Palfinger-Chef Herbert Ortner über Wirtschaftskrise, Umsatzrückgang, Kurzarbeit und das laufende Jahr
"Schlechtestes Jahr seit langer Zeit"

Palfinger hofft auf Aufschwung ab der Jahresmitte.
Derzeit sind keine Werksschließungen geplant.

"Wiener Zeitung": Das letzte Jahr ist für Palfinger nicht so toll gelaufen …
Herbert Ortner: … sagen Sie. Ich bin mit 2008 sehr zufrieden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren extrem schwierig, wir sind stark von der Bauindustrie abhängig, Palfinger ist ein absoluter Frühzykliker. Uns trifft der Abschwung immer schon, wenn ihn andere noch gar nicht spüren. Bei uns ist der Auftragseingang – beginnend in den USA – schon Mitte 2007 zurückgegangen. Trotzdem haben wir eine Umsatzsteigerung von 14 Prozent zusammengebracht und deutlich Marktanteile gewonnen.

Dennoch ist das Ergebnis, egal welche Parameter man heranzieht, zwischen 30 und 40 Prozent zurückgegangen.

Das ist richtig. Trotzdem sind wir eines der wenigen Unternehmen, das in dieser Wirtschaftskrise noch ein positives Ergebnis erwirtschaftet. Wenn die Märkte weltweit um 40 oder 50 Prozent einbrechen, kann auch Palfinger nicht Umsatz und Ergebnis steigern.

Für uns geht jetzt vor allem darum, wie wir uns im Vergleich zur Konkurrenz entwickeln: Gewinnen wir Marktanteile in dieser Krise, sind wir profitabler, können wir besser durchtauchen, gehen wir gestärkt aus der Krise hervor, oder gehören wir zu den Unternehmen, die sogar zusperren müssen? Und diesbezüglich bin ich eigentlich sehr zufrieden.

Das laufende Jahr wird aber noch einmal einen deutlichen Ergebnisrückgang bringen.

Ja, 2009 wird sicher das schlechteste Jahr seit langer, langer Zeit. Mittlerweile gibt es weltweit keine einzige Wirtschaftsregion, die noch gut dasteht oder wo Steigerungen möglich sind. Einzelne Märkte wie Großbritannien oder Spanien sind sogar kollabiert.

Zur Person
Herbert Ortner wurde 1968 geboren. Bis 2001 war er bei der Semperit AG als weltweiter Geschäftsbereichsleiter für Industrieschläuche tätig und wechselte dann zur Palfinger AG, wo er vorerst das Ersatzteil-, Service- und Zubehörgeschäft ausbaute. 2003 wurde er in den Vorstand des Unternehmens berufen und übernahm die Marketing- und Vertriebsagenden. Seit Juni vergangenen Jahres ist er Vorstandsvorsitzender.

Überall dort, wo die Immobilienkrise massiv sichtbar ist, hat es unsere Branche getroffen. Oberste Prämissen sind, einen operativen Cashflow zu erzielen und beim Ergebnis, wenn möglich, den Break-even zu erreichen.

Das klingt pessimistischer als ihr Ausblick vor einem Monat bei der Bilanzpräsentation. Da haben Sie für 2009 ein positives Ergebnis in Aussicht gestellt und nicht bloß "wenn möglich, den Break-even zu erreichen".

Unsere Prognose gilt weiterhin. Sogar wenn die Märkte noch einmal 20 Prozent einbrechen, wovon ich jetzt aber nicht ausgehe, bin ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nach wie vor den Break-even erreichen.

Sie haben vor einigen Wochen gesagt, Sie gehen davon aus, dass der Tiefpunkt des Abschwungs Mitte 2009 erreicht sein sollte. Mittlerweile haben viele Ökonomen ihre Prognosen revidiert und den Zeitpunkt für den Beginn des Aufschwungs nach hinten verschoben.

Aufgrund der Tatsache, dass wir ein absoluter Frühzykliker sind, dass wir in der Krise jetzt Marktanteile gewinnen und uns besser entwickeln als die Konkurrenz und weil ich hoffe, dass die mittlerweile weltweit angekündigten Infrastrukturprojekte irgendwann zu greifen beginnen, bin ich optimistisch, dass der Tiefpunkt für Palfinger im zweiten Halbjahr überschritten sein sollte.

In Zeiten rückläufiger Verkaufszahlen wird oft mit kurzfristigen Preisnachlässen agiert, was wohl bedeutet, dass Ihre Margen weiter schrumpfen werden?

Klar, das wird weitergehen. Wir sehen in einzelnen Märkten Preisdruck, aber einen flächendeckenden Preiskampf erwarten wir nicht. Unser Markt ist schon stark konsolidiert.

Wir haben zwischen 30 und 35 Prozent Marktanteil, dann gibt es zwei Mitbewerber mit 20 bis 25 Prozent Marktanteil. Diese drei Player waren nie Preiskämpfer. Das wäre auch verrückt, denn wenn wir das Preisniveau senken, dauert es Jahre, bis wir da wieder herauskommen.

Ihre Margen sind auch deshalb gesunken, weil Sie durch Akquisitionen das Produktportfolio erweitert haben. Normalerweise versuchen Unternehmen eher das Gegenteil, nämlich in Produktsegmente mit besseren Margen vorzustoßen.

Der Lkw-Knickarmkran ist zu 80 Prozent von der Bauindustrie abhängig. Immer, wenn es der Bauindustrie gut geht, geht es auch Palfinger gut. Geht es der Bauindustrie schlecht, geht es uns schlecht. Deswegen haben wir vor fünf, sechs Jahren einen Strategiewechsel vollzogen und in verwandte Bereiche wie die Recycling-, Transport-, Logistik- und Lebensmittelindustrie diversifiziert.

Wir gehen aber nur in Segmente, wo wir unsere Kernkompetenzen ausspielen können: Hydraulik, Elektronik, Stahlbau und unser Vertriebs- und Servicenetzwerk. Dass das Anfangsinvestitionen erfordert, ist klar. In diesen Produktbereichen sind die Margen noch nicht dort, wo sie im Kranbereich sind, weil diese Märkte noch nicht konsolidiert sind.

Weil sich noch 50 Unternehmen tummeln, die ums Überleben kämpfen. Das ist eine langfristig orientierte Strategie.

Palfinger ist zwar in seiner Kernbranche ein wichtiger Player, branchenübergreifend betrachtet aber kein sehr großes Unternehmen. Wird Palfinger die Krise als selbstständiges Unternehmen überstehen?

Definitiv. Wir sind in unserer Branche Marktführer, verfügen selbst in Zeiten wie diesen über 50 Prozent Eigenkapitalquote und haben mit der Familie Palfinger einen sehr stabilen und langfristig orientierten Hauptaktionär, der meines Wissens kein Interesse hat zu verkaufen.

Allerdings haben Sie die Dividende kräftig zusammengestrichen, was auch einen Großaktionär meist nicht freut. Und die Börsenkapitalisierung beträgt nur noch rund 260 Millionen Euro. Da könnte sich ein größerer, finanzkräftiger Konzern durchaus zu einem Angebot an die Familie Palfinger versucht sehen.

Das ist eine Frage, die Sie der Familie Palfinger stellen müssten. Ich kann nur sagen, dass ich die Eigentümerfamilie als sehr langfristig orientierten Investor kennengelernt habe und keine Anzeichen sehe, dass, egal wie hoch ein allfälliges Übernahmeangebot auch sein sollte, die Familie Aktien verkaufen will.

Ihre Streubesitzaktionäre, die 35 Prozent des Unternehmens besitzen, werden mit der Kursentwicklung allerdings sicher nicht zufrieden sein. Der Kurs ist von über 40 auf unter 8 Euro gefallen.

Das ist absolut richtig, gilt im Moment aber für 99 Prozent aller börsenotierten Unternehmen. Die Kursrückgänge waren immens.

Ich glaube aber nicht, dass unter unseren Investoren viele sind, die jetzt Interesse haben, zu diesem Kursniveau größere Aktienpakete zu verkaufen. Es ist doch die Hoffnung da, dass nach diesem dramatischen Kursrückgang der letzten ein, zwei Jahre irgendwann auch eine Gegenbewegung stattfinden sollte.

Die Familie Palfinger könnte den Streubesitzaktionären ein Abfindungsangebot machen.

Auch das ist eine Frage, die Sie der Familie und nicht dem Vorstand stellen müssten. Soweit mir bekannt ist, besteht beim Hauptaktionär zurzeit aber weder Interesse, Anteile abzugeben, noch, sich von der Börse zurückzuziehen.

Viele österreichische Unternehmen klagen über die mangelnde Finanzierungsbereitschaft der heimischen Banken, orten eine Kreditklemme und verschärfte Bonitätsprüfungen. Machen Sie ähnliche Erfahrungen?

Es ist eine Tatsache, dass Banken das Thema Risikomanagement nun intensiver betreiben. Es gibt genauere Analyse der Zahlen, oftmalige Besprechungen, das ist so. Es stellt sich allerdings heraus, dass es Institute gibt, die nach wie vor Entscheidungen treffen und schnell Kredite vergeben, und andere Banken, wo es sehr, sehr lange dauert.

Der allgemeine Eindruck ist, dass vor allem die größeren regionalen Banken, die oft die Unternehmen besser kennen, derzeit schneller entscheiden und eher bereit sind, Finanzierungen zur Verfügung zu stellen.

Da halte ich mich mit spezifischen Qualifizierungen zurück. Es ist aber nicht mehr so, dass alle Banken schnell, unbürokratisch und mit relativ wenig Aufwand Kredite vergeben. Wir sehen zwar keine Kreditklemme, aber die Kreditbeschaffung ist schwieriger und aufwendiger geworden.

Sie wurden erst kürzlich Vorstandsvorsitzender von Palfinger. Hätten Sie sich eine andere Zeit gewünscht, um den Job zu bekommen?

Fragen Sie mich in drei Jahren wieder! Man kann sich den Tag nicht aussuchen, und natürlich würde ich lieber arbeiten, wenn die Märkte boomen. Wachstum zu managen ist immer leichter als Rückgang zu managen. Sie haben den gleichen Stress, gleich viele Meetings, arbeiten genauso viel, nur ist es ein Unterschied, ob es darum geht, ein Werk zu kaufen und 100 Leute einzustellen oder zu kündigen.

Andererseits bin ich schon neun Jahre bei Palfinger und fünf Jahre im Vorstand, somit kenne ich das Unternehmen im Detail. Jetzt in diese Position von außen zu kommen, ohne das Unternehmen, die Branche und den Markt zu kennen, wäre noch viel schwieriger. Es gibt zwei Möglichkeiten: Traurig zu sein, den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, oje, die Welt ist so schlimm, warten wir ab, dann wird alles wieder gut. Oder zu sagen, wir sind gut aufgestellt und nützen die Chance, wir haben das beste Vertriebs- und Servicenetzwerk und die beste Bilanzstruktur in unserer Branche, nützen wir die Chance zu konsolidieren. Wir haben mit Abstand die besten Mitarbeiter, und das ist der wichtigste Erfolgsfaktor.

Allerdings müssen Ihre Mitarbeiter im Augenblick alle kurzarbeiten.

Ich bin froh, dass wir in der Lage sind, derzeit noch hauptsächlich mit Kurzarbeit über die Runden zu kommen und nicht Tausende entlassen müssen …

Sie haben aber auch Kündigungen ausgesprochen.

Wir mussten leider einige Kündigungen aussprechen, aber im Vergleich zu unseren Mitbewerbern extrem wenige. Wir hatten den Vorteil, dass wir durch Leasingarbeiter eine gewisse Flexibilität hatten.

Überlegen Sie, einzelne Werke zu schließen?

Aus heutiger Sicht nicht. Wir haben im Moment zu viel Kapazität, sind aber sehr langfristig orientiert. Wir haben unsere Produktionskapazitäten ja aufgebaut, weil wir die Märkte gesehen haben, die langfristig wachsen. Man kann ein Werk nicht für ein Jahr schließen und dann wieder aufsperren. Der Markt verschwindet nicht, unsere Produkte werden in Zukunft nachgefragt, wir gewinnen sogar Marktanteile. Ich bin überzeugt, dass wir mittelfristig diese Kapazitäten wieder brauchen. Daher vermeiden wir kurzfristige Werksschließungen.

http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=4103&Alias=wzo&cob=404793