Wirtschaftsblatt 17.10.2008

Der vor einigen Monaten an dieser Stelle erfolgte Hinweis, dass der IWF vor konjunkturellen Risiken in Osteuropa warnt, wurde von manch Marktteilnehmer mit einem milden Lächeln quittiert. Die Möglichkeit, dass ein konjunktureller Abschwung in der Zone eintreten und somit auch negative Einflüsse auf das österreichische Bankengeschäft könnte, wird teilweise bis heute noch von einzelnen Chef-Analysten rundweg negiert.

In der Zwischenzeit sieht sich die ukrainische RI-Tochter Aval gezwungen, von der Konzern-Großmutter einen 180-Millionen-€-Kredit aufzunehmen. Wobei nicht die Höhe, sondern die Notwendigkeit, über ein solches Signal Vertrauen zu schaffen, nachdenklich stimmt. Denn spätestens seit die ukrainische Regierung den IWF ins Land gerufen hat, geht das Island-Gespenst um. Ähnlich die Situation in Ungarn: auch dort ist der Fonds bereits eingeritten. Das volkswirtschaftliche Bild: überhitzte Wachstumsraten bei gleichzeitig hoher Inflation. Was in der Ukraine erschwerend hinzukommt, ist das hohe Leistungsbilanzdefizit, das nicht zuletzt auf die Preisanhebung bei russischem Gas zurückzuführen ist. Die Hoffnung, dass diese beiden Länder die einzigen sind, bei denen es zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten kommt, darf als Wunschdenken bezeichnet werden. Starke Überhitzungsmerkmale weist etwa auch Rumänien aus. Die Slowakei wiederum erwirtschaftet 25 Prozent ihres BIP über die Automobil industrie - und welche Zukunft der bevorsteht, kann man in Österreich bereits sehen. Noch schützt das relativ geringe Lohnniveau die slowakischen Fertigungsanlagen.

Privatkunden. Doch selbst wenn man optimistisch ist und davon ausgeht, dass es in nächster Zeit keine allzu großen volkswirtschaftlichen Turbulenzen im Raiffeisen International (RI)-Reich gibt: alleine in Ungarn und der Ukraine werden nach den Zahlen des ersten Halbjahres rund 20 Prozent der RI-Bilanzsumme erwirtschaftet. Man muss also für die betroffenen Märkte von einem Rückgang des Privatkundengeschäfts ausgehen, der auf Konzernebene 34 Prozent zum vorsteuerlichen Periodenüberschuss beiträgt.

Die relativ gute Nachricht: selbst wenn man pessimistisch ist und den Zirkel der betroffenen Volkswirtschaften weiter zieht: jegliche operative Gewinnrückgänge aus dem Retail-Geschäft sind im Rahmen des durch die Finanzkrise ausgelösten Kurs-Waterloos mehr als nur eingepreist. Die Aktie ist im Bloomberg-Peer Group-Vergleich sogar günstig, könnte also, sobald eine Beruhigung der Lage eingetreten ist, stärker als die Konkurrenz zulegen; aktuell ergibt sich für die RI eine Branchen-Unterbewertung von mehr als 40 Prozent.

Astrologie. Wann das sein wird, steht aber ehrlicherweise noch in den Sternen - derzeit raten selbst Banken-Volkswirte davon ab, Aktien zuzukaufen. Das gilt insbesondere, als die RI bekannterweise eine Tochter des Raiffeisen-Konzerns ist, der sich nach wie vor weigert, seine Risiko-Exponiertheit - etwa Richtung Island - offenzulegen. Und obwohl die RI natürlich eine eigene wirtschaftliche Einheit darstellt: dass ohne die Mutter nichts geht, zeigt sich daran, dass der Kredit für die Aval Bank eben nicht von der RI, sondern der darüber stehenden Mutter kommt. Diese hält derzeit 69 Prozent an der RI - doch was, wenn man schnell Bares braucht? Der Stein, in den gemeißelt wurde, dass die Konzernmutter sich von keinen RI-Aktien trennt, und sei es aus Notgründen zu einem inflationären Preis - wurde noch nicht gefunden.

Schützende Hand
Doch in diese Ferne muss man gar nicht blicken, um ein mulmiges Gefühl zu bekommen. Ein Blick in den RI-Zwischenbericht reicht aus, um zu erfahren, dass sich die Bargeldreserven - die derzeit wichtigste Währung in einem ausgetrockneten Liquiditätsmarkt - des Unternehmens im ersten Halbjahr um 700 Millionen € verringert haben. Das war bislang kein Problem, weil die Konzernmutter glaubhaft ihre schützende Hand über die Tochter gehalten hat. Doch in Zeiten wie diesen kann auch die stärkste Hand schon einmal leicht zu zittern beginnen.


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