von Dr. Markus Schoor
Liebe Leser,
schon der erste Teil dieser "Saga" löste eine
Reihe heftiger Reaktionen aus, vor allem von den Betroffenen des Altana-Falls, die mir zahlreich
schrieben.
Heute schreibe ich Ihnen aus gegebenem Anlaß - weil es wichtig für Sie ist, sich
den Realitäten zu stellen, bevor diese Sie überrollen.
Hier unser belegter Fall:
Wir hatten das Papier mit der WKN db58b3 gekauft, ein Dax Long Endlos Zertifikat auf den Dax von der
Deutschen Bank. Wir hatten das Papier für 6,90 Euro erworben und es dann laufen lassen, bis es so gut im
Plus war, dass wir einen Stopp Loss am 1.6.07 auf 7,00 Euro bei Euwax Stuttgart eingeben konnten - mit
Laufzeit ultimo.
Am 8. 6.07 - also genau eine Woche später - fing der Dax plötzlich an zu
fallen, nicht wirklich wie ein Stein, aber Stück um Stück. Am späten Nachmittag erreichte der Kurs
unseren Stopp Loss - aber erst 7-8 Minuten später wurden wir zu 6.74 Euro ausgeführt.
Was dann
folgte war eine Recherche und dann eine Reklamation bei der Börse Stuttgart bei der
Handelsüberwachung.
Zunächst zur Recherche:
Zunächst holte ich mir das Kursblatt
der Börse Stuttgart.
Hier konnte ich unter 16.57h unsere Kursausführung zu 6.74 Euro sehen!
Dann ging ich ins Euwax-Archiv, um die vom Emittenten in der fraglichen Zeit gestellten Kurse
einzusehen:
Dieses Archiv zeigt alle gestellten Kurse, aber ich habe hier nur die wenigen uns
betreffenden Kurse ausgeschnitten:
Achten Sie dabei auf die von mir unterstrichenen Kurse:
Gültiger Referenzmarkt:
Deutsche Bank : 09:00 Uhr - 20:00 Uhr
• Suche nach WKN:
DB58B3 am: 06.06.2007 Zeitfenster: von 16:30:00 bis 17:00:00
• Knock-out-Produkt DEUT.BANK WXXLC DAX
• Mindestquotierungsvolumen in € : 3.000,00
• Mindestquotierungsvolumen in Stück :
10.000,00
• Gefundene Datensätze: 337 • Angezeigte Datensätze: 201 bis 300
Uhrzeit
Referenzmarkt / Emittent
Deutsche Bank
Bid Ask
16:47:40 7,110 7,120
16:47:50
7,120 7,130
16:47:54 7,130 7,140
16:48:02 7,120 7,130
16:48:10 7,110 7,120
16:48:12 7,120 7,130
16:48:16 7,130 7,140
16:48:22 7,140 7,150
16:48:28 7,130 7,140
16:48:36 7,120 7,130
16:48:44 7,110 7,120
16:48:50 7,120 7,130
16:48:52 7,110
7,120
16:48:54 7,120 7,130
16:48:58 7,130 7,140
16:49:20 7,140 7,150
16:49:23
7,150 7,160
16:49:25 7,130 7,140
16:49:26 7,120 7,130
16:49:30 7,130 7,140
16:49:34 7,120 7,130
16:49:36 7,130 7,140
16:49:42 7,110 7,120
16:49:50 7,120 7,130
16:49:56 7,110 7,120
16:49:59 7,100 7,110
16:50:02 7,110 7,120
16:50:05 7,100
7,110
16:50:17 7,090 7,100
16:50:21 7,080 7,090
16:50:26 7,060 7,070
16:50:29
7,040 7,050
16:50:36 7,020 7,030
16:50:44 0,000 0,000
16:53:01 6,860 6,870
16:53:09 6,870 6,880
16:53:13 6,880 6,890
16:53:20 6,890 6,900
16:53:21 6,880
6,890
16:53:24 6,890 6,900
16:53:35 6,880 6,890
16:53:42 6,890 6,900
16:53:46
6,880 6,890
16:53:48 6,890 6,900
16:53:57 6,900 6,910
16:54:02 6,910 6,920
16:54:10 6,900 6,910
16:54:12 6,890 6,900
16:54:25 6,880 6,890
16:54:27 6,890 6,900
16:54:30 6,880 6,890
16:54:31 6,890 6,900
16:54:33 6,880 6,890
16:54:34 6,890
6,900
16:54:39 6,880 6,890
16:54:42 6,890 6,900
16:54:44 6,900 6,910
16:54:45
6,890 6,900
16:54:47 6,900 6,910
16:54:49 6,890 6,900
16:54:53 6,900 6,910
16:54:55 6,890 6,900
16:55:04 6,900 6,910
16:55:14 6,880 6,890
16:55:17 6,870 6,880
16:55:21 6,860 6,870
16:55:23 6,850 6,860
16:55:27 6,830 6,840
6,840 6,850
16:55:33 6,830 6,840
16:55:38 6,840 6,850
16:55:42 6,860 6,870
16:55:44 6,870 6,880
16:55:45 6,880 6,890
16:55:51 6,860 6,870
16:55:56 6,870 6,880
16:56:02 6,860
6,870
16:56:06 6,850 6,860
16:56:22 6,860 6,870
16:56:23 6,850 6,860
16:56:27
6,830 6,840
16:56:36 6,810 6,820
16:56:38 6,790 6,800
16:56:42 6,780 6,790
16:56:47 6,790 6,800
6,780 6,790
16:56:49 6,790 6,800
16:56:54 6,820 6,830
16:57:00 6,810 6,820
16:57:06 6,800 6,810
16:57:17 6,780 6,790
16:57:23 6,800 6,810
16:57:25 6,810 6,820
16:57:27 6,780 6,790
16:57:33 6,750 6,760
16:57:36
6,740 6,750
Hier sehen Sie den Ablauf des "kleinen Dramas":
Ein Stop Loss
besagt: ich will verkaufen, sobald jemand anderer unter meinem Limit verkauft oder kauft. Unser Limit war
7.00 Euro und laut Definition von Zertifikaten - nicht von Optionsscheinen - gilt hier jeder gestellte
Kurs als "Kauf/Verkauf", denn das ist der Sinn des Market-Maker Prinzips - der Emittent muß laufende
Kurse stellen - sprich kaufen oder verkaufen. (dachte ich bis vor kurzem)
Um 16.50h ging es
los. Der Market-Maker hat bei kurzfristigen Sprüngen des Underlyings das Recht den Kurs auszusetzen. Er
macht davon um 16.50h (erster unterstrichener (Anmerkung Ottakringer: FETTER) Kurs) Gebrauch und
stellt erst um 16.53h wieder einen Kurs.
16.53h (zweiter unterstrichener Kurs) - der
Market-Maker stellt den ersten Kurs nach der Kursaussetzung. Dieser ist auslösend für unseren Stop Loss.
Wir müssen jetzt sofort den nächsten Kurs bekommen, schließlich ist der Stopp Loss seit mehr als einer
Woche eingegeben und somit bekannt.
16.53h Unser Kurs sollte der zweite unterstrichene oder
der nächste Kurs nach dem zweiten unterstrichenen Kurs sein Kurs sein. Ich selbst sehe zu diesem
Zeitpunkt auf der onvista Liste sogar 6.91 Euro. Aber es erfolgt kein Verkauf. Stattdessen stellt die
Deutsche Bank munter weiter Kurse.....
16.57h endlich erfolgt der Verkauf - aber für 6,74 Euro
- der letzte Kurs unten.
Danach habe ich in Stuttgart bei der Handelsüberwachung angerufen.
Jeder von Ihnen kann das auch tun: 0800 - 2268855. Eine Dame am Telefon. Sie kennt den Fall
bereits und wiegelt mich schnell ab: "Nein, man habe sich das überlegt, man könne da nichts machen, denn
man bekomme die Kurse ja vom Emittenten. Und den müsse man bei großen Stückzahlen zurückrufen und sich
einen Kurs geben lassen. Und das dauert halt, Sie wissen ja."
Ich weiss nicht,
ob es 5
Minuten dauert, einen Emittenten anzurufen, oder ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, im Vorfeld solche
Stückzahlen abzuklären.
"Nein, der Emittent dürfe ja vom Orderbuch nichts wissen" -
Ich frage was es mit der Best-Price-Garantie der Börse Stuttgart auf sich hat, wenn man zum Zeitpunkt
der Stop Auslösung nicht ausgeführt wird. Ich verweise auf die Kursstellungen des Emittenten
dazwischen.
"Ja, aber die sind nicht verbindlich für uns".
Sie merkt auf welch
schütterem Eis sie sich befindet und beschließt mich an die Deutsche Bank zu verweisen. Dort könne man
vielleicht etwas machen.
Dort rufe ich um 10.40h an und schildere einem Herrn den Fall. Er
sagt darauf: "Warum haben die (die Börse Stuttgart nicht bei uns angerufen?" fragt er mich.
Dort liegt der Fall dann eine Woche, und fast noch eine: schließlich erhalte ich eine schüttere
Auskunft:
"Die von Ihnen angesprochene Order wurde analog den "Ausführungsbestimmungen zur
Börsenordnung der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse für den elektronischen Handel
verbriefter
Derivate an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse, insbesondere im Handelssegment EUWAX"
ausgeführt.
Aus diesem Grund würden wir Sie bitten ,sich direkt an die Handelsüberwachung der
Baden-Württembergischen Wertpapierbörse zu wenden."
Natürlich habe ich das ganze noch mit
zahlreichen Telefonaten ergänzt, aber die Quintessenz ist sehr einfach und doch tief erschütternd: Die
Deutsche Bank behauptet, die Börse Stuttgart habe die Stopp Loss "in der Schublade" (wörtliches Zitat!)
und dort nicht rechtzeitig herausgekramt.
Die Börse Stuttgart beharrt darauf, die Deutsche
Bank sei nicht schneller erreichbar gewesen - per Telefon.
Beide verweisen darauf, dass eine
Market-Maker Garantie ja nur für 10.000 Stücke pro Trade vorliegen. Das ist wiederum sehr merkwürdig und
widerspricht den gegenseitigen Schuldzuweisungen vorher. Also hätten mindestens 10.000 Stück richtig
ausgeführt werden müssen. Dies ist aber nicht geschehen, wie das Kursblatt genau belegt.
Lange
Rede kurzer Sinn:
Die Best-Price Garantie der Börse Stuttgart ist zu bezweifeln.
Die
Market-Maker Garantie der Deutschen Bank ist zu bezweifeln.
Aus meinem ganzen Umfeld kamen anläßlich
dieses Falles mehrere hundert vergleichbare Fälle. Seit ca. 10 Monaten und quer durch viele Emittenten
(nicht nur die Deutsche Bank) tritt dieses Phänomen: "Wir müssen ja erst telefonieren!" auf. Oder
existiert wirklich eine Schublade im elektronischen Handel in Stuttgart? Das erscheint wenig
glaubhaft.
Wie immer im Leben lohnt es nicht, sich länger dem Ärger hinzugeben, denn Ärger ist
ein Armutsprogramm und verhindert die eigentlich wichtige Frage:
Welchen besonderen Vorteil
bietet mir gerade diese Situation?
Bevor wir diese Frage beantworten können, müssen wir einen
Blick auf die Konsequenzen werfen:
Die Zertifikate entwickeln sich deutlich in Richtung von
Optionsscheinen. Ihre Market-Maker Garantien schmelzen und auch die Absicherbarkeit durch Stops wird sich
im Ernstfall als trügerisch erweisen. Am Beginn einer Milchmädchenhausse steht zu erwarten, dass die
Risiken zunehmend auf den Kunden abgewälzt werden, und der Versuch von Abhilfe in leere Versprechungen
mündet.
Das bedeutet unter anderem: Bei einem zukünftigen Crash ist damit zu rechnen, dass
Stops auf Zertifikate wertlos sind. Wäre hier der Dax innerhalb von Stunden auf 6800 gefallen und hätte
der Emittent seine Telefonleitungen abgeschaltet oder den Kurs ausgesetzt, dann hätten Sie am Ende des
Tages einen Totalverlust erlitten. Auch die Schubladentheorie kommt zu demselben Ergebnis. Ich hoffe,
Ihnen ist klar, was das bedeutet.
Aber das Spiel geht noch weiter: Auch die Handelbarkeit von
Puts wird in ähnlicher Weise betroffen sein - was nützt Ihnen denn das Erreichen von Dax 6000, wenn Sie
den Put tage- oder wochenlang, oder im Fall einer Insolvenz eines Emittenten, garnicht zu Geld machen
können? Meines Erachtens kann auch der berühmte "Butterfly", der "Strangle" usw. keine Antwort auf diese
Situation sein.
Nein, es gibt nur eine funktionierende Antwort: Cash.
Jede Strategie mit
Derivaten muß zukünftig mit einem festen Prozentsatz Cash unterlegt werden. Da hilft es auch nicht, dass
Geld einerseits "zu haben" und auf der anderen Seite mit Wertpapierkrediten oder CFDs zu arbeiten. Dies
ist eine Milchmädchenrechnung - und dann wäre es besser, Sie würden gleich ein Milchmädchen heiraten,
denn am Ende wird nur die Liebe zählen.
Was ist der besondere Vorteil, der sich aus dieser
Situation für Sie ergibt?
1. Werfen Sie alle Scheuklappen fort und werden Sie sich bewußt,
dass Derivate ein reales Totalverlustrisiko beinhalten.
2. Lassen Sie den Staat bei diesem
Risiko mittragen.
3. Halten Sie genug Bargeld vor, um im Falle eines Crashs statt in Lähmung
in ein breites Grinsen zu verfallen: Sie steigen unten wieder ein und machen aus fast nichts ein
Vermögen.
4. Wenn ein Trade für Sie nur ein ganz, ganz kleines bisschen nach "Alles oder
Nichts" riecht (Sie also keinen überzeugenden Notfallplan haben), dann sollten Sie ihn nicht
durchführen.
Grüsse Doc