-------------------------------------------------------------------- AKTUALISIERUNGS-HINWEIS Neu: Erste
fünf Absätze, Bericht aus Linz zum Voest-Streik
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"Das rotzfreche Angebot von
gestern lassen wir uns nicht gefallen" - fasst voestalpine-Betriebsratsvorsitzender Hans Karl Schaller am
Dienstag den Unmut seiner Kolleginnen und Kollegen über die stockenden Verhandlungen zum Kollektivvertrag
2024 der Metallindustrie zusammen. Das neue Angebot der Arbeitgeber sei - alles zusammengerechnet - mit
durchschnittlich plus 5,99 Prozent um 0,01 Prozent besser als das vorige, empörte sich Schaller im
Gespräch mit der APA.
Als Reaktion werden die "Voestler" heute ab 14:00 Uhr für 24 Stunden
streiken, ausgenommen seien Hochofen, Stahlwerk, Kokerei und Kraftwerk. Denn das Angebot sei nicht nur
prozentuell zu dürftig, die Arbeitgeber wollten auch die Überstundenzuschläge um 50 Prozent und den
Mehrzeitzuschlag bei Teilzeit auf Null kürzen. "Es geht nicht mehr um die Löhne sondern die
KV-Verhandlungen der Metaller werden für einen Angriff auf alle Kollektivverträge missbraucht", sagte
Schaller. Die Arbeitgeber würden keine Einigung wollen, sondern danach trachten, die
Verhandlungsgemeinschaft aufzubrechen.
In Wahrheit sitze die Bundesregierung mit am
Verhandlungstisch - an dem übrigens Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill noch in keiner einzigen
Runde Platz genommen habe, so Schallers Kritik - und es werde Schwarz-Blau für die nächste
Bundesregierung vorbereitet, meinte Schaller. "Wenn die Metaller nachgeben, die anderen haben nicht diese
Schlagkraft", stellte er in den Raum. Morgen, Mittwoch, werden auch die voestalpine-Beschäftigten in
Kapfenberg für 24 Stunden in Streik treten.
Von Seiten der voestalpine hieß es heute zur APA,
dass man über einen 24-Stunden-Streik informiert worden sei. "Es ist davon auszugehen, dass die
Produktion in dieser Zeit eingeschränkt sein wird. In den Bereichen, wo möglicherweise Kund:innen
betroffen sein könnten, stehen wir mit diesen bereits im Austausch", so der ehemals staatliche
Großkonzern. Wie hoch der Schaden sein werde, lasse sich noch nicht beziffern, weil das Ausmaß der
Streiks aus heutiger Sicht noch nicht abschätzbar sei.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald
Mahrer meinte heute am Rande einer Pressekonferenz: "Wir mischen uns da von der Spitzenebene - außer wir
werden gerufen, und das hat noch nicht stattgefunden - nicht ein." Grundsätzlich meinte er: "Es dauert
halt heuer länger, weil es eine ganz schwierige Situation ist". Sein Tipp: "Da muss man aufeinander
zugehen."
Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut erinnerte daran, dass die
gesamtwirtschaftliche Produktivität pro Stunde seit 1995 um 33,8 Prozent gestiegen sei, wobei der Anstieg
in der Industrie mit 105,1 Prozent mehr als drei Mal so hoch gewesen sei. "Das hat der Industrie im
internationalen Wettbewerb in den letzten Jahrzehnten einen Wettbewerbsvorteil beschert. Nun den
Arbeitnehmer:innen einen Teuerungsausgleich zu verwehren, indem man auf die sogenannte Benya-Formel
verzichtet, könnte den Industrie-Unternehmer:innen langfristig teuer kommen. Dann könnte die Gewerkschaft
künftig den Anstieg der Industrieproduktivität in ihre Lohnforderung einbauen. Die ist in normalen Zeiten
deutlich höher", erklärt dazu Momentum-Chefökonom Oliver Picek.
Sieben Verhandlungsrunden
waren bisher nötig um sich darauf zu einigen, dass man von einer Einigung für den KV 2024 (gültig ab
November 2023) weit entfernt ist. Wobei gestern GPA und PRO-GE ihre bisherige Forderung von 11,6 Prozent
Plus auf 10,6 Prozent ohnehin bereits heruntergeschraubt haben, und auch die Arbeitgeber haben
nachgebessert.
Allerdings soll das Angebot der Industrie von plus sechs Prozent und einer
Einmalzahlung von 1.200 Euro mit Verschlechterungen im Rahmenrecht, also zum Beispiel bei den
Überstundenzuschlägen, verbunden sein. Dies lehnen die Gewerkschaften ab. Wie umfangreich die nun
ausgeweiteten Streiks werden, ließen die Gewerkschaften bisher offen, das würden die Streikkomitees in
den Unternehmen entscheiden. Die Arbeitgeber wiederum werfen PRO-GE und GPA vor, kompromisslos zu sein
und sich Richtung Sackgasse zu bewegen. Wann weiter verhandelt wird, war Dienstagfrüh noch offen.
Auffallend sind nicht nur die außergewöhnlich vielen Verhandlungsrunden ohne Einigung, sondern
auch die kurzen Abende des Feilschens. Wurde in der Vergangenheit auch schon in den ersten Runden bis
weit nach Mitternacht verhandelt, war gestern bereits um 20:00 Uhr wieder Schluss mit den Gesprächen in
der Wirtschaftskammer in Wien.
Die Chefverhandler der Arbeitnehmerseite, Reinhold Binder
(PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA), bezeichneten das Angebot der Unternehmervertreter gestern Abend als
"Frechheit", Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill zeigte sich weiter verhandlungsbereit. Aber er
stellte Montagabend auch klar: "Wir lassen uns von weiteren Streiks und Machtdemonstrationen nicht
beeindrucken."
Binder wiederum meinte in der "ZiB 2": "Das ist eine unfassbare Grauslichkeit,
was die Arbeitgeber da bieten. (...) Wir werden uns gut überlegen, wie wir die weiteren Maßnahmen nun
festsetzen. Wir werden jetzt auf jeden Fall einen Zahn zulegen."
Vergangenen Woche hatte der
Salzburger Beschlägehersteller Maco mit einem ungewöhnlichen Vorschlag die Initiative ergriffen: Er
bietet eine Lohnerhöhung von sieben Prozent an, wenn die Mitarbeiter auf Streiks verzichten - gültig bis
zu einer KV-Einigung, dann gelte der ausverhandelte Anstieg der Löhne und Gehälter.
Zuletzt
haben die Bäcker bei 9,7 Prozent Lohn- und Gehaltsplus abgeschlossen. Einen Richtwert lieferte wiederum
im Sommer die Bundesregierung, die den Pensionisten eine Erhöhung von ebenfalls 9,7 Prozent gewährte. Und
auch in der Frühjahrslohnrunde bewegten sich die meisten Abschlüsse bei rund zehn Prozent. So schloss die
Elektroindustrie bei 9,9 Prozent ab, die Papierindustrie bei 9,8 bis 10 Prozent. Die rollierende
Inflation lag im Frühjahr bei 9,5 Prozent, im Herbst waren es 9,6 Prozent.
Verhandelt wird
derzeit auch über den Kollektivvertrag im Handel, hier geht es mit rund 430.000 Beschäftigten um die
größte KV-Gruppe. Die Gewerkschaft forderte ursprünglich eine Erhöhung der Gehälter um 11 Prozent, mehr
Urlaub und eine Diskussion über eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Die Arbeitgeber boten ein Plus von
5 Prozent und zusätzlich eine Einmalzahlung von 800 Euro. Die Gewerkschaft GPA machte ein Gegenangebot
von 9,5 Prozent und einen Fixbetrag von 40 Euro. Eine Einigung vor einem Kompromiss in der
Metallindustrie gilt im Handel als unwahrscheinlich.