Wenn ich an meinen letzten (= wirklich letzten) Besuch im WGKK-Ambulatorium denke, wo der Zahnarzt seine
Augen und volle Konzentration nur bei der Schwester hatte, den Bohrer aber in meinem Mund, wäre es auch
sehr vermessen zu behaupten, Österreich wäre bei medizinischer Versorgung Weltklassenspitze.
Dann mein Flehen, irgendwas gegen meine anschwellende Backe zu tun, darauf ein gütiges "Wird schon
wieder! Wenn sie übers Wochenende noch weiter anschwillt, kommens halt am Montag wieder!"
Samstag vormittag hab ich schon ausgeschaut wie der Elephant Man, auf dem Weg zu einem der beiden
einzigen Zahnärzte, die am Samstag in Wien (= Hauptstadt eines 8-Millionen-Einwohner-Staates, die
Situation am Land will ich mir da ja gar nicht erst vorstellen, da gibt´s wahrscheinlich bundesweit keine
20 Zahnärzte, die Bereitschaft haben) offen haben, haben sich die Passanten in großer Furcht abgewandt.
Könnt ja was Ansteckendes sein.
Beim Zahnarzt, bei dem man nicht Stammpatient ist, muß man
erst seine Bewerbung ausfüllen. In erster Linie geht es darum, wie man zu Schönheitsoperationen steht,
und was man für schönere Zähne auszugeben denkt.
Beruhigend, daß man dann noch "mindestens 1
Stunde" Ausgang kriegt, also kann es schon sowas Ernstes nicht sein. Da sind ja Patienten vor mir, die
noch schnell ihre Zähne anschauen lassen wollen, weil sie fahren 1 Woche nach Griechenland, und da wär´s
fatal, wenn man im wilden Südland plötzlich Zahnweh kriegt, weil man nicht rechtzeitig drauf geschaut
hat, daß die Plombe gut verschweißt ist, bevor man abfliegt.
Wartezimmer gibt´s ja keines, der
Zahnarzt lebt von der Laufkundschaft, "Unten ist ein Restaurant, da können Sie warten!" Schön, und was
soll man konsumieren? Was macht mehr Spaß bei einem geschwollenen Oberkiefer, ein deftiges Schnitzel mit
Erdäpfelsalat, oder ein Bier? Aber kann man es dem Personal antun, in so einem Zustand das Wirtshaus zu
betreten? Da vertreibt man ja die Kundschaft?
Also gönnt man sich einen Spaziergang in ein
menschenleeres Seitengasserl, um niemanden unnötig zu schocken, und wartet eine Stunde.
"Ja,
jetzt würden Sie drankommen, aber Sie haben noch keinen Krankenschein abgegeben!" Den hatte ja schon das
Zahnambulatorium. "Dann müssen Sie 1.000 Schilling Einsatz hinterlegen, sonst können wir Sie nicht
drannehmen!"
Na, wenigstens gehöre ich zu den begüterten 90% der Bevölkerung, die eine
Bankomatkarte verfügen, und zu den begüterten 60%, die was am Konto haben, also rasch rübergesprintet zum
nächsten Bankomaten 8 Gassen weiter, und eine halbe Stunde später sitz ich schon wieder hier.
Ja, jetzt komme ich auch rasch dran, glücklicherweise hams meinen Platz im Terminplan freigehalten, ich
brauch nicht ganz hinten neu warten. Keine 5 Minuten, und ich bin drin, sitze am erlösenden Stuhl und
warte auf die Beseitigung meines Problems.
Dann das beruhigende "Na des schaut aus! Sie, es is
besser, wenn ich nix mach, des is zu gefährlich. Sie sollten zu einem Spezialisten gehen!"
Zahnambulanz im AKH, 20 Leute vor mir, obwohl grad die Ambulanzgebühr eingeführt worden war, für die
Nicht-Notfälle, die die Spitalsambulanzen belästigen. Kalkuliere: Wieder 1 Stunde warten!
Überraschung: Doktorin flitzt vorbei, nimmt Patienten Nr. 21 vor, meint offensichtlich, daß er ein
Notfall ist, obwohl er diesbezüglich gar keine Erwartungen mehr hatte, sprechen oder sich sonstwie äußern
(außer einigen Schmerztränen) konnte er sich sowieso nicht mehr, der Eingriff dauert keine 60 Sekunden,
Eiter ist heraußen, Wange ist flach, Patient fühlt sich wie neugeboren, er lebt noch und ist gesund.
Fazits:
Der Patient ist eine Ware,
in den Augen vieler (vielleicht der meisten)
Ärzte,
und wenn einer abkratzt, kommt eben ein neuer,
es ist nicht wirklich ein Schaden
entstanden.
Es gibt auch hierzulande gute Ärzte/innen. In Wien und in den kleinsten
Ortschaften. Aber man muß das Glück haben, gerade so einen zu finden. Da ist ein Lottosechser vielleicht
einfacher.
Wer vor Monaten Help-TV gesehen hat, wo sich Menschen, denen wegen unzureichender
Behandlung sogar ein Bein abgenommen werden mußte, obwohl sie es brauchen (Bäuerin), nicht trauen,
irgendwas schlechtes über ihren Arzt zu sagen, dann sieht man, daß es sie hier noch gibt, die "Götter in
Weiß".
Und in der Krankenschein-Steinzeit war man einem Arzt sowieso ein Quartal lang
ausgeliefert. Es war ja nicht so leicht, Krankenscheine zu bekommen, die gab es ja nur vom Arbeitgeber,
und wer kommt am Wochende noch zum Arbeitgeber (bzw. zum Personalbüro) bzw. kriegt er sicher unter der
Woche nach 14 Uhr auch keinen Krankenschein mehr.
So gesehen hoffe ich, daß das
e-card-Zeitalter ein besseres sein wird, obwohl ich sie bis dato noch nicht benutzt habe. Und die
Ambulanzgebühr schwebt ja glücklicherweise auch schon im Steuerhimmel.