RBI -Ökonom: Fairer Wert des Euro liegt bei 1,30 US-Dollar
Spitzenwerte von über 1,40 US-Dollar möglich - EZB muss
Aufwertung akzeptieren - Rechtzeitig in Lockerung der
Geldpolitik einsteigen - Nationalratswahl ohne Auswirkungen
auf Finanzmärkte
Trotz der rasanten Aufwertung des Euro gegenüber dem
US-Dollar in den vergangenen Monaten sieht Raiffeisen-Ökonom Gunter
Deuber die europäische Gemeinschaftswährung noch immer eher
unterbewertet. Der angemessene Wert des Euro liege bei rund 1,30
US-Dollar, sagte Deuber am Donnerstag bei einem Pressegespräch in
Wien. Seit Jahresbeginn befestigte der Euro von etwa 1,04 auf
aktuell 1,18 US-Dollar.
Einen wesentlichen Grund für den Aufwertungsdruck sieht der
Raiffeisen-Research-Abteilungsleiter Volkswirtschaft, Zinsen und
Währungen in den Leistungsbilanzüberschüssen der Eurozone, die es
nicht nur in Deutschland gebe, gegenüber dem Defizit der USA. Sollte
die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik normalisieren,
könnte der Euro sogar - wie bereits in der Vergangenheit - wieder
auf über 1,40 US-Dollar hinaufschießen. Werte von 1,40 bis 1,50
Dollar seien zuletzt in den Jahren 2007 und 2008 erreicht worden.
"Damals hat sich niemand dagegen gewehrt", meinte Deuber. "Die EZB
muss eine Aufwertung akzeptieren."
"2018 wird ein spannendes Jahr", so Deuber weiter. Im kommenden
Jahre werde sich die EZB nämlich zwischen weiterer Stimulierung der
Konjunktur oder einer vorausschauenden Geldpolitik entscheiden. Auf
Basis des derzeit sehr guten wirtschaftlichen Umfeldes in der
Eurozone, global und auch in Osteuropa rechnet Deuber mit einem
Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik, die etwa von
Staatsanleihenkäufen geprägt ist. Dies trotz des derzeit noch
geringen Inflationsdruckes in der Eurozone. Der Zeitpunkt sei auch
insofern günstig, als man sich bereits in der Spätphase des
Konjunkturzyklus befinde. Damit könnten auch Reserven für
schlechtere Zeiten aufgebaut werden. Konkrete Pläne dazu dürfte die
EZB bereits bei ihrer nächsten Sitzung am 26. Oktober bekannt geben.
Die Wirtschaft der Eurozone sollte laut erhöhter RBI-Prognose in
diesem und dem kommenden Jahr um 2,2 Prozent wachsen, 2019 dann um
1,7 Prozent. Die Inflation wird bei 1,5 Prozent, 1,3 Prozent und 1,7
Prozent erwartet.
Die EZB werde aber noch lange Akteur am Finanzmarkt bleiben,
erwartet Deuber. Sie werde sich zudem hüten, die gleichen Fehler wie
in der Vergangenheit zu machen. Beispielsweise habe sie nach dem
Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008 die Zinsen zu schnell und zu
früh angehoben. Auch 2011 sei ihr das gleiche passiert.
Für ihren "Einstieg zum Ausstieg" aus der lockeren Geldpolitik
habe die EZB viele Möglichkeiten. Am wahrscheinlichsten seien drei
Optionen, die von Jänner bis September 2018 umgesetzt werden
sollten: Einerseits eine monatliche Reduktion der derzeitigen
Anleihekäufe in Höhe von 60 Mrd. Euro um 6 Mrd. Euro, eine Reduktion
auf monatlich 30 Mrd. Euro oder eine quartalsweise Reduktion auf 40,
30 und 20 Mrd. Euro. Im vierten Quartal 2018 sollte dann Schluss mit
den Neukäufen von Anleihen sein. Das Kaufvolumen würde so in diesem
Zeitraum auf 270 Mrd. Euro sinken.
In Österreich würden sich im Moment keine Strukturreformen
abzeichnen. Hier feiere man im Wahlkampf den aktuellen Aufschwung
ab, ohne wirkliche Weichenstellungen zu setzen. "Die Strukturthemen
werden nicht angegangen", so Deuber. Auch die EZB-Themen sehe man in
Österreich eher unkritisch. Der Ausgang der Wahl werde sowohl im In-
als auch im Ausland eher keine Auswirkungen auf die Finanzmarkt
haben.
Kritik übte Deuber am Inflationsziel der EZB, das sie derzeit mit
nicht über, aber knapp bei 2 Prozent definiert. Sie sollte wieder
zur alten Definition von Null bis 2 Prozent für Preisstabilität
zurückkehren. Zudem sei die EZB am Konsumentenpreisindex orientiert,
mit dem aber nicht alles gemessen werde. Die Entwicklung der
Vermögenspreise etwa sei nicht enthalten. Hier könnten Blasen
versteckt sein. Die Preisentwicklung müsse breiter gemessen werden,
fordert Deuber.
Konkret rechnet Deuber bis September 2018 mit keiner
Leitzinserhöhung der EZB. Die Zinslandschaft sollte nachhaltig auf
Jahre nach unten verzerrt bleiben. Leicht ansteigen sollten auf
Jahressicht und teilweise schon etwas früher etwa der
3-Monats-Euribor von aktuell -0,33 auf -0,25 Prozent. Der
12-Monats-Euribor sollte gerade die Null-Prozent-Marke erreichen
(derzeit -0,17 Prozent). Und die Rendite von zehnjährigen deutschen
Staatsanleihen sollte von 0,41 auf 0,80 Prozent zulegen.
(Schluss) ggr/ivn
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