Eurozone: Inflationsdruck geht angesichts sich abkühlender Konjunktur zurück
Ergebnisse auf
einen Blick:
HCOB Flash Eurozone Composite PMI(1) bei 50,3 (Mai: 52,8). 5-Monatstief.
HCOB Flash Eurozone Service-Index Geschäftstätigkeit(2) bei 52,4 (Mai: 55,1). 5-Monatstief.
HCOB
Flash Eurozone Index Industrieproduktion(4) bei 44,6 (Mai: 46,4). 8-Monatstief.
HCOB Flash Eurozone
Industrie PMI(3) bei 43,6 (Mai: 44,8). 37-Monatstief.
Nach der kurzen Belebung im Frühjahr ist
das Wirtschaftswachstum der Eurozone im Juni nahezu zum Stillstand gekommen. Dies ergab die aktuelle
S&P-Umfrage zum HCOB Flash Eurozone Composite PMI. Der Auftragseingang wies erstmals seit Januar wieder
ein Minus aus, der Stellenaufbau verlangsamte sich ein weiteres Mal und die Geschäftsaussichten binnen
Jahresfrist verschlechterten sich ebenfalls. Der Inflationsdruck schwächte sich hingegen spürbar ab. So
stiegen die Einkaufspreise mit der niedrigsten Rate seit Dezember 2020 und die durchschnittlichen
Verkaufs- bzw. Angebotspreise für Güter und Dienstleistungen verteuerten sich so langsam wie seit März
2021 nicht mehr.
Produktion und Nachfrage
Der saisonbereinigte HCOB Flash Eurozone
Composite PMI sank im Juni auf 50,3 Punkte von 52,8 im Mai – der tiefste Wert seit Januar. Damit fiel das
sechste Wachstum in Folge deutlich schwächer aus als in den vier Vormonaten und signalisierte mit der
markanten Konjunkturabkühlung annähernden Stilltand. Seit einem Jahr ist der Index binnen Monatsfrist
nicht mehr um 2,5 Punkte gefallen. Die aktuelle Vorabschätzung basiert auf etwa 85% der regulären
Umfragerückmeldungen.
Mit der annähernden Stagnation des Auftragseingangs im Mai hatte sich
die Abkühlung bereits im Mai angedeutet. Und dass der Gesamt-Auftragseingang für Industrie und
Servicesektor im Juni erstmals seit Januar wieder ein Minus auswies, bedeutet, dass die Produktion im
Juli sinken könnte.
Ausschlaggebend für die Konjunkturschwäche war auch im Juni die Industrie.
Hier sorgten die höchsten Auftragsverluste seit letztem Oktober dafür, dass der dritte
Produktionsrückgang in Folge so stark ausfiel wie zuletzt im Oktober 2022.
Gleichzeitig
verlangsamte sich das Geschäftswachstum im Servicesektor erheblich und fiel - nach dem jüngsten Hoch im
April - so schwach aus wie zuletzt im Januar, da die zuletzt hohe Ausgabenbereitschaft für
Dienstleistungen deutlich nachließ. Folglich wies der Auftragseingang der Serviceanbieter im Juni nur
noch ein moderates Plus aus, nachdem hier in den drei Monaten vor Mai noch starke Zuwächse verzeichnet
worden waren.
Kapazitäten und Beschäftigung
Um das Wachstum angesichts des
rückläufigen Neugeschäfts einigermaßen zu stützen, wurden die Auftragsbestände den dritten Monat in Folge
und so rasant abgebaut wie zuletzt vor sieben Monaten. In der Industrie nahmen sie sogar so zügig ab wie
seit drei Jahren nicht mehr, im Servicesektor sanken die unerledigten Aufträge erstmals seit Januar
wieder.
Da sinkende Auftragsbestände auf Überkapazitäten hindeuten, sind sie in der Regel
Vorbote rückläufiger Beschäftigtenzahlen.
Folglich verlangsamte sich der Jobaufbau zum
zweiten Mal hintereinander und fiel so schwach aus wie seit Februar nicht mehr. In der Industrie sank die
Beschäftigung erstmals seit Januar 2021 wieder. Im Servicesektor blieb der Jobaufbau zwar
überdurchschnittlich stark, er verlangsamte sich jedoch den zweiten Monat in Folge und fiel so schwach
aus wie zuletzt im März.
Im Zuge der niedrigeren Produktionsanforderungen wurde die
Einkaufsmenge in der Industrie im Juni – abgesehen von den Monaten während des Corona-Lockdowns Anfang
2020 – so stark reduziert wie seit 2009 nicht mehr. Damit nahm auch der Druck auf die Lieferketten weiter
ab, weshalb sich die durchschnittlichen Lieferzeiten abermals verkürzten. In den letzten Monaten sind die
Vorlaufzeiten so stark geschrumpft wie zuletzt im Jahr 2009.
Preise
Die rückläufige
Nachfrage führte in der Industrie verstärkt zu Preisnachlässen, weshalb der vierte Rückgang der
Einkaufspreise in Folge hier so deutlich ausfiel wie zuletzt im Juli 2009. Im Servicesektor legten die
Kosten, vor allem wegen des hohen Lohndrucks, zwar erneut überdurchschnittlich stark zu, die Rate sank
jedoch auf den tiefsten Wert seit Mai 2021.
Beide Sektoren zusammengenommen, fiel der neunte
Rückgang der Einkaufspreise in Folge so kräftig aus wie zuletzt im Dezember 2020.
Infolge des Kostenrückgangs schwächte sich auch der Anstieg der Verkaufspreise ab. So legten die
durchschnittlichen Verkaufs- bzw. Angebotspreise für Güter und Dienstleistungen im Juni mit der
niedrigsten Rate seit 27 Monaten zu, nachdem sie sich bereits im vergangenen Jahr auf breiter Front
abgeschwächt hatten. Im Juni ließ der Anstieg der Verkaufspreise jedoch besonders stark nach – es war
einer der markantesten Indexrückgänge seit 2008, von den Monaten während der CoronaLockdowns Anfang 2020
abgesehen. In der Industrie fiel der zweite Rückgang der Verkaufspreise hintereinander so stark aus wie
seit drei Jahren nicht mehr. Im Servicesektor wurden die Angebotspreise zwar erneut kräftig angehoben,
die Rate schwächte sich jedoch so stark ab wie nie seit 2008 – von den Monaten während der ersten
Corona-Lockdowns abgesehen.
Geschäftsaussichten
Die Geschäftsaussichten binnen
Jahresfrist sackten im Juni so stark ab wie zuletzt im September 2022 und landeten auf dem tiefsten Wert
seit Jahresbeginn. In der Industrie verschlechterte sich der Ausblick besonders rapide, hier sank der
Index auf ein 7-Monatstief, doch auch bei den Serviceanbietern fiel er auf ein 6-Monatstief. In beiden
Sektoren wurden die jeweiligen Langzeit-Durchschnittswerte markant unterschritten. Obwohl die Besorgnis
hinsichtlich der Energieversorgung und Lieferketten seit Ende letzten Jahres nachgelassen hat, haben sich
die Bedenken hinsichtlich der Nachfrageentwicklung und insbesondere der Auswirkungen der höheren
Zinssätze und der daraus resultierenden Möglichkeit einer Rezession sowohl auf den Binnenmärkten als auch
in anderen Ländern im Juni wieder verstärkt.
Trends auf Länderebene
Auf Länderebene
war Frankreich von der Wachstumsschwäche am stärksten betroffen. Hier sank die Wirtschaftsleistung
erstmals seit Januar und so stärker als in den drei Vormonaten, nicht zuletzt aufgrund der dortigen
Streikwelle. Betroffen waren hier sowohl die Industrie als auch der Servicesektor. Doch auch in
Deutschland kam das Wachstum - nach dem Plus in den drei Monaten vor Mai - fast zum Stillstand. Hier ging
es mit der Industrieproduktion mit beschleunigter Rate abwärts, während gleichzeitig der Servicesektor an
Dynamik verlor. Die übrigen von der Umfrage erfassten Länder vermeldeten - nach dem soliden Aufschwung im
März und April - das schwächste Wachstum seit fünf Monaten. Zurückzuführen war dies auf die kräftigen
Produktionseinbußen in der Industrie und die Abkühlung im Servicesektor.
Dr. Cyrus de la
Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, kommentiert:
“Wenn die EZB nur die
Güterpreise unter Kontrolle haben müsste, dann würde man in Frankfurt auf das Ende der Inflation
anstoßen, denn auch im Juni zeigt die PMI-Umfrage, dass die Einkaufs- und Verkaufspreise deutlich
gefallen sind. Angesichts der von dem PMI angezeigten Rezession im Verarbeitenden Gewerbe würde man zudem
mit Zinssenkungen starten. Aber dieses Bild ist unvollständig. Im wichtigeren Teil der Volkswirtschaft,
dem privaten Dienstleistungssektor, steigen die Preise weiter und deswegen geht die Kernrate der
Inflation auch nur so zögerlich zurück.“
„Neben der anhaltenden Diskrepanz, die bereits
mehrere Monate zwischen der Industrie auf der einen Seite und dem Dienstleistungssektor auf der anderen
Seite zu beobachten ist, gibt es auch regional deutliche Unterschiede. In Frankreich etwa ist die
Aktivität im Servicesektor im Juni laut PMI-Umfrage geschrumpft, wohingegen sie in Deutschland weiterhin
expandierte, wenngleich mit nachlassender Dynamik. Das spiegelt sich auch in den Neuaufträgen wider, die
in Frankreich zurückgehen, in Deutschland – wiederum mit einer abnehmenden Rate – aber steigen. Als
Gründe für diese Schwäche werden in Frankreich, welches ökonomisch auch unter den intensiven Streik- und
Protestaktivitäten im Frühjahr gelitten haben dürfte, die hohe Inflation und die schwierigeren
Finanzierungskosten genannt.“
„Nachdem das BIP in der Eurozone im ersten Quartal das zweite
Mal in Folge gefallen war, ist die Wahrscheinlichkeit etwas gestiegen, dass im laufenden Quartal die
BIP-Veränderung erneut ein negatives Vorzeichen tragen wird, bedingt unter anderem durch die schwache
Geschäftstätigkeit im Servicesektor Frankreichs.
Selbst wenn unser Basisszenario eines leicht
positiven Wachstums in der Eurozone im zweiten Quartal noch Wirklichkeit werden sollte, deutet der
rückläufige Trend beim Composite-PMI auf eine schwierige zweite Jahreshälfte hin, da sich die Unternehmen
aus allen Sektoren mit einer schlechter werdenden Auftragslage konfrontiert sehen.“