassers diesbezügliche Angaben als
"kompletten Schwachsinn". Er habe mit Scharinger 30 Jahre
zusammengearbeitet, er könne so etwas ausschließen, sagte Starzer.
Der nächste Verhandlungstag ist der 24. September, dann eröffnet
Richterin Hohenecker ein neues Kapitel - sie begibt sich auf die
Spur des Geldes. Dabei geht es vor allem um jene 9,6 Mio. Euro, die
von der Immofinanz als Provision an Meischberger und den Lobbyisten
Peter Hochegger gezahlt wurden. Laut Anklage zahlte auch die RLB OÖ
einen Teil der Provision, was diese aber bestreitet.
Gemäß Anklage sind die 9,6 Mio. Euro nicht nur an die beiden
Genannten gegangen, sondern auch an den mitangeklagten
Immobilienmakler Ernst Karl Plech - und an Grasser. Letzterer soll
demnach die Information über die notwendige Bietersumme von "über
960 Mio. Euro" an Meischberger weiter gegeben haben, der sie über
Hochegger an Petrikovics übermittelte - was Grasser und Meischberger
dementieren.
Bis auf Hochegger bestreiten alle Angeklagten die Vorwürfe, der
Ex-Lobbyist hat ein Teilgeständnis abgelegt. Er bestätigte die
Anklage, wonach bei der Privatisierung der Bundeswohnungen
Schmiergeld geflossen ist. Seitdem herrscht zwischen den ehemaligen
Freunden Eiszeit im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener
Straflandesgerichts.