RBI-Chefökonom: Konjunkturabschwung hat nichts mit Geldpolitik zu tun
Brezinschek: Politik verlässt sich immer auf EZB, "weil sie
die einzige handlungsfähige Institution in Europa ist" - EZB
soll Deflationsgefahr nicht überbetonen
RBI-Chefökonom Peter Brezinschek glaubt
nicht, dass es neue geldpolitische Impulse braucht, um die
Konjunktur anzukurbeln. "Die Finanzierungskonditionen sind extrem
gut, sie sind nicht die Ursache des Abschwungs, wie wir alle wissen.
Die Ursache des Abschwungs findet auf der politische Ebene statt",
sagte Brezinschek am Mittwoch vor Journalisten in Wien.
Die tatsächlichen Ursachen des Abschwungs seien vielmehr der
Brexit und der zunehmende internationale Handelskonflikt. Es stelle
sich also die Frage der Sinnhaftigkeit weiterer EZB-Maßnahmen zur
Ankurbelung der Wirtschaft, so Brezinschek. "Die EZB hat einen
Übertragungsmechanismus, der jetzt funktioniert, der expansiv ist.
Sie wird deswegen die Konjunktursituation nicht aufhellen, die
Umfragen werden nicht besser werden, weil die Ursache der jetzigen
Wachstumsschwäche nichts mit der Geldpolitik und den finanziellen
Konditionen zu tun hat. Die Politik verlässt sich aber immer auf die
EZB, weil sie die einzige handlungsfähige Institution in Europa
ist", so Brenzinschek.
Seit Juni 2019 habe weltweit eine Reihe von Notenbanken
Leitzinssenkungen initiiert, darunter Südkorea, Australien,
Neuseeland, die Türkei, Russland, und Südafrika. Im Juli habe es
auch die erste Zinssenkung der US-Notenbank Fed seit zehn Jahren
gegeben. "Der große Unterschied der EZB zur Federal Reserve und den
anderen Notenbanken ist aber, dass sie schon seit 2014 negative
Leitzinsen hat und dass sie die letzte Krise zwar hervorragend
gemeistert hat, dass sie aber beim letzten Aufschwung versäumt hat,
eine Zinsnormalisierung herbeizuführen und Reserven anzusetzen für
eine neuerliche Lockerung."
Dass die EZB damit argumentiere, Markterwartungen nicht
enttäuschen zu wollen, die sie zuvor aber selbst geweckt habe, "das
ist natürlich ein sehr süffisantes Spiel, das hier betrieben wird",
kritisierte Brezinschek. Auch sollte die EZB abgehen von ihrer zu
negativen Darstellung der Deflationsgefahr. Seit Einführung der
Eurozone 1999 habe es noch nie eine Deflation gegeben, nur dreimal
ganz kurze negative Preisentwicklungen. "Deflation ist ein
permanenter Prozess fallender Preise und Löhne", erklärte der
Ökonom. Einmalige Preisrückgänge seien immer vor allem auf die
Ölpreisentwicklung zurückzuführen gewesen.
Tatsächlich habe man in der Eurozone schon drei Quartale
hintereinander mit 2,5 Prozent Lohnentwicklung die stärksten
Lohnsteigerungen in den letzten zehn Jahren. In Deutschland seien es
knapp 3,4 Prozent, in Österreich 3,5 Prozent. "Wir haben keine
Deflation angezeigt durch sinkende Löhne, wie das zum Beispiel in
Japan der Fall ist aufgrund flexibler Löhne." In Japan gebe es keine
Kollektivverträge, dort seien die Lohnabschlüsse 2018 wegen einer
schwachen Inflationsrate zum Teil sogar negativ gewesen.