Kapsch-Gruppe leidet unter Sanktionen und sucht Fachkräfte
"Russland, Türkei, Iran wären
interessante Märkte" - China starke Konkurrenz im Bahnsektor - Ausbildung sollte bei Ausschreibungen
Punkte bringen - Maut bleibt Kerngeschäft
Der heimischen Kapsch-Technologiegruppe machen die
internationalen Sanktionen zu schaffen, die ein Engagement in den interessanten Märkten Russland oder
Iran verhindern. Der China-Konkurrenz im Bahnbereich will man selbstbewusst entgegentreten. Auf der Suche
nach Fachkräften wünscht man sich Erleichterungen für Zugewanderte. Die Maut wird noch lang Kerngeschäft
bleiben, sagt das Management.
Russland, der Iran oder die Türkei wären interessante Märkte, doch
gebe es einerseits verschärfte Sanktionen - und auch die Türkei stehe unter massivem Beschuss der
Amerikaner. Die Europäer sollten aber in der Türkei Chancen wahrnehmen können, sonst würden sich dort
womöglich Chinesen breitmachen. Im Iran hätte man sich Chancen in allen Kapsch-Sparten - Bahn, Maut und
Verkehr - ausgerechnet.
Auch russische Nachbarländer seien von den Sanktionen gegen Moskau
betroffen, berichtete Vorstandsdirektor Kari Kapsch am Donnerstagabend vor Journalisten. So "stehe"
mittlerweile etwa auch der weißrussische Güterverkehr, der profitabel gewesen sei: "Auch dort hätte es
interessante Projekte gegeben." Beim Seidenstraßenvorhaben versuche Kapsch mit Bahntechnik dabei zu sein.
Gegen die starke China-Konkurrenz bei Bahnaufträgen in Europa könne man nur versuchen, flexibler,
schneller und noch kundenorientierter zu sein.
Von der Handelspolitik von US-Präsident Donald
Trump ist die Kapsch-Gruppe mit über 1,1 Mrd. Euro Umsatz und rund 7.500 Mitarbeitern laut
Vorstandsdirektor Georg Kapsch nicht direkt betroffen: "Rein wirtschaftlich haben wir mit Trump keine
Probleme". Die gesamte Gruppe mache circa 15 Prozent ihrer Umsätze in Nordamerika, aber mit stark
steigender Tendenz. Bei der börsennotierten Kapsch TrafficCom seien es 23 Prozent. "Wir haben keine
Probleme, denn wir produzieren dort." Auch vom Brexit sei man nicht betroffen; das UK-Geschäft halte sich
in Grenzen, und man gehe davon aus, dass dies auch nach dem Briten-Austritt aus der EU weiterlaufen
werde.
Von den rund 7.500 Mitarbeitern sind etwa 5.700 bei der Kapsch TrafficCom tätig, wo
laut Georg Kapsch allein 1.500 Leute in Südafrika arbeiten und Hunderte in Polen. Mehr als 1.300 zählt
die Kapsch BusinessCom, der Rest gehört zum Bahnbereich (Kapsch CarrierCom). International sucht man
aktuell 200 qualifizierte Mitarbeiter, davon allein 50 in Österreich, so Vorstandsdirektor Franz
Semmernegg.
In Österreich seien Fachkräfte etwas leichter zu finden als im Ausland, räumte er
ein: "In Tschechien und Rumänien kämpfen wir um die Facharbeiter schon sehr stark." Dennoch wünscht sich
Georg Kapsch, der auch Präsident der Industriellenvereinigung (IV) ist, sehr wohl Erleichterungen für die
Zuwanderung. So seien etwa bei der Rot-Weiß-Rot-Card für Nicht-EU-Bürger das Alterslimit und der
erforderliche Nachweis einer Wohnung schon "Hürden". Bei Wohnungen trete man deshalb in Vorleistung, so
Semmernegg, kürzlich habe man das bei einem hoch qualifizierten Ägypter gemacht - "ein mittelständisches
Unternehmen könnte sich das nicht leisten".
Bei öffentlichen Ausschreibungen sollte es
Pluspunkte bringen, wenn man in die Lehrlingsausbildung investiere, schlägt die Kapsch-Gruppe vor.
Jedenfalls sollten Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigte "nicht auf der Straße stehen, wenn sie
hierherkommen". Zielführend regeln lasse sich die Möglichkeit einer sinnvollen Ausbildung wohl besser
über die Rot-Weiß-Rot-Card als im Asylrecht. Und schon gar nicht könne man "Menschen einfach ertrinken
lassen im Mittelmeer - das geht nicht", betont Georg Kapsch.
Die Maut werde auch in den
nächsten Jahren das Kerngeschäft der Gruppe bleiben, "der Markt ist nach wie vor ein wachsender", sagt
Georg Kapsch. Österreich habe eine gute Straßeninfrastruktur, es gebe aber kaum ein anderes Land mit
dieser hohen Qualität, teils seien die Straßen verrottet. Das von Kapsch TrafficCom verwendete
terrestrische Mautsystem verspreche weiterhin ein ertragreiches Geschäft. Satellitengestützte Systeme
seien wegen der erforderlichen On-Board-Units zu teuer, für ganz Deutschland etwa würden allein die
Endgeräte 4,6 Mrd. Euro kosten. Für Tschechien, wo Kapsch schon lange um einen Auftrag ringt, könnte es
laut Georg Kapsch "in den nächsten zwei bis sechs Monaten eine Neuausschreibung" geben. Denn wenn es mit
rechten Dingen zugehe, müsse die Aufhebung der letzten Ausschreibung aufrecht bleiben: "Da passierten so
viele Fehler. Das Verfahren war nicht sauber. Daher haben wir uns gewehrt."
Kapsch beschäftigt
sich auch mit "autonomem Fahren", sowohl in dem von Georg verantworteten Autobereich als auch in dem zu
seinem Bruder Kari ressortierenden Bahnsektor. Bis zu einer echten Durchdringung mit autonomen Autos,
egal ob mit klassischem Sprit oder Strom betrieben, werde es aber wohl noch "lange" dauern, meint Georg
Kapsch, sein Bruder denkt da an 20 bis 25 Jahre. Hemmschuh für autonom fahrende Kfz sei die
hinterherhinkende Legislative, in der Bahn dagegen sei alles standardisiert, sagt Kari. Bruder Georg
verweist dazu etwa auf die "Parking Policy", die in jeder Stadt anders sei: "Deshalb tun sich das Google
und Apple nicht an." Bevorzugt macht Kapsch seine Autoinfrastruktur-Tests in der spanischen Hauptstadt
Madrid, dort verfüge man durch die gelieferten Ampeln und Ampelsteuerungen über eine große Marktmacht.
Dieser Markt stelle ein Riesenpotenzial dar und entwickle sich auch schnell.
Ob sich die
Elektromobilität langfristig durchsetzt, ist für Georg Kapsch "überhaupt nicht sicher". Er gibt so wie
sein Bruder sowohl Wasserstoff-Antrieben als auch synthetischen Kraftstoffen hohe Chancen. Ja, in den
Städten werde es schon Richtung E-Mobilität gehen, sagt Kari Kapsch - im Fernverkehr sei das aber anders.
E-Autos komme künftig wohl auch eine wichtige Funktion als rollende Energiespeicher zu. Sie würden
irgendwo aufgetankt, bei uns bevorzugt mit Strom aus erneuerbaren Energien, und könnten dann umgekehrt
daheim auch das eigene Haus mit Elektrizität versorgen, wenn etwa die Sonne nicht scheine und kein
Solarstrom zur Verfügung stehe. Natürlich könnten diese "mobilen Energiespeicher" dann auch schon 300 bis
500 Kilometer weit fahren, und Schnellladung sei kein Thema mehr, sondern normal. "Sobald die deutsche
Autoindustrie reingeht, kommt hier ein gewaltiger Schub."
Größte Herausforderung für die
Zukunft, auch für 2019, ist es laut Georg Kapsch für die Gruppe, "darauf zu achten, dass wir den
richtigen nächsten Schritt setzen". Man prüfe immer wieder Bereiche ganz genau, ob man sich dort
vielleicht neu engagieren könne. Das sei aber nur möglich, wenn nicht schon Multis drinnen seien: "Wir
sehen uns immer an, ob wir etwas akquirieren oder verkaufen wollen". Das gelte für alle drei
Geschäftsfelder BusinessCom, CarrierCom, TrafficCom gleichermaßen, die man weiterentwickeln wolle. Um
innovatives Denken in der Gruppe zu fördern, screene man immer wieder Start-ups, doch kämen von 200 bis
300 Kandidaten vielleicht nur vier bis sechs in eine engere Wahl, mit denen man dann in Versuche gehe.
"Eine Kapitalbeteiligung ist nicht das primäre Ziel." Im letzten derartigen Durchgang habe man sich an
keinem einzigen Start-up beteiligt. Dabei sei es etwa um eine neue, auf Salz basierende
Batterietechnologie gegangen, ein Monitoring von Kreuzungsbereichen oder das Erkennen von
Fahrbahnzuständen. Ins Payment - Stichwort Wirecard - hätte man vor fünf Jahren einsteigen "können und
sollen", das habe man verpasst, räumt Georg Kapsch ein: "Das tut mir weh. Jetzt geht es nicht mehr."