Der
Steuerakt eines EADS-Lobbyisten bringt manche Journalisten ins Schleudern. Heißt es der Akt oder die
Akte? Und wie lautet eigentlich die korrekte Mehrzahl?
"Eurofighter: Matznetter jetzt für
Herausgabe der Steininger-Steuerakte " – so konnte man es in der Überschrift einer APA-Meldung
lesen. Und weiter im Text: "Für Finanz-Staatssekretär Matznetter besteht kein Anlass mehr, die vom
Eurofighter-Untersuchungsausschuss angeforderten Steuerakten des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger
zu schwärzen und damit großteils unkenntlich zu machen. Im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag empfahl
Matznetter dem Ministerium, die Akten rasch ‚im geforderten Umfang‘ zur Verfügung zu stellen."
Eine Tageszeitung hat wie folgt getitelt: "Eurofighter: Koalitionskrach um die geschwärzten
Steuerakte !" Die Meldung selbst beginnt mit folgendem Text: "Neuer Koalitionskrach in der Causa
Eurofighter. Konkret um das Schwärzen und Weißen von Steuerakten ."
Ich gebe zu – das
Thema ist knifflig, man muss etwas weiter ausholen.
Die schriftlichen Unterlagen in einem
behördlichen, gerichtlichen oder geschäftlichen Vorgang bezeichnet man in Österreich mit einem maskulinen
Wort: der Akt . In Deutschland ist hingegen die feminine Form üblich: die Akte . Wie kam es
zu diesem Unterschied in der gemeinsamen Sprache der Deutschen und der Österreicher?
Das Wort
leitet sich von lateinisch agere ab, wobei mit acta , einem Mehrzahlwort, "das Verhandelte"
umschrieben wird. Die Einzahlformen sind Rückbildungen, wobei in Österreich das männliche Geschlecht
gewählt wurde, in Deutschland hingegen das weibliche. Es hat den Anschein, dass man in Deutschland
Verwechslungen mit der Akt (= Bild eines nackten Körpers) vermeiden wollte – ein Begriff, der im
18. Jahrhundert in der Malerei erstmals auftaucht. Auch dabei ist lateinisch agere Pate
gestanden.
Wir können damit den ersten Teil der Übung abschließen, wobei man sagen muss, dass
in den österreichischen Zeitungen in der Einzahl meist ohnedies der Akt verwendet wird – mit
Rücksicht auf die Gepflogenheiten des österreichischen Deutsch. Die Akte klingt in unseren Ohren
fremd.
Da der Akt eine "Sammlung von schriftlichen Unterlagen" ist, könnte man auf die
Mehrzahlbildung im besprochenen Fall durchaus verzichten, es sei denn, man will zum Ausdruck bringen,
dass es sich um mehrere derartige Sammlungen handelt – beispielsweise für jedes Steuerjahr eine eigene.
Damit beginnt das eigentliche Problem.
Das Wort der Akt hat nämlich folgende
Mehrzahlbildungen: 1. Fall: die Akten, 2. Fall: der Akten, 3. Fall: den Akten, 4. Fall: die Akten. Es
wird also nach dem Muster der Staat/die Staaten, der Strahl/die Strahlen dekliniert.
Im
deutschen Deutsch, wo es in der Einzahl die Akte heißt, sehen die Mehrzahlformen genauso aus: 1.
Fall: die Akten, 2. Fall: der Akten, 3. Fall: den Akten, 4. Fall: die Akten.
Anders hingegen
die Mehrzahl von der Akt (= Bild eines nackten Körpers): 1. Fall: die Akte, 2. Fall: der Akte, 3.
Fall: den Akten, 4. Fall: die Akte.
Der Akt bedeutet im gesamten deutschen Sprachraum
nicht nur "Bild eines nackten Körpers", sondern auch "Handlung, Vorgang, Tat" (z. B.: rechtswidrige
Akte), "Feierlichkeit, Zeremonie" (z. B.: die Festakte zogen sich hin) und "abgeschlossene Einheit eines
Bühnenstücks" (z. B.: das Stück hat drei Akte).
Das alles ist ziemlich verwirrend. Hier eine
einfache Gedächtnisstütze: Wenn es um eine Sammlung geschwärzter Schriftstücke der Finanz geht, muss es
der Akt/die Akten heißen. Wir sagen ja auch der Aktenkoffer, die Aktenberge etc. Lässt ein
EADS-Lobbyist die Hose runter, um sein nacktes Hinterteil vor den Fotografen zur Schau zu stellen, dann
heißt es hingegen der Akt/die Akte . Das ist gleichzeitig ein Akt der Unhöflichkeit.
Sprachspaltereien sind das, Hagen, ich verwende sicherheitshalber weder Akt noch Akte
Nächste Spalterei: Wenn ein Anrainer ein Gebiet nach sich selbst benennt, ist das besitzergreifend
oder dient das lediglich der Orientierung? Rein gefühlsweise.
Also wenn ein Haus "Vecerniceks
Haus" heißt, dann hat das gefälligst kein anderer ohne meine Erlaubnis zu betreten. Und wenn ein
Uhrwaschel "Vecerniceks Uhrwaschel" heißt, hat da keiner hinzugreifen. Punktum, Basta!
Beim
Meer meint man, das sei ja nicht so gemeint (jedenfalls nicht im Moment), daß man da Besitz ergreifen
möchte, über die Benennung.
Gibt es ein Italienisches Meer? Ein Griechisches Meer? Ein
Türkisches Meer? Ein Meer der Vereinigten Staaten von Amerika? Ein Russisches Meer?
Komisch,
lauter Staaten, die am Meer liegen, warum melden die nicht ganz laute Ansprüche auf Benennung des
angrenzenden Meeres nach ihren Staaten an?
Nun, nicht jede Benamsung muß besitzergreifend sein, sonst ginge Indien bis Afrika und Australien. Aber
sobald sich die Politik in die Kartographie einmischt, wird es natürlich gefährlich; wir kennen das ja
aus Kärnten, wo jeder Haček (oder eher strešica) auf öffentlichem Grund als Hochverrat empfunden
wird.