Schneeballsystem, Pyramidenspiel, Fliegerspiel, Geldvermehrungssystem und wie man es
sonst noch nennt. Man nehme sich bitte Kredite auf und tunke die ganze Verwandtschaft und den gesamten
Freundeskreis ins System ein, denn es ist eine 100%ig sichere Sache, wo es bis zum Schluß keine Verlierer
gibt.
(Am Schluß halt, aber so ist das laut dem Sprichwort "Den letzten beißen die Hunde." nun
mal)
Das Traurige für die, die noch rechtzeitig mit ihrem Einsatz und vielleicht sogar kleinem
Gewinn rauskonnten: Wie die Geschichte vom European Kings Club uns gezeigt hat, fordert der
Masseverwalter selbst von den glücklichen Gewinnern Beiträge zurück. Von allen einzeln, keiner kann klein
genug sein ...
Und in Albanien hat´s mal vor Jahren einen Bürgerkrieg gegeben, als das
Gelddrucken ohne Vorwarnung gestoppt worden ist und viele Verlierer sich an anderen (egal ob Gewinner
oder auch Verlierer) schadlos halten wollten.
Da leg ich mein Geld dann doch lieber in legalen
Geldvernichtungsmaschinen wie Jowood an
http://www.sueddeutsche.de/,wirl1/wirtschaft/artikel/932/66866/
"Wer da
mitkommt, kriegt die Chance seines Lebens"
Märchenstunde im Hotel
Schenkkreise sind eine besonders perfide Form der Abzocke, trotzdem nehmen Hunderttausende teil - die
Drahtzieher inszenieren den Traum vom großen Geld.
Von Reinhold Rühl
Gerhard Weßling*
hat es geschafft. Mit zitternden Händen greift der Juwelier aus Niederbayern nach den Plastikhüllen, die
ihm acht Mitspieler auf der Bühne überreichen. Lila Geldscheine schimmern durch die Folie. "Alles echt",
jubelt der Moderator, und die Menge im Saal tobt. "160 druckfrische 500-Euro-Scheine! Und das Schönste
daran ist: Garantiert steuerfrei!"
Gerhard Weßling teilt sich die 80.000 Euro mit einer
Partnerin. Sie sind nicht die Einzigen, die am letzten Adventssonntag, sechs Tage vor Weihnachten, noch
einmal Gebündeltes nach Hause tragen. "Insgesamt 13 Schenkungen haben wir heute", brüllt der Moderator
ins Mikro. "Acht am Vormittag, fünf am Nachmittag!" Wieder johlt die Menge. Nur die Türsteher am Eingang
des Hotelsaales schauen aufmerksam in die Runde.
"Zukunftsprojekt Deutschland" nennt sich die
illustre Veranstaltung, zu der seit Monaten jeden Sonntag über tausend Menschen nach München pilgern.
Hinter dem Namen verbirgt sich die jüngste Variante der so genannten Schenkkreise.
Wie die
wundersame Geldvermehrung funktioniert, zeigt der Moderator auf einer der vielen Papptafeln rechts und
links neben der Bühne. Sie tragen Namen wie "Bayern", "Sydney" oder "Lago di Garda". 15 Teilnehmer bilden
einen "Chart", der in Form einer vierstufigen Pyramide aufgebaut ist, die auf dem Kopf steht. "Hier ist
die Pole-Position", sagt Moderator Sascha Peters*, und deutet auf einen Kreis ganz unten auf der Pappe.
"Das ist inzwischen ein Massenphänomen"
"Dahin wollen wir alle." Aber um auf diese
günstige Position an der Spitze zu kommen, müssen die Teilnehmer an diesem imaginären Formel-1-Rennen
alle vier Stufen durchlaufen. Der Inhaber der Pole-Position wird von acht Neueinsteigern auf der obersten
Position beschenkt und scheidet aus dem Rennen aus. Die Pyramide teilt sich, beide Charts müssen nun
wiederum acht neue Teilnehmer finden. Sonst trocknet der Geldpool aus - der Einsatz ist weg.
Rein rechnerisch gesehen ist die Chance, selbst beschenkt zu werden, nur eins zu acht. "87,5 Prozent
gehen leer aus" hat die Mathematikerin Gisela Möllers ausgerechnet. Trotz dieser Erkenntnis verbreiten
sich derartige Spielsysteme in Deutschland wie ein Virus. "Das ist inzwischen ein Massenphänomen und geht
wellenartig durchs Land. Unerklärlicherweise fallen oft immer wieder dieselben Leute darauf herein", sagt
Edda Castello, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg.
Schätzungen sind schwierig,
aber es dürften in den letzten drei Jahren wohl mehr als eine Million Teilnehmer an Schenkkreisen
mitgespielt haben. Allein im Großraum Köln-Bonn sollen mindestens 10 000 Kreise aktiv gewesen sein. Das
sind bei jeweils 15 Teilnehmern in einem "Chart" immerhin 150 000 "eingeschriebene" Mitglieder.
Schenkkreise leben vom ständigen Zustrom neuer Teilnehmer. Bereits in der achten Runde sind 1024 neue
Mitspieler erforderlich, damit das Spiel nicht kollabiert; in der 18. Runde sind es über eine Million.
Ein klassisches Schneeballsystem, bei der ein Großteil der Mitglieder leer ausgeht und einige wenige, die
früh genug eingestiegen sind, den großen Reibach machen. Doch das verschweigt der Moderator
geflissentlich und fragt stattdessen die strahlenden Gewinner: "Habt ihr schon alle Weihnachtsgeschenke
gekauft?"
Reinhart Görtz kann sich dieses Jahr keine Geschenke leisten. Vor zwei Jahren hatte
der 60-Jährige 5000 Euro in einen Kölner Schenkkreis investiert - geborgtes Geld von Freunden. Denn Görtz
ist Hartz-IV-Empfänger.
Der ehemalige Freiberufler verschenkte die Scheine in der Hoffnung,
später den achtfachen Einsatz zu kassieren. "Es war der Strohhalm, an den ich mich geklammert habe." Was
Görtz damals nicht wusste: Im Raum Köln waren alle Schenkkreise längst zusammengebrochen. Nun ist das
Geld weg und Görtz weiß inzwischen, dass bei Schneeballsystemen stets "den letzten die Hunde beißen".
"Die Gier der Leute ist grenzenlos"
Trotzdem muss der Kölner seine 5000 Euro voraussichtlich
nicht abschreiben: Zu verdanken hat er dies dem Bundesgerichtshof. Der BGH verkündete am 11. November
2005: Wer an den "sittenwidrigen" Schenkkreisen teilgenommen habe, könne seinen Einsatz zurückfordern.
Denn dürften die Empfänger die Beträge behalten, würden die Initiatoren solcher Spiele
geradezu zum Weitermachen eingeladen. Auf dieses Urteil hat der Kölner Rechtsanwalt Erik Millgramm lange
gewartet, hatten doch die Gerichte bislang einen Rückforderungsanspruch stets abgelehnt. Millgramm, der
bereits mehr als 300 Geschädigte aus Schenk- und Herzkreisen vertritt, kann sich jetzt kaum noch vor
Anfragen retten.
Der Bedarf an Rechtsberatung scheint besonders im Rheinischen groß zu sein.
Hier verbreitete sich das Virus schon vor drei Jahren. Es wütete in Künstlerkreisen, infizierte
Villenbesitzer, steckte ganze Fußballmannschaften an. Es zog durch Hotels und Gastwirtschaften.
Wochenlang waren im Großraum Köln-Bonn kaum noch freie Tagungsräume zu mieten.
Das Virus hatte
viele Namen: "Herzkreise", "Tafelrunde", "Spiel des Lebens" oder "Sterntaler". Besonders oft versteckte
es sich hinter esoterischem Vokabular, das zum Schenken motivieren sollte: Wer bereit sei, 5000 Euro
loszulassen, hieß es, werde "Freiraum und Überfluss spüren"; der spätere Empfang von 40 000 Euro werde
als "Segnung" empfunden.
Auch von "gereinigter Geldenergie" und "morphogenetischen
Ge-dankenfeldern" war die Rede. Frauen sollten lernen, "alles, was es zu teilen gibt, miteinander zu
teilen", erinnert sich eine Kölnerin, die als Zaungast einer Herzkreis-Runde beiwohnte.
Esoterische Versatzstücke waren bei den Schenkkreistreffen im beschaulichen Waldbröl eher seltener zu
hören. Man kennt sich im 18 000-Seelen-Ort, eine knappe Autostunde entfernt von Köln. Schnell waren die
Treffpunkte in aller Munde. Im "Dorfhaus Grötzenbach" liefen "1000er Charts", in der romantischen
"Wintersbacher Mühle" stiegen die "5000er". Die Ziffern stehen für die Einsätze in Euro.
Mit
staunenden Augen sahen plötzlich kreuzbrave Waldbröler, wie im Wirtshaussaal kleine Vermögen ihre
Besitzer wechselten. Und wenn dann noch der Vereinskamerad beschenkt wurde, gab es für manchen kein
Halten mehr. "Die Gier der Leute ist grenzenlos. Dann setzt schnell der gesunde Menschenverstand aus",
sagt Stefan Wegener.
Der Gewerbehauptkommissar beim Berliner Landeskriminalamt ist Spezialist
für Schneeballsysteme, Pyramidenspiele und Kettenbriefe. Der Kommissar weiß, dass die Veranstalter solche
gruppendynamischen Prozesse "gezielt inszenieren". Bei Schenkkreisen wirke außerdem die
"Beziehungsfalle". Etwa wenn, wie in Waldbröl, auch erfolgreiche Geschäftsleute oder örtliche
Honoratioren in den "Charts" auftauchen.
Waldbröl war schnell ausgesaugt. Vergebens suchte
auch Christian Eilert*, Auszubildender in einer Heizungsbaufirma, weitere Interessenten. Dummerweise
hatte der 19-Jährige 1000 Euro an seinen Chef verschenkt. "Was sollte ich machen, der hat mich wochenlang
belabert", sagt er.
Heute, zwei Jahre nach dem Niedergang der Schenkkreise, sind in Waldbröl
viele Familien verfeindet, Nachbarn sprechen nicht mehr miteinander, manche Arbeitskollegen gehen sich
aus dem Weg. "Widerlich, welche Charaktereigenschaften plötzlich hier und da zu Tage treten", wunderte
sich ein Leserbriefschreiber im Lokalblatt. "Die einen rennen rum wie losgelassene Straßenköter, andere
geifern mit Haifischlächeln nach Neueinsteigern, andere schleimen, dass einem schlecht wird. Man sollte
sich gut merken, wie man von wem angesprochen wurde."
Wie sich neue Interessenten für
Schenkkreise ködern lassen, können Aktivisten des "Sonntags-Forums" derzeit auf Seminaren in München
lernen. "Nur nicht konkret werden", schärft Barbara Hochleitner* den Neulingen ein. "Am seriösesten kommt
rüber, wenn man nichts rauslässt." Wichtig sei nur die persönliche Einladung zu den Chart-Treffen, die
jeden Sonntag in einem Luxushotel stattfinden. "Wer da mitkommt, kriegt die Chance seines Lebens."
Und damit die auch keiner verpasst, ist in den Schulungsunterlagen gleich der Vordruck für eine
Namensliste enthalten - mit Spalten für "angerufen am" und "Wiedervorlage". Zweimalige Teilnahme an den
Schulungsabenden ist Pflicht für Neueinsteiger, ebenso die Unterzeichnung eines so genannten
"Dreizeilers", durch den sich der Interessent zur aktiven Mitarbeit verpflichtet.
Erst dann
darf der Neuling seinerseits Gäste einladen für den 45 Minuten langen Informationsvortrag unter dem Motto
"Lass Dich überraschen". Besonders werbewirksam ist dabei das "5-Gänge-Lunchbuffet", das jeden Sonntag
für bis zu 600 Besucher in den Hotels angerichtet wird.
Kostenfrei ist das aber nur für Gäste
und die niederen Chart-Positionen. Die Zeche zahlen alle Inhaber der Pole-Position. 400 Euro kostet das
Essengeld für einen Platz mit 10 000 Euro, bestimmen die Statuten. Manche verharren wochenlang auf diesem
Platz. Zahlen müssen sie das Buffet trotzdem. Kassiert wird auch für ungebührliches Verhalten. Wer
während des Vortrags den Saal verlässt, muss 50 Euro in die Gemeinschaftskasse zahlen. Denn auf andere
Gäste könnte das Verlassen des Saales "negative Einflüsse" ausüben.
Solche Regeln kommen
Kriminalkommissar Wegener ziemlich bekannt vor. "Das riecht geradezu nach einer organisierten Struktur."
Solche Jubelfeiern mit Musik, Schulungsleitern, Türstehern und knallharten Statuten zu veranstalten, ist
eigentlich strafbar. Nach Paragraf 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kann
"progressive Kundenwerbung" einen Veranstalter bis zu zwei Jahre hinter Gitter bringen. Auch Betrug kann
mit im Spiel sein, etwa wenn Beschenkungen durch leere Briefumschläge vorgetäuscht werden oder Insider an
den Chart-Positionen manipulieren. Aber bislang ist offenbar kein Polizist bei den Münchner Schenkkreisen
aufgetaucht.
Sascha Peters*, der in München das "Zukunftsprojekt Deutschland" moderiert,
weist solche Verdächtigungen ohnehin von sich. "Bei uns kann jeder sehen, wer an welcher Position steht,
hier wird nicht getrickst." Es gebe eine wöchentliche "Chartführer-Besprechung", und wer gegen die
"Statuten" verstoße, werde von der Veranstaltung rigoros ausgeschlossen. Besonders erwähnenswert findet
der Motivationsguru, dass "unser System von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern durchgecheckt wurde".
Tatsächlich findet sich in den Schulungsunterlagen das Kurzexposé einer Anwaltskanzlei im schwäbischen
Albstadt. Auf vier Seiten hat der Jurist hier "die Problematik der Schenkkreise in strafrechtlicher
Hinsicht untersucht" - selbstverständlich ganz im Sinne seiner Auftraggeber.
Deshalb sieht
sich auch Peters nicht als Veranstalter. Er moderiere lediglich, und zwar ohne Bezahlung. Allerdings
erstaunt es dann doch, wenn hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird, dass "der Sascha schon ziemlich oft
beschenkt wurde". Einmal sei er sogar an einem Tag bis zur Pole-Position durchmarschiert. Solche
Erfolgsstorys sind aus den Regionen, die das Schenkkreis-Virus bereits heimsuchte, immer wieder zu hören.
Rechtsanwalt Millgramm weiß von Moderatoren, die binnen weniger Wo-chen sechsstellig abkassierten. Sie
seinen die eigentlichen Drahtzieher der sittenwidrigen Systeme. "Diese Leute wissen, wo es sich lohnt
einzusteigen und wo bereits die Luft raus ist." Ist eine Gegend erst einmal abgegrast, eröffnen sie
einfach eine neue Region. Das Potenzial für Schenkkreise ist überall vorhanden. Besonders in Zeiten von
Hartz-IV.
Wahrscheinlich deshalb schreit Peters bei der Schenk-Party in dem Münchner Hotel ins
Mikro: "Wir müssen uns selbst helfen. Politiker lassen uns doch im Stich."
* Name von der
Redaktion geändert
(SZ vom 24.12.2005)