Schwache Investitionstätigkeit bremst Kreditnachfrage von Unternehmen
Österreich-Ergebnisse
der euroraumweiten Umfrage über das Kreditgeschäft vom Juli 2024 (Bank Lending Survey)
Seit
dem vierten Quartal 2022 sinkt die Nachfrage nach Unternehmenskrediten. Nach wie vor fehlen der
österreichischen Konjunktur Wachstumsimpulse aus der unternehmerischen Investitionstätigkeit. Bei
privaten Wohnbaukrediten zeichnet sich seit dem ersten Quartal 2024 hingegen eine moderate Erholung der
Kreditnachfrage ab – ausgehend von einem historischen Tief nach starken Nachfragerückgängen in den
eineinhalb Jahren davor. Hintergrund der moderaten Erholung sind Verbesserungen bei der Leistbarkeit
infolge steigender Realeinkommen und leicht sinkender Finanzierungskosten. Das zeigen die Ergebnisse der
vierteljährlichen Umfrage der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) über das Kreditgeschäft, in der
führende Banken nach ihren Einschätzungen gefragt werden. Die aktuelle Umfrage wurde im Juni 2024
durchgeführt.
Nachfrage nach Unternehmenskrediten sinkt das siebte Quartal in Folge
Die Kreditnachfrage von Unternehmen ist im zweiten Quartal 2024 neuerlich gesunken. Damit verlängerte
sich der seit dem vierten Quartal 2022 bestehende Abwärtstrend. Eine persistente Nachfrageschwäche
besteht insbesondere bei langfristigen Krediten zur Investitionsfinanzierung. Neben der abnehmenden
Investitionstätigkeit der Unternehmen haben vor allem die hohen Finanzierungskosten die Kreditnachfrage
gebremst.
In den Umfrageergebnissen zeigt sich seit 2022 eine zunehmend angespannte
Risikosituation. Die Risikoeinschätzung der Banken hinsichtlich allgemeiner Wirtschaftslage und
Kreditwürdigkeit der Unternehmen hat sich nach und nach verschlechtert und dementsprechend restriktiv auf
das Kreditangebot ausgewirkt. Die Banken haben ihre Angebotspolitik für Unternehmenskredite vom zweiten
Quartal 2022 bis zum ersten Quartal 2024 umfassend verschärft. Im zweiten Quartal 2024 haben sie ihre
Angebotspolitik weitgehend unverändert belassen.
Trotz dieser Entwicklungen zeigen
die statistischen Daten für Mai 2024 noch ein positives Wachstum von Unternehmenskrediten in Österreich
(+1,2%), welches über dem Wachstum für den gesamten Euroraum (+0,3%) lag.
Die verhaltene
Kreditnachfrage der Unternehmen für Investitionen und die restriktive Kreditvergabe der Banken bedeuten,
dass nach wie vor Wachstumsimpulse für die österreichische Wirtschaft aus der unternehmerischen
Investitionstätigkeit fehlen. Das spiegelt sich in der aktuellen Wirtschaftsprognose der OeNB wider, die
für 2024 einen weiteren Rückgang der Anlageinvestitionen erwartet. Insgesamt wird die heimische
Wirtschaft 2024 stagnieren oder bestenfalls schwach wachsen.
Moderate Trendwende bei
Wohnbaufinanzierungen für private Haushalte
Die Nachfrage nach privaten Wohnbaukrediten blieb
im zweiten Quartal 2024 weitgehend konstant, nachdem sie im ersten Quartal 2024 leicht gestiegen war. Für
das dritte Quartal erwarten die an der Umfrage teilnehmenden Banken wieder einen Nachfrageanstieg. Ein
historisches Tief der Nachfrageentwicklung bei Wohnbaukrediten dürfte somit Anfang 2024 durchschritten
worden sein. Im Zuge der von der EZB im Juli 2022 eingeleiteten Zinswende kam es ab der Jahresmitte 2022
– ausgehend von einem Rekordhoch – zu einem markanten Nachfrageeinbruch bei Wohnbaukrediten. Weitere
Rückgänge folgten bis zum vierten Quartal 2023. Zahlen aus der OeNB-Monetärstatistik bestätigen das Bild.
Die monatliche Neukreditvergabe für privaten Wohnbau ist von durchschnittlich 2,1 Mrd EUR im Jahr 2021
auf 0,7 Mrd EUR im Jänner 2024 gesunken, aber bis Mai 2024 wieder leicht auf knapp 1 Mrd EUR gestiegen.
Die Umfrageergebnisse signalisieren als Vorlaufindikator einen weiteren Anstieg der Neukreditvergabe in
den kommenden Monaten.
Hintergrund der sich abzeichnenden Erholung sind
Verbesserungen bei der Leistbarkeit von Krediten. Die Realeinkommen der Haushalte steigen deutlich, und
die Finanzierungskosten sinken moderat. Die EZB hat ihre Leitzinsen per 12. Juni 2024 vorsichtig um 0,25
Prozentpunkte nach unten angepasst. Eine expansive Kreditentwicklung wie in den Jahren der
Niedrigzinsphase bis Mitte 2022 ist aber auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.
Angebotsseitig
kam es in den letzten Quartalen nur zu wenigen Änderungen im Geschäft mit privaten Wohnbaukrediten. Die
befragten Banken haben ihre Kreditrichtlinien und die Kreditbedingungen nur geringfügig geändert. Zu
erwähnen sind die leicht reduzierten Kreditzinsen und Margen im zweiten Quartal 2024, die auch mit der
Wettbewerbssituation begründet wurden.
Auswirkungen des Klimawandels beeinflussen
Kreditgeschäft mit Unternehmen Gemäß den Umfrageergebnissen differenzieren die Banken ihre
Angebotspolitik zunehmend nach der Klimanachhaltigkeit einzelner Unternehmen. Das führt vor allem zu
einer verschärften Kreditvergabe (strengere Kreditrichtlinien, ungünstigere Kreditbedingungen) für
Unternehmen, die in hohem Maße zum Klimawandel beitragen, aber auch zu einer Lockerung der Konditionen
für „grüne“ Unternehmen. Der Klimawandel und seine Folgen beeinflussen bereits die wirtschaftliche Lage
und Kreditwürdigkeit der Unternehmen, und sie verursachen physische Risiken, die den Wert der
Unternehmensaktiva beeinflussen können.
Nachfrageseitig nimmt der Finanzierungsbedarf der
Unternehmen für Investitionen und Umstrukturierungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu. Das betrifft
sowohl die Transition zu einer „grüneren“ Leistungserstellung als auch Absicherungen gegen physische
Risiken des Klimawandels.
Die Zentralbanken des Euroraums – in Österreich die Oesterreichische
Nationalbank (OeNB) – führen gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Anfang 2003 viermal
jährlich eine Umfrage über das Kreditgeschäft im Euroraum durch, um ihren Informationsstand über das
Kreditvergabeverhalten der Banken, die Kreditnachfrage von Unternehmen und privaten Haushalten, sowie
sonstige die Geldpolitik betreffende Themen zu verbessern. Dabei werden rund 160 führende Banken aus
allen Ländern des Euroraums befragt, darunter acht Institute aus Österreich.
Ein ausführlicher
Bericht über die Österreich-Ergebnisse wird in der Publikationsreihe „OeNB Reports“ veröffentlicht.
Weitere Informationen und Daten zur Umfrage finden sich auf der OeNB-Website unter: https://bit.ly/3Hofd8P
Die Resultate für den
Euroraum werden von der EZB auf ihrer Website publiziert: https://bit.ly/3Hr0kCv