Das letzte Aufgebot
Hirsch Servo
Drei verschlissene Aufsichtsräte in nur zwei Jahren:
Kurt Hirsch, Firmengründer und Hauptaktionär der Hirsch Servo AG, wird zunehmend zum Problem für sein
eigenes Unternehmen.
Von Rudolf Loidl
Es war ein Lapsus, peinlich, aber
irgendwie bezeichnend: „Dr. Axel Hirschberg“, so formulierte die Pressestelle des Kärntner
Verpackungsherstellers Hirsch Servo, „studierte nach Abschluss seiner Bankenlehre Betriebswirtschaft und
ist seit den 80er Jahren in führenden Positionen, derzeit beim Investmenthaus Ermgassen & Co. tätig. Er
kandidiert als neuer Aufsichtsrat der Hirsch Servo AG.“ Was die Adressaten der Nachricht damals nicht
wissen mussten: Der Anfang des ersten Satzes war ein wenig zu dick aufgetragen. Zwar weist die Homepage
des Arbeitgebers von Axel Hirschberg, Ermgassen & Co., den Manager weder als Partner noch als Senior
Executive auf. Doch wirklich unangenehm ist den Mitarbeitern in Glanegg etwas ganz anderes: Erst bei der
detaillierten Recherche für den Lebenslauf des neuen Oberaufsehers entdeckte man, dass Axel Hirschberg,
der sich in persönlichen Gesprächen der Anrede Herr Doktor nicht widersetzte, keineswegs promovierter
Finanzer ist.
Erratische Führung. In einer vorgezogenen Hauptversammlung werden am 9. November die
neuen Aufsichtsräte des Kärntner Formteile- und Maschinenherstellers Hirsch Servo gewählt. „Die Personen,
die da zur Wahl stehen, wirken wie das letzte Aufgebot“, urteilt Wilhelm Rasinger, Geschäftsführer des
Interessenverbandes der Kleinanleger. Die dritte Neubesetzung des Kontrollorgans in nur zwei Jahren
markiert, so schätzen Beobachter, einen Wendepunkt in der Firmengeschichte des Kärntner
Traditionsbetriebes: Die erratische Unternehmensführung von Kurt Hirsch, dem umtriebigen Firmengründer,
wandelt sich zunehmend zum Prob-lem. Die Wankelmütigkeit des visionären Hauptaktionärs wird immer mehr
zur Eintrittsbarriere für hoch qualifiziertes Personal – nicht nur im Aufsichtsrat. Noch ist die Bilanz
stabil, noch stagnieren Umsätze und Ergebnis. „Ich mache mir allerdings ernsthaft Sorgen um die Zukunft“,
sagt Anlegervertreter Wilhelm Rasinger. Die Chronik eines vorhersehbaren Niederganges.
„Tiefes
Zerwürfnis.“ Er war ein Jahrhundertsommer, der Sommer 2004. Und einer, der für Evelin Puck und Peter
Steiner besonders heiß wurde. Für die Öffentlichkeit völlig überraschend wurden die beiden
Langzeitvorstände am 9. Juli 2004 suspendiert. Einmal war von strategischen Differenzen die Rede – die
beiden Führungskräfte wollten die ihrer Ansicht nach waghalsige neu Oststrategie des Unternehmens nicht
mittragen. Dann wieder von totaler Reorganisation, in deren Weg sie gestanden haben sollen. „Es war wohl
auch ein tiefes persönliches Zerwürfnis zwischen den beiden Vorständen und Hirsch“, meint ein
Firmenkenner, der nicht genannt werden will.
Zermürbt von der Unstetigkeit des
Firmengründers, der sich in seiner Funktion als Aufsichtsratschef viel zu oft und allzu tief in das
operative Geschäft eingemischt hat, haben die beiden von ihrem Abgang erfahren. Puck und Steiner – sie
sind bislang vom Aufsichtsrat noch nicht entlastet, wie man bei Hirsch Servo feststellt – wurde der
Abgang jedenfalls versüßt. Verwundert musste die Börsenöffentlichkeit zur Kenntnis nehmen, dass alleine
die Abfindungszahlungen, die Hirsch für die beiden Vorstände lockermachte, den Konzernertrag um fast 26
Prozent sinken ließ.
Falsche Medizin, alte Krankheit. Auch den Aufsichtsräten der Hirsch
Servo AG dürfte im Sommer 2004 ganz schön heiß geworden sein. Zähneknirschend mussten der Kärntner
Investor Wolfgang Auer von Welsbach, der Österreich-Chef des Schweizer Halbleiterherstellers SEZ, Franz
Sumnitsch, und der Direktor der Klagenfurter Stadtwerke, Wilhelm Lauer, zur Kenntnis nehmen, dass sich
Kurt Hirsch – „interimistisch und um die Lage zu stabilisieren“ – Anfang Juli von seinem Posten als
Aufsichtsratschef karenzieren ließ und zum Vorstandssprecher machte. Doch Hirsch als Vorstand war die
falsche Medizin für die alte Krankheit. Ging der visionäre Firmengründer als aktiver Aufsichtsratschef
gerade noch durch, wurde – so sagen ehemalige Mitarbeiter unisono – seine Wankelmütigkeit im operativen
Geschäft zur echten Gefahr. Die Reibereien mit dem verbliebenen Technik-Vorstand, dem Firmenurgestein
Peter Grabuschnig, nahmen dramatisch zu. Und Hirsch selbst machte keinerlei Anstalten, für die Nachfolge
im Vorstand vorzusorgen. Vielmehr wollte er den Turnaround selbst organisieren. Anfang August eröffnete
er den Aufsichtsräten, jedenfalls bis Jahresende im Vorstand verbleiben zu wollen. Mitte August nahmen
Welsbach, Sumnitsch und Lauer den Hut.
Wankelmut. Den neuen Aufsichtsrat wollte Hirsch selbst
zusammenstellen. Er tourte durchs Land, ließ seine Kontakte spielen. „Es war eigentlich die letzte Chance
für Kurt Hirsch, noch einmal einen auch außerhalb von Kärnten herzeigbaren Aufsichtsrat zu finden“, sagt
Wilhelm Rasinger, der als Kleinanlegervertreter im Vorfeld mit einigen der potenziellen Kandidaten im
Gespräch war. Letztendlich sagten der Wiener M&A-Anwalt Christian Grave, der Kärntner Manager Heinz Paar
und der Unternehmensberater Werner Kraus zu. Sie sollten voerst auf ein Jahr befristet als Experten,
Coaches und Kontrollore im Aufsichtsrat der Hirsch Servo zur Verfügung zu stehen.
„Den
handelnden Personen waren die Schwierigkeiten im Unternehmen bekannt“, sagt ein Unternehmensinsider,
„doch sie dachten, das Problem in einem an sich gut aufgestellten Unternehmen in den Griff bekommen zu
können.“ Die Vereinbarungen waren klar: Hirsch wurde vom neuen Aufsichtsrat eine Frist bis 31. Dezember
eingeräumt, für Nachfolge und klare Führungsstrukturen im Vorstand und Ruhe in der Belegschaft zu sorgen.
Danach sollte sich der Firmengründer in den Aufsichtsrat zurückziehen.
Lichtblick in Sicht.
Doch die Wochen zogen ins Land – und die Krisen verschäften sich. Technik-Vorstand Peter Grabuschnig,
seit 1975 im Unternehmen und maßgeblich an der erfolgreichen Umsetzung der Oststrategie beteiligt, ist am
Verzweifeln. Der Techniker, durchaus loyal zu Hirsch, leidet unter dem Verhalten des Firmengründers.
Dieser hält Termine nicht ein und verschwindet oft für Tage gänzlich von der Bildfläche. Das Jahr 2004
neigt sich dem Ende zu, und zumindest ein Lichtblick scheint in Sicht. Mit Carsten Brinkmeier ist endlich
jemand gefunden, der sich unter den gegebenen personellen Umständen im Unternehmen um die Finanzen
kümmern will. Aber der Spätherbst hat auch eine Überraschung für die Aufsichtsräte parat: Der
Firmengründer will weiter operativ mitarbeiten. Zeitgleich mit der Bestellung Brinkmeiers als
Finanzvorstand per 1. Jänner lässt sich Hirsch – befristet bis Ende 2005 – nochmals zum Vorstandssprecher
bestellen. Bis dahin soll das Unternehmen endgültig in ruhiges Fahrwasser gebracht werden, so sein
Versprechen.
Verlaufende Fronten. Doch von ruhigem Fahrwasser kann keine Rede sein, die Lage
im Unternehmen spitzt sich in den nächsten Wochen weiter zu. Dabei verlaufen die Frontlinien zwischen
Grabuschnig und dem Aufsichtsrat auf der einen Seite und Hirsch sowie dessen treu ergebenen Finanzer
Carsten Brinkmeier auf der anderen. Dann der Knalleffekt: Grabuschnig will endgültig gehen – auch wenn
der erfahrene Maschinenbauingenieur damit das Unternehmen verlässt, das er, so ein ehemaliger
Mitarbeiter, durchaus als sein Lebenswerk sieht. Und trotz seiner 51 Lebensjahre und der Aussicht, eine
ähnliche Position in einem anderen Unternehmen nur noch schwer zu erreichen. Die Aufsichtsräte, die
vermitteln sollen, sehen sich bereits um einen neuen Techniker um.
Gestörtes Verhältnis. Doch
Kurt Hirsch dreht noch einmal auf. In vielen persönlichen Gesprächen kann er den Abgang des wertvollen
Mitarbeiters abwenden. Das Vertrauen in den Aufsichtsrat, dem er nun seinerseits vorhält, sich nicht
allzu aktiv daran beteiligt zu haben, Grabuschnig zu halten, ist für ihn gestört. Er hält das Gremium für
nicht mehr loyal – und offenbart damit die Grundproblematik der Eigentümerstruktur von Hirsch Servo: Das
Kontrollorgan hat nicht loyal gegenüber Kurt Hirsch zu sein (der persönlich keine Anteile hält, sondern
diese über eine Stiftung besitzt), sondern im Sinne aller Eigentümer zu handeln. Die Position von Kurt
Hirsch ist zu stark, um übergangen zu werden, aber sie ist auch zu schwach, um das Unternehmen wie eine
Personengesellschaft führen zu können. Doch das hätte Hirsch gerne. Im April offenbart er dem
Aufsichtsrat seine Pläne. Er will eine Verlängerung seines Vorstandsmandates für weitere drei Jahre. Zum
ersten Mal fällt nun auch der Name Axel Hirschberg. Er soll den Aufsichtsrat verstärken und als
Hirsch-loyales Mitglied Kontakt halten.
Rücktritt. Die Aufsichtsräte plagen arge Sorgen.
Hirsch wird, so berichten Insider, immer unberechenbarer. Der Mann, den fast alle als persönlich höchst
sympathisch, weitblickend und von vorzüglichen Umgangsformen beschreiben, hat eine zweite Seite, die ihn
für professionelle Zusammenarbeit im Tagesgeschäft sehr schwierig macht. Im August 2005 kommt es zum
Showdown. Der Aufsichtsrat verlangt Garantien für den Rückzug Hirschs aus dem operativen Geschäft – und
droht mit Nichtverlängerung des bislang auf ein Jahr befristeten Mandats. Hirsch weigert sich seinerseits
und droht damit, das Mandat der Kontrollore nicht zu verlängern und bei der nächsten Hauptversammlung
neue Aufsichtsräte bestellen zu lassen. Am 12. August akzeptiert er den Rücktritt von Grave, Paar und
Kraus per 15. September.
Letzte Konstante. Am 9. Oktober sollen die neuen Aufsichtsräte der
Hirsch Servo bestellt werden. Die Kandidaten, die Wilhelm Rasinger als „letztes Aufgebot“ bezeichnet:
Neben Axel Hirschberg etwa Georg Wall, der Aufsichtsratsvorsitzender werden soll. Wall ist seit Jahren
nicht mehr beruflich tätig. Zuletzt machte er im Jahr 2001 Schlagzeilen durch Rechtsstreitigkeiten mit
der Mayr-Melnhof Karton AG. Die Vorwürfe: Durch geschickten Aktientausch soll ein Vorkaufsrecht von
Mayr-Melnhof an der Alfred Wall AG umgangen worden sein**.
Als Einziger im Aufsichtsrat
verblieben ist Georg Gorton – und er ist nicht nur die einzige Konstante in diesem Gremium, sondern wohl
auch einer der wenigen Festwerte im beruflichen Leben von Kurt Hirsch. Gorton, habe, so heißt es, im
August lange überlegt, ebenfalls zurückzutreten. Die enge persönliche Freundschaft zu Hirsch habe ihn
bewogen, im Gremium zu verbleiben. Einer, so heißt es, müsse schließlich da sein, sollte Hirsch
irgendwann zum letzten Mal aus jenem Rausch erwachen, der ihn die letzten Jahre umgeben hat.
*Die Brüder Wall sollen dabei ihren Mehrheitsanteil vereinbarungswidrig an den US-Konzern Westvaco
verkauft haben. Die Rechtsstreitigkeiten wurden 2002 eingestellt, Mayr-Melnhof gab die Beteiligungen an
der Wall AG sowie einem gemeinsamen polnischen Joint Venture ab.
** Georg Gorton, Werner
Kraus, Christian Grave, Heinz Paar
Chronik der Demission
9. Juli 2004: Langzeitvorstände Evelin Puck und Peter Steiner werden suspendiert.
14. Juli 2004:
Aufsichtsratschef und 64-%-Eigner Kurt Hirsch übernimmt „interimistisch“ die Vorstandssprecherfunktion.
20. August 2004: Der Aufsichtsrat tritt fast geschlossen zurück.
1. September 2004:
Enttäuschende Jahresbilanz, in den Medien wird dies auf die Oststrategie zurückgeführt.
20.
September 2004: Kurt Hirsch wird bis Jahresende in den Vorstand berufen.
30. September 2004: Ein
neuer Aufsichtsrat wird bestellt.
23. Dezember 2004: Vorstandsmandat von Kurt Hirsch wird
verlängert, mit Carsten Brinkmeier wird ein Finanzvorstand gefunden.
Jänner 2005: Technik-Vorstand
Peter Grabuschnig will kündigen, Hirsch hält ihn.
1. Februar 2005: Enttäuschendes
Halbjahresergebnis
April 2005: Hirsch offenbart Aufsichtsrat, er wolle weitere drei Jahre im
Vorstand bleiben.
Mai 2005: Das Verhältnis Hirsch-Aufsichtsrat verschlechtert sich, Hirsch will
weiteren AR installieren.
30. August 2005: Rücktritt der Aufsichtsräte Christian Grave, Heinz Paar
und Werner Kraus, Hirsch präsentiert neue AR-Kandidaten.
1. September 2005: Durchwachsenes
Ganzjahresergebnis
Autor: Rudolf Loidl / Mail
http://www.industriemagazin.at/wirtschaft/detailwirtschaft.asp?artikelid=26726&anz=detail
artikel
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hört sich in der Tat bedenklich an
schade um das
Unternehmen