Das Versorgungssicherheit mit Strom in Österreich wird durch den teilweisen Lückenschluss des
380-kV-Ringes mit dem Bau der so genannten Steiermark-Leitung wesentlich erhöht, sagte der Vorstand der
Verbund-Netztochter Austrian Power Grid (APG) am Montagabend vor Journalisten in Wien. Investitionen in
das Stromnetz sind laut APG dringend nötig, nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa. Im heurigen
Winter hätten in Österreich kritische Situationen vor allem durch den Einsatz der Ende des Vorjahres
installierten Phasenschieber bewältigt werden können. Das Risiko sei aber weiterhin hoch, so APG-Vorstand
Heinz Kaupa.
Engpassmanagement nur vorübergehende Maßnahme
Ein Kabelschaden im
Umspannwerk Wien Südost im Jänner dieses Jahres wäre ohne die Ende des Vorjahres installierten
Phasenschieber schwerer zu bewältigen gewesen, es wäre wohl das zweite System der Leitung Südost-Ternitz
ausgefallen, meinte Kaupa. Die Leitung Wien Südost-Ternitz wurde dann nur einsystemig gefahren, die
nötige Engpassmanagementleistung wie etwa auch der Einsatz von Speicherkraftwerken, um ein Blackout zu
verhindern, habe in Summe 1.070 Megawatt (MW) betragen.
Bei bereits ausgebauter
Steiermark-Leitung wäre ein solcher Ausfall eines Systems durch Engpassmanagement leichter zu
beherrschen. Die Sicherheitsgrenzen wären wegen der fehlenden Salzburg-Leitung zwar weiterhin
überschritten worden, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Im Februar seien Engpassmanagement-Maßnahmen
von 348 GWh nötig gewesen, das entspricht dem Jahresverbrauch von fast 100.000 Haushalten bzw. einem
Drittel des gesamten Jahresleistung des Kraftwerks Wien Freudenau.
Die Inbetriebnahme der rund
97 Kilometer langen Steiermark-Leitung vom Südburgenland ins steirische Kainachtal war ursprünglich für
2006 vorgesehen. Nun wird mit einer Inbetriebnahme im ersten Halbjahr 2009 gerechnet. Der Baubeginn ist
für September 2007 vorgesehen, man werde wohl zwei Schlägerungsperioden brauchen, die von Oktober bis
Februar gehen.
Bei der so genannten 125 Kilometer langen Salzburg-Leitung zwischen St.
Peter/Ranshofen und Kaprun erwartet der Verbund den Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung "in
Kürze". Für den ersten Abschnitt bis Salzburg hofft der Verbund auf eine Inbetriebnahme 2009, für den des
zweiten inneralpinen Abschnitts 2011 oder 2012.
Investieren will der Verbund in den nächsten
fünf Jahren in den Netzbereich 800 Mio. Euro. Davon entfallen auf die Steiermark-Leitung rund 170 Mio.
Euro, auf die Salzburg-Leitung in Summe rund 400 Mio. Euro.
Fehlende Netzkapazitäten seien
aber nicht nur in Österreich ein Problem, sondern in ganz Europa. Wer wo importiere, entschieden die
Kunden und Lieferanten, so APG-Vorstand Thomas Karall. Die Netzgesellschaften müssten die physikalischen
Stromflüsse managen. Wenn die Strompreise an den Strombörsen niedrig seien, werde Strom importiert, wenn
der Preis an den Börsen hoch sei, werde von den Stromkonzernen produziert und exportiert. Hier
funktioniere der Markt. Die Stromübertragung reiche mittlerweile von Portugal bis in die Ukraine.
Österreich sei seit der Vollliberalisierung im Oktober 2001 ein Stromimportland.
Insgesamt
müssten rund 20 Mrd. Euro in Europas Stromnetze investiert werden, schätzt Kaupa. Allein in Deutschland
seien nur für die Windkraft Investitionen ins Höchstspannungsnetz von mehr als 2 Mrd. Euro nötig. Ohne
einen Ausbau der Stromnetze könne man nur nach Krücken suchen, aber nie einen europäischen Markt
bekommen. Ein Beispiel für die Vernetzung in Europa: Wenn Schweden 1.000 MW importiere, sei dies im
österreichischen Netz spürbar.
Für die grenzüberschreitenden Märkte sind in Europa nun
Teilregionen geplant, die in einem nächsten Schritt zusammengeführt werden sollen. Österreich gehört
dabei zur Region Mittelosteuropa (CEE), Nordwesteuropa und Zentrales Südosteuropa. Für
grenzüberschreitende Auktionierungen ist eine gemeinsame Plattform geplant, der neben Österreich auch
Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Slowenien angehören. Es handle sich dabei um
eine Übergangslösung, bis es ausreichende Netzkapazitäten gebe. Solange es Engpässe gebe, müsse es solche
Maßnahmen geben. Der Start dieser Clearing-Plattform ist für 2008 geplant, so Karall. Mit dieser
Auktionsplattform könne man versuchen, koordiniert vorzugehen, die grundsätzlichen Probleme aber nicht
lösen. Die Erlöse aus den grenzüberschreitenden Auktionen liegen bei der APG derzeit bei 20 bis 25 Mio.
Euro.
Es werde noch einige Zeit dauern, bis man auf das Engpassmanagement verzichten könne, so
Kaupa. In wenigen Jahren würden es nach derzeitigen Berechnungen nur wenige Länder geben, die einen
Stromüberschuss produzierten, darunter voraussichtlich Frankreich und Tschechien. Das Beispiel Italien
nach dem großen Blackout zeige aber, dass man auch relativ rasch Kraftwerke bauen könne. Wie eng
Kraftwerke und Netz zusammenhingen, zeige etwa auch Bulgarien: Seit Reaktoren im Atomkraftwerk Koslodui
vom Netz genommen worden seien, ziehe der Balkan Strom an.
Abgelehnt wird von der Verbund-APG
ein unabhängiger Netzbetreiber (Independent System Operator) für die Netze. Betrieb, Instandhaltung und
Investitionen sollten nicht getrennt werden, so Karall. Zudem entstünde ein hoher Regulierungsbedarf.
Länder, die einen solchen Weg eingeschlagen hätten, seien wieder davon abgegangen. Zum Thema
Ownership-Unbundling, der eigentumsrechtlichen Trennung des Netzbereichs, meint der APG-Vorstand, dass
man in Europa zuerst überall das Legal Unbundling (gesellschaftsrechtliche Trennung) durchführen sollten,
bevor man sage, dass es nicht funktioniere. (Schluss)
Quelle: APA