Neuer Erste-Group-Chef Bosek feilt an der Strategie
Wachstum und Innovation im Fokus - Bank
auch an Zukäufen interessiert, Polen besonders interessant - Ausblick nach starken Halbjahreszahlen
angehoben -
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AKTUALISIERUNGS-HINWEIS Neu: Durchgehend neu nach der Pressekonferenz
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Der neue Chef der Erste Group,
Peter Bosek, der seit Anfang Juli im Amt ist, feilt an der Strategie für die Bank. "Ja, wir haben einen
Strategieprozess losgetreten", so Bosek am Freitag bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. Derzeit gebe
es mehrere Arbeitsgruppen dazu, etwa bis zum Spätherbst soll der Prozess beendet sein. Völlig auf den
Kopf stellen will Bosek, der vor seinem Exkurs in die baltische Luminor Bank lange in der Erste-Gruppe
tätig war, die Bank aber nicht.
"Es geht nicht darum, dass wir komplett disruptiv das
Unternehmen verändern, weil dieses Unternehmen ist extrem gut aufgestellt und das ist definitiv eine
Stärke", sagte Bosek. Auf das sich rasch verändernde Umfeld müsse man aber reagieren. Dabei gehe es zum
einen um den Arbeitsmarkt, der immer kleiner werde und damit die Anheuerung von neuen Mitarbeitern
erschwere. Zum anderen setzt Bosek für die Zukunft der Bank auf Wachstum und Innovation.
Im
Bereich Innovation hob der Bankchef vor allem den Servicebereich und die Bedeutung von digitaler Beratung
hervor. Es gehe nicht darum, viele neue Features in die George-App einzubauen, sondern es gehe darum,
George "intelligenter" zu machen. Das meiste Potenzial sehe er in der Verbesserung der digitalen
Beratungsqualität. George hat laut Angaben der Bank mittlerweile über 10 Millionen Kunden in sechs
Ländern, jedes zweite Produkt wird digital abgeschlossen.
Wachstumschancen sieht Bosek sowohl
auf organischer - also aus dem bestehenden Geschäft heraus - als auch auf anorganischer Ebene. Besonders
interessant für Zukäufe sei Polen. "Es gibt ein Land, das wir definitiv im Fokus haben, und das ist
Polen", sagte Bosek. Die Region interessiere die Erste Group schon seit 25 Jahren, sei aber immer zu
teuer gewesen. Ob es mit einem Einstieg in das Land klappt oder ob es sich erneut als zu kostspielig
herausstellt, sei offen.
Das Interesse an Polen schließe Zukäufe in anderen Regionen
keineswegs aus. Generell sieht Bosek die Erste Group aber als "Investitionsvehikel" in die CEE-Region und
dafür sei eine Präsenz in Polen eigentlich notwendig. Die Erste Group sei auf Neu-Akquisen aber nicht
angewiesen. Sollte sich eine gute Gelegenheit bieten, die den eigenen Preisvorstellungen entspricht,
werde man aber zuschlagen. Neben Österreich ist die für Osteuropa wichtige Bank vor allem in Ungarn,
Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Kroatien und Serbien tätig.
Abseits der Pläne für die Bank
selbst will sich die Erste Group künftig stärker für den Aufbau eines europäischen Kapitalmarkts
einsetzen. Hierfür soll es auch Unterstützung der Erste Stiftung geben. "Wir glauben, dass in Europa
genug privates Kapital da ist, aber wir haben zu wenig institutionelle Investoren", so Bosek. Im Hinblick
darauf arbeite die Bank bereits an einer Pensionskassenstrategie.
Generell werden große
Zukunftsthemen wie die Energietransformation viel Kapital benötigen. Trotz zahlreicher Regularien zum
Thema nachhaltiger Investitionen (ESG) gebe es aber noch keinen konkreten Fahrplan, wie die
Transformation gestemmt werden könnte. Hier wolle sich die Erste Group mit ihrem
Finanzierungs-Strukturierungs-Wissen einbringen.
Im ersten Halbjahr 2024 war die Bank auf
einem guten Weg und hat Steigerungen bei Einnahmen und Ergebnis vorgelegt. Zuwächse gab es sowohl beim
Kreditvolumen (plus 1,7 Prozent) als auch bei den Kundeneinlagen (plus 3,2 Prozent). Besonders stark
nachgefragt waren nachhaltige Unternehmenskredite, das Volumen in dem Segment verdoppelte sich zur
Vorjahresperiode auf rund 2,1 Mrd. Euro. Damit habe man das Gesamtjahresziel für 2024 von 2,5 Mrd. Euro
in dem Bereich schon fast erreicht. Auch für die Zukunft erwartet Firmenkunden-Vorstand Ingo Bleier ein
stärkeres Wachstum in dem Bereich als im allgemeinen Kreditgeschäft. Unterm Strich stand für die Erste
Group ein Nettogewinn von 1,63 Mrd. Euro, nach 1,49 Mrd. Euro im Halbjahr davor.
Beim Risiko
ist die Bank derzeit gelassen. Trotz Ausfällen und einer leicht gestiegenen Quote notleidender Kredite
(non-performing loans/NPL) seien die Risikokosten gering, sagte Risikovorständin Alexandra
Habeler-Drabek. Im Halbjahr standen die Vorsorgen bei 126 Mio. Euro, das entspreche 12 Basispunkten der
durchschnittlichen Bruttokundenkredite, wobei vor allem für Rumänien und Österreich Dotierungen auf
Wertberichtigungen vorgenommen wurden. In Österreich sei derzeit vor allem der gewerbliche Wohnbau - und
das besonders in Wien - unter Druck. Grund seien die erhöhten Bau- und Finanzierungskosten, so
Habeler-Drabek. Es gebe aber bereits wieder erste Signale, dass der Markt anziehe. Bosek erwartet zudem
positive Impulse von dem Wohnbaupaket, dass im Frühling von der Regierung beschlossen wurde.
In Anbetracht der Zahlen wurde der Ausblick für das Gesamtjahr angehoben. So rechnet die Bank nun mit
einer Eigenkapitalverzinsung (ROTE) von über 15 Prozent, bisher wurde eine ROTE von rund 15 Prozent
erwartet. Das Betriebsergebnis soll stabil bleiben und so eine Kostenquote (Cost-Income-Ratio/CIR) von
unter 50 Prozent erzielt werden. Im ersten Halbjahr verbesserte sich die CIR von 47,9 auf 46,1 Prozent.
Auch die harte Kernkapitalquote (CET1) soll heuer auf hohem Niveau bleiben, derzeit steht sie bei 15,5
Prozent.
Beim Nettokreditwachstum wird ein Plus von rund 5 Prozent erwartet, wobei das
Wachstum in allen Märkten sowohl von Firmen- als auch von Privatkundenseite kommen soll. Die Risikokosten
sollen zudem "auf niedrigem Niveau verbleiben". Gerechnet wird mit weniger als 20 Basispunkten der
durchschnittlichen Bruttokundenkredite. Bisher wurde für heuer von 25 Basispunkten ausgegangen.
Auch die Aktionäre sollen mit einer höheren Dividende an dem Ergebnis teilhaben. Der Vorschlag für das
heurige Jahr lautet auf 3,0 Euro je Aktie. Für das Geschäftsjahr 2023 wurde eine Dividende von 2,70 Euro
je Titel ausgeschüttet. Am Freitag stand die Aktie am Nachmittag dennoch mit 1,06 Prozent im Minus bei
45,92 Euro.
Peter Bosek hat die Führung der Erste Group im Juli 2024 von Willibald Cernko
übernommen. Er wechselte zwar von der baltischen Luminor Bank nach Wien, ist aber kein Unbekannter für
den Erste-Konzern. Vor seinem Abgang nach Tallinn Ende 2020 war Bosek 24 Jahre lang in der Erste-Gruppe
tätig, davon mehr als 13 Jahre in Managementpositionen und zuletzt Vorstandsvorsitzender der Erste Bank
und auch im Vorstand der Group. Bosek gilt als Vollblutbanker und als Vater der Online-Banking-Plattform
"George".