Neuer Post-Chef Walter Oblin: "Die Transformation geht weiter"
Oblin: Stationärer Handel in
der Zange zwischen Amazon und chinesischen Online-Shops
Am 1. Oktober übernimmt der bisherige
Finanzvorstand Walter Oblin den Chefsessel bei der teilstaatlichen Österreichischen Post AG. Seine drei
Schwerpunkte sieht er bei Wachstum, Innovation und Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit. "Ich bin
überzeugt, dass in unserer Branche Technologieführerschaft entscheidend ist. Die Transformation geht
weiter", so Oblin.
"Mein Anspruch ist es auch, dass wir einer der besten Arbeitgeber des Landes
sind. Die Mitarbeiter sind die Entscheidenden, die unsere Leistung rüberbringen", betonte er im Gespräch
mit der APA. Ein Beschäftigtenabbau sei kein Thema - im Gegenteil, "wir suchen laufend Mitarbeiter, vom
Zusteller bis zum IT-Experten".
Die Post beschäftige bereits über 1.000 IT-Fachkräfte und hat
im vorletzten Jahr ein griechisches Softwareunternehmen zugekauft, weil "unser Hunger an IT-Fachkräften"
in Österreich alleine nicht gestillt werden könne. Die Post AG biete inzwischen auch IT-Leistungen über
das Kerngeschäft hinaus an. "Wir werden immer mehr zu einem Anbieter von digitalen Dienstleistungen",
erklärte Oblin.
Bei der Online-Plattform shöpping der Post habe man inzwischen über 1.000
Händler und wachse, wenn auch langsam. "Wir investieren da einen sehr überschaubaren Betrag, rund ein
Prozent des Nettoergebnisses", rechnete er vor. Mittelfristig sollen hier schwarze Zahlen geschrieben
werden.
Ein klares Bekenntnis legt Oblin zur Bank99 ab, internationale Beispiele würden
zeigen, wie wichtig es für eine Post sei, auch ein Geldinstitut zu haben. "Die letzten viereinhalb Jahre
haben gezeigt, dass das Ökosystem funktioniert. Wir wachsen in einem schwierigen Kreditmarkt", so Oblin.
Man sei aber noch nicht "über dem Berg", Zielsetzung sei es, nächstes Jahr den Break Even zu
erreichen.
Der Ausbau von Self-Service-Stationen gehe weiter, bis Jahresende werde es rund
1.500 Selbstbedienungsstationen geben. "Wir sehen, dass dieses Angebot von den Kundinnen und Kunden sehr
gut angenommen wird", erklärte Oblin.
Wie auch Noch-Post-Chef Georg Pölzl schwärmt der
künftige oberste Postler des Landes vom Paketgeschäft der türkischen Posttochter Aras Kargo. Die Türkei
sei ein sehr großer und dynamischer sowie stark wachsender Markt. "Wir sehen die Türkei auch als
Brückenkopf in eine spannende Region, die paketmäßig noch nicht so gut erschlossen ist wie West- und
Osteuropa", so Oblin.
Im Bereich Nachhaltigkeit werde die Post weiterhin Vorreiter sein, der
deutliche Ausbau der E-Auto-Flotte unter Noch-Chef Pölzl gehe weiter. 40 bis 50 Mio. Euro werde jedes
Jahr in neue Fahrzeuge investiert. Mit dem massiven Ausbau der Photovoltaik gehe man Richtung 25 bis 30
Prozent Richtung eigene Stromerzeugung. Die großen Dachflächen der Logistikzentren der Post ließen hier
noch "Fantasie" offen, Strom zu Spitzenzeiten zu speichern und zu Bedarfszeiten abzugeben.
Zur
bevorstehenden Nationalratswahl meinte der künftige Post-Generaldirektor: "Ich wünsche mir eine
Regierung, die die großen Reformen anpackt." Aktuell befinde sich die Wirtschaft "in einer schwierigen
Phase". "Wir sehen, wie der Handel sehr stark in die Zange kommt", verweist Oblin auf den Druck
einerseits von Amazon, andererseits von chinesischen Online-Marktplätzen wie Temu.
Wünschenswert sei eine Deregulierung und eine Grundstimmung, "dass Wirtschaft was Positives ist". "Wir
brauchen mehr Anreize, dass Menschen arbeiten, auch Vollzeit", so Oblin. Zum Kapitalmarkt in Österreich
meinte Oblin, die Post sei ein Beispiel für eine erfolgreiche Privatisierung - und es sei gut, den Staat
als Kernaktionär zu haben. Dies biete auch einen gewissen Übernahmeschutz. Der Kapitalmarkt in Österreich
sei aber "entwickelbar". Dies beginne bei der Schulbildung bis hin zur Pensionsvorsorge. Und beim
Startkapital für junge Unternehmen gäbe es noch viel Luft nach oben.
Oblin ist seit 14 Jahren
bei der Österreichischen Post und somit nahezu gleich lang wie Noch-Chef Pölzl bei dem teilstaatlichen,
börsennotierten Konzern. Aktuell ist Oblin noch Generaldirektor-Stellvertreter und Vorstand für Brief &
Finanzen. Oblin wurde 1969 in Villach geboren und studierte Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau an der
TU Graz, ebenso absolvierte er ein MBA-Studium in den USA. Seinen beruflichen Werdegang startete er 1994
als Unternehmensberater bei McKinsey in Wien.
Sein Noch-Chef Pölzl hatte sich zuletzt mit
einer sehr guten Halbjahresbilanz verabschiedet. Das Betriebsergebnis (EBIT) der Österreichischen Post
kletterte um 10,9 Prozent auf 105,6 Mio. Euro, der Umsatz erhöhte sich im Jahresvergleich um 17,2 Prozent
auf 1,51 Mrd. Euro. Das Eigenkapital lag mit Ende Juni bei beachtlichen 682,0 Mio.
Eine
Neuerung hat Oblin bereits mit im Gepäck: Die Post testet ab dem 6. Oktober die Sonntagszustellung für
"Premium"-Versandkundinnen und Versandkunden im 1., 2., 3. und 4. Wiener Gemeindebezirk. "Verläuft der
Test positiv, sollen im ersten Halbjahr 2025 ganz Wien sowie in Folge das Umland und weitere
Landeshauptstädte folgen", so Oblin.