Ich teile deine Beobachtungen. Die autoritären Tendenzen sind unübersehbar geworden.
Die Ausrufung eines postfaktischen Zeitalters – die Ablehnung von Fakten und Wissenschaft – zeigt diese
Entwicklungen sehr deutlich. Meiner Meinung nach liegt ein wesentlicher Grund für diese Tendenzen darin,
dass bestimmte Gruppen Ansprüche an die Gesellschaft durchsetzen wollen, die im Widerspruch zu einer sich
verändernden Welt stehen. Ansprüche, die ihre Form in Gesetzen finden, die quasi für die Ewigkeit
geschaffen wurden. Es soll von Bestand sein, was nicht von Bestand sein kann und so bleibt es nur eine
Frage der Zeit, bis den Gesetzen die Sinngrundlange entschwindet. Dem Wandel stellt sich nun die
autoritäre Tendenz entgegen, die sogenannte Errungenschaften erhalten will, die nicht erhalten werden
können. Dabei verkennt die autoritäre Tendenz, die einzige für den Menschen gültige Autorität: Die Natur.
Folglich sucht die autoritäre Tendenz ihre Legitimität nicht in Fakten oder der Wissenschaft. Stattdessen
wird Falsches zur treibenden Kraft für die Bildung von Erwartungssicherheit, indem Unsicherheit durch
sicher erwartbare Regeln neutralisiert wird und so als Gesetze in die Gesellschaft eingebaut werden.
Solcher Art wirklichkeitsfremde Regeln können nur von einem autoritären Regime exekutiert werden, das
sich jedes Korrektivs entledigt hat.
Wer die Legitimität für das Heute mit Geschichte
begründen möchte, dem sei gesagt, dass Geschichte keine kausalen Zusammenhänge begründen kann. Den
Ereignissen könnte noch Tatsachencharakter zugeschrieben werden, doch die Wirkungen auf das Heute bleiben
Konstruktionen. Jede Epoche schreibt sich ihre eigene Geschichte, das Heute spiegelt sich im Vergangenen
wider und nicht umgekehrt. Die heutige historische Perspektive beschreibt hauptsächlich eine Perspektive
der Macht. Zukünftige Generationen werden gänzlich andere Perspektiven entwickeln können und zwar weil
die IT-Revolution mit ihrer Menge an Information zu völlig neuen Einsichten führen wird. Neue Einsichten,
die historisch-begründete Ansprüche widerlegen werden.
>Folglich sucht die autoritäre Tendenz ihre Legitimität nicht in Fakten oder der Wissenschaft.
muss sie auch nicht wie ich meine, die (politische) autoritäre tendenz findet ihre
legitimation in der (menschlichen) natur, der wie du richtig feststellst einzig allgemeingültigen
autorität. einer meiner uraltsprüche: "die demokratie ist gut, aber gegen die menschliche natur" (sorry
bin darwinist).
die autoritäre tendenz ist nicht intentionell man made, sie gestaltet sich
vielmehr durch eigendynamische entwicklungsprozesse. der wandel von demokratisch zu autoriär scheint
friedlich möglich zu sein, umgekehrt wohl nicht ohne rebellion. autoritäre tendenz kann und wird sich
aber nicht ohne zustimmendes abnicken durch eine mehrheit in der bevölkerung behaupten können. ich
persönlich sehe daher die autoritäre tendenz nicht als ein produkt politischer willkür, sondern als
wirkung auf ursache. ursache ist die fortschreitende dekadenz in der tabugeschützten idealisierung
unseres demokratischen systems, die zur folge hat, dass der unzufriedene mensch jeder angebotenen
alternative, die besserung verspricht, den vorzug geben wird. und wenn es autokratie sein muss, dann soll
es so sein. das böse erwachen kommt ohnehin erst der nächsten generation.
was auch immer
kommen mag, ich bin davon überzeugt, dass es für idealismus und autokratismus ein pragmatisches
nebeneinander geben kann. die politikwissenschaft wird eben neu zu schreiben sein, und vielleicht in dem
begriff "autodemokratie" ihre bereicherung finden.....?
>was auch immer kommen mag, ich bin davon überzeugt, dass es >für
idealismus und autokratismus ein pragmatisches >nebeneinander geben kann. die politikwissenschaft
wird eben >neu zu schreiben sein, und vielleicht in dem begriff >"autodemokratie" ihre
bereicherung finden.....? >
Unsere Beobachtungen mögen dasselbe zeigen, aber die
Schlussfolgerungen sind andere. Ich halte dein Zukunftsbild für zu optimistisch. Meiner Erfahrung nach
verträgt Autorität keinen Widerspruch, da ihr die Fähigkeit für die Auflösung von Dissonanzen fehlt. Die
Herausbildung von autoritären Strukturen stellt meiner Meinung nach ein Zeichen von Schwäche dar, schwach
und unfähig im Umgang mit dieser Welt und ihren Veränderungen. Verschiedenes wird durch Gleichschaltung
eliminiert und man erfreut sich der täglich erfahrenen Selbstbespiegelung.
Es stimmt wenn du
von Prozessen sprichst. Die Entwicklungen sind systemisch, die Autopoiesis der Autokratie hat ihre
Voraussetzungen gefunden. Voraussetzungen, die die demokratische Politik selbst geschaffen hat. Ich
denke, im Wesentlichen ist es der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik. Es ist wie beim Geld,
wenn ich nicht darauf vertrauen kann, dass ein Dritter gegen Vorlage des Papierscheins leistet, dann
nehme ich den Schein nicht an. So sind nicht wenige Erwartungshaltungen hochgradig unsicher geworden. Die
Existenzberechtigung eines politischen Systems liegt darin, inwiefern es Erwartungssicherheit herstellen
kann. Gelingt ihm das nicht, verliert es seine Legitimation. Die Krux mit der Demokratie liegt nun darin,
dass die Politiker mit leeren Versprechungen leicht Wahlen gewinnen können. Von diesen leeren
Versprechungen gab es in den letzten Jahrzehnten zu viele, wie ich meine. Es wurden Erwartungshaltungen
aufgebaut, die sich immer mehr als nicht erfüllbar herausstellen. Die Schuld an all dem trifft nicht
primär die Politik, sondern die, die diese Prozesse unterstützten. Sogleich entschulde ich den Souverän –
das Volk – wieder und zwar wegen seiner mangelnden Reife zu nachhaltigen Entscheidungen, es fehlt einfach
an der Kompetenz im Umgang mit Komplexität. Ich will die Demokratie nicht schlecht reden, aber wir
brauchen Maßnahmen, die die Mängel der menschlichen Natur abfangen können. Wer dagegen nach der
Autokratie ruft, der treibt den Teufel mit dem Belzebuben aus.
Anbei ein Link zu einem Artikel
im Spiegel mit dem Titel „Klimaforscher in den USA bringen ihre Daten in Sicherheit“ mit dem ich meine
obigen Ausführungen praxisbezogen verdeutlichen möchte.
>Wer dagegen nach der Autokratie ruft, der treibt den Teufel mit dem Belzebuben aus.
wie schon gesagt, niemand ruft. es ist ein eigendynamischer prozess der veränderung, dem sich jeder
interessierte zu stellen hat, sowohl als befürworter als auch als gegner.
die autokratische
tendenz über die wir sprechen, verstehe ich nicht als anfag vom ende der demokratie, oder als aufbruch
richtung diktatur. ich sehe nicht politiker in der verantwortung die tendenz ausgelöst zu haben, ebenso
nicht bestimmte kräfte aus dem volk. wie du schon erwähnt hast, ist es die technologie die durch
unbegrenzte verbreitung von information teile des volkes überfordert und mangels verständlichkeit
vielfach verunsichert hat. so wuchsen rasch die fruchtbaren weidegründe des populismus, mit seinen
einfachen lösungen für einfache menschen.
de facto ist eine politische tendenz nur schwer
gewaltlos aufzuhalten wenn sie im volk illusionen bedient und emotionen schürt. ich bin kein
wissenschaftler, kann nur sagen was ich sehe und denke. deine ablehnende haltung gegen autokratie kann
ich nachvollziehen, aber nicht unbedingt teilen, dazu ist der fortschreitende eignungsverlust unseres
demokratischen systems in vielen bereichen zu offensichtlich. so manche regierungen haben das kommando,
die kontrolle, die handlungsfähigkeit verloren, einfach gesagt, sie haben die macht verloren, teilweise
an medien und mob abgegeben.
warum wohl herrscht autokratie in so vielen bereichen, wo
menschen sich grossteils freiwillig für wohlstand und sicherheit einsetzen, in bereichen wo erfolg
prinzipiell alternativlos ist? (wirtschaft, militär, seefahrt, flugverkehr, feuerwehr, exekutive etc).
ist es logisch, dass menschen in vielen ihrer berufe ein system bereitwillig mittragen, welches
sie in ihrem privaten leben teilweise fanatisch bekämpfen? ich denke es ist logisch, weil systeme immer
zweckgebunden sind.
>Anbei ein Link zu einem Artikel im Spiegel mit dem Titel „Klimaforscher in den USA bringen >ihre Daten in Sicherheit“ mit dem ich meine obigen Ausführungen praxisbezogen verdeutlichen
möchte.
angst ist kein guter berater. trump ist als mann der wirtschaft den umgang mit
autokratischen strukturen gewohnt. in den politischen medien wird er als autokrat gehandelt, wobei nicht
ganz klar ist ob trump ad personam gemeint ist, oder die nächste regierung, die nach langem wieder mit
kongress und senat in erhöhter handlungsfähigkeit, an einem strick ziehen wird. dennoch herrscht
weiterhin demokratie die sicherstellt, dass auch innerhalb einer autokratisch durchstrukturierten
regierung die effekte der meinungsvielfalt bestehen bleiben.
die fragen zum klimawandel gehen
uns alle an. jedoch ist alles was wir bisher wissen: es wird wärmer, der wasserspiegel steigt. die
meisten der verfügbaren expertisen erscheinen spärlich, wage, theoretisch, widersprüchlich, hypothetisch,
spekulativ, politisch gefärbt, u.v.m. ich persönlich nehme die warnungen ernst, bin aber (noch) nicht in
der lage, andersdenkenden den respekt zu verweigern, wenn sie meinen die überheblichkeit des menschen sei
grenzenlos, wenn er glaubt die natur beeinflussen zu können.