Strabag-Klage in Russland: Kläger will Strabag-Aktien loswerden
Russische Wirtschaftszeitung
veröffentlichte Details: Russischer Strabag-Aktionär will Schadenersatz und Übertragung seiner
Strabag-Aktien an die russische Raiffeisenbank
Ein Gericht im russischen Kaliningrad wird sich
am Mittwoch erneut mit der Klage des russischen Strabag-Aktionärs Rasperia gegen den österreichischen
Konzern und dessen Aktionäre beschäftigen. Details zur Klage, die auch die Raiffeisenbank Russland
tangiert, wurden vergangene Woche von der Moskauer Zeitung "Wedomosti" veröffentlicht: Rasperia will
nicht nur Geld, sondern auch gerichtlich erzwingen, dass ihre Strabag-Anteile von der russischen
Raiffeisenbank übernommen werden.
Die ehemals vom russischen Oligarchen Oleg Deripaska kontrollierte
Rasperia Trading Limited begehre von den Beklagten zwei Milliarden Euro, die sich aus dem Grundkapital
der Strabag, nicht ausbezahlten Dividenden und Zinsen zusammensetzten, schrieb die Wirtschaftszeitung am
vergangenen Mittwoch mit Verweis auf "Materialien" der Causa. Die geforderte Summe solle dabei bei der
russischen Raiffeisenbank lukriert werden. An die Bank, die nach einer einstweiligen Verfügung im Rahmen
dieses Verfahrens derzeit nicht verkauft werden darf, soll nach der Forderung der Klägerin gleichzeitig
zudem das Eigentumsrecht an den von Rasperia gehaltenen Strabag-Aktien übertragen werden. Dem Wesen nach
solle der geplatzte Deal vom Mai 2024 durchgeführt werden, kommentierte "Wedomosti".
Die
RBI hatte zwischen Dezember 2023 und Mai 2024 mit ihrer russischen Tochterbank den Plan verfolgt,
Rasperias Strabag-Anteile zu übernehmen und sie von der Raiffeisenbank Russland als Sachdividende an den
RBI-Mutterkonzern zu übertragen. Wenige Tage, nachdem dieses Vorhaben von der RBI im Zusammenhang mit
Sanktionsrisken aufgegeben worden war, sanktionierten die USA und die EU auch Rasperia selbst. Diese
Firma war in der Vergangenheit lange Zeit vom russischen Oligarchen Oleg Deripaska kontrolliert worden,
der sie jedoch im März 2024 an eine russische Firma mit unbekannten Eigentümern abtrat. Deripaska war
bereits im April 2022 im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von der EU
sanktioniert worden. Dies hatte damals dazu geführt, dass Rasperia aus sanktionsrechtlichen Gründen als
Aktionär der Strabag im Baukonzern praktisch entmachtet wurde.
Rasperia habe in der Klage
beantragt, das russische Gericht möge "im Obsiegensfall und der erfolgreichen Vollstreckung eines
Urteils" die Eigentumsrechte der Raiffeisenbank Russland an den Strabag-Aktien feststellen, bestätigte
der APA am Dienstag auch ein RBI-Sprecher. "Es versteht sich von selbst, dass das Urteil eines russischen
Zivilgerichts die Sanktionsverfangenheit der von Rasperia gehaltenen Strabag-Aktien nicht aufheben
würde", erklärte er. Auch sei festzuhalten, dass die Raiffeisenbank Russland Teil der RBI-Gruppe sei und
nicht von der Strabag-Aktionärin Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien kontrolliert werde, betonte der
RBI-Sprecher.
Laut "Wedomosti" hat Rasperia seine Forderungen gegen die russische
Raiffeisenbank damit begründet, dass diese RBI-Tochter in Russland Vermögen einer "Raiffeisen-Gruppe"
sei, das "hinter einer Firmenstruktur vor russischen Schuldnern böswillig versteckt" werde. Zu dieser
"Gruppe" zähle Rasperia auch die in Kaliningrad ebenso beklagte Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien,
die anders als die Raiffeisenbank Russland auch tatsächlich Aktien der Strabag hält. Formal ist die
Raiffeisen-Holding Niederösterreich Eigentümer der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die
ihrerseits 25 Prozent an der Raiffeisen Bank International (RBI) hält. Letztere ist der Mutterkonzern der
Raiffeisenbank Russland.
Die ehemalige Gesellschaft von Deripaska versuche ihre Probleme, die
durch einen gescheiterten Verkauf ihrer Strabag-Anteile entstanden seien, auf die russische
Raiffeisenbank abzuwälzen, zitierte "Wedomosti" vergangene Woche den Anwalt der Bank, Andrej Timtschuk.
Der Wirtschaftsjurist hatte zuletzt eine öffentliche Verhandlung der Causa beantragt, über die am
Mittwoch entschieden werden dürfte. Aktiv wurde Anfang der Woche auch die beklagte Strabag selbst: Am
Montag reichte der Baukonzern laut russischem Gerichtsregister schriftliche Kommentare zur Rasperia-Klage
ein. Details zu seiner Positionierung im Verfahren will der Konzern nicht verraten. "Wir werden das
laufende Verfahren nicht weiter kommentieren", erklärte eine Strabag-Sprecherin der APA am Dienstag.
Von der russischen Zeitung befragte Wirtschaftsjuristen sahen unterschiedliche
Erfolgsperspektiven der Klage. Im Zusammenhang mit der aktuellen russischen Praxis werden Rasperia unter
anderem "einigermaßen gute Chancen" eingeräumt, Schadenersatz von der an der Strabag nicht beteiligten
Raiffeisenbank Russland einzuklagen. Erwähnt wurden dabei Beispiele, dass russische Tochterbanken für
Schulden ihrer internationalen Mutterkonzerne aufkommen mussten. In Bezug auf die verlangte
Zwangsübernahme von Rasperias Strabag-Aktien durch die RBI-Tochter sah ein Wirtschaftsjurist indes eine
"schwierigere Situation". Eine derartige Möglichkeit sei im russischen Zivilrecht nur in Ausnahmefällen
möglich. Ein weiterer Experte wollte dieses Szenario gleichzeitig nicht ausschließen. Dass in Österreich
eine derartige russische Gerichtsentscheidung zur erzwungenen Übertragung von Strabag-Aktien nicht
umgesetzt würde, spiele für das Gericht in Russland keine Rolle, erläuterte er.