Eurozone im November: Stärkeres Wachstum kaschiert uneinheitliche Erholung nach Ländern und Sektoren
Nach der markanten Abkühlung seit dem Höhepunkt im Juli hat sich das Wachstum der Eurozone im
November erstmals wieder beschleunigt, so dass die Rate auch wieder über dem Langzeit-Durchschnittswert
lag. Ausschlaggebend hierfür war vor allem der krisenfestere Servicesektor, wohingegen die Industrie
unter den gravierenden Lieferengpässen eingebremst wurde.
Am stärksten aufwärts ging es jedoch
abseits der beiden größten Eurozone-Volkswirtschaften. Besonders schwach fiel das Wachstum im November in
Deutschland aus.
Gleichzeitig verstärkte sich der Inflationsdruck, was die
neuen Rekordzuwachsraten bei Einkaufs- und Verkaufspreisen zeigen.
Mit 55,4 Punkten nach 54,2
im Oktober verzeichnete der finale IHS Markit Eurozone Composite Index (PMI®) im November wieder eine
Wachstumsbeschleunigung. In den drei Vormonaten hatte der Index ganze sechs Punkte eingebüßt und eine
deutliche Abkühlung signalisiert.
Die entscheidenden Wachstumsimpulse gingen im Berichtsmonat
allerdings vom Servicesektor aus, während die Industrieproduktion mit der zweitniedrigsten Rate seit
Beginn des Aufschwungs im Juli 2020 gesteigert wurde.
Rangliste Composite Output Index
November:
Irland 59,3 7-Monatstief
Spanien 58,3 3-Monatshoch
Italien 57,6
3-Monatshoch
Frankreich 56,1 (Flash: 56,3) 4-Monatshoch
Deutschland 52,2 (Flash: 52,8)
2-Monatshoch
Neben den Unterschieden auf Sektorenebene klaffte auch die Entwicklung auf
Länderebene auseinander. Trotz Abkühlung auf ein Sieben-Monatstief vermeldete Irland das stärkte Wachstum
aus den kombinierten Steigerungsraten bei der Produktion in der Industrie und der Geschäftstätigkeit im
Servicesektor. Beschleunigt hat sich das Wirtschaftswachstum auch in Spanien, Italien und Frankreich,
hier wurden durch die Bank überdurchschnittlich hohe Steigerungsraten verzeichnet. Deutschland – die
größte EurozoneVolkswirtschaft – blieb im Composite PMI-Ranking Schlusslicht, hier lag die Wachstumsrate
nahezu unverändert auf dem Acht-Monatstief von Oktober.
Der Auftragseingang wies das
niedrigste Plus seit April aus, hier schwächte sich der Zuwachs vom 21- Jahreshoch im Juli weiter ab.
Auch das Exportneugeschäft schwächelte im November.
Angesichts der neunten
Zunahme der Auftragsbestände in Folge blieb der Kapazitätsdruck hoch. Rasant zugenommen haben die
unerledigten Aufträge vor allem im Industriesektor, wo die Produktion von den Lieferengpässen gebremst
wurde.
Aufgrund anhaltender Kapazitätserweiterungen zum Abbau der Auftragsbestände legten die
Beschäftigtenzahlen sowohl in der Industrie als auch im Servicesektor erneut kräftig zu.
Der
Preisdruck blieb in der gesamten Eurozone stark, was die Rekord-Steigerungsraten bei Einkaufs- und
Verkaufspreisen belegten.
Die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist sanken auf ein
Zehn-Monatstief, was vor allem auf den eingetrübten Ausblick bei den Dienstleistern zurückzuführen
war.
Servicesektor
Mit aktuell 55,9 Punkten nach 54,6 im Oktober signalisierte der
finale IHS Markit Eurozone Service-Index wieder kräftiges Wachstum im Dienstleistungssektor. Die aktuelle
Steigerungsrate unterschritt zwar die Werte des zweiten und dritten Quartals 2021, sie lag jedoch noch
immer über dem Langzeit-Durchschnittswert.
Der siebte Auftragszuwachs in Folge fiel im
November schwächer aus als in den zurückliegenden sechs Monaten. Von den Auslandsmärkten verbuchten die
Dienstleister diesmal nur ein Mini-Plus.
Der Auftragsbestand nahm erneut
zu, was den drittstärksten Stellenaufbau seit 14 Jahren nach sich zog.
Der Anstieg der
Einkaufs- und Angebotspreise beschleunigte sich weiter, in beiden Kategorien wurden neue Allzeithochs
verzeichnet.
Chris Williamson, Chef-Ökonom bei IHS Markit, kommentiert den finalen Eurozone
Composite-PMI:
„Die vom Eurozone Composite-PMI signalisierte Wachstumsbeschleunigung dürfte
nur von kurzer Dauer sein. So hat sich nicht nur die Nachfrage abgeschwächt, auch die Geschäftsaussichten
binnen Jahresfrist sind gesunken, da die Sorgen über die Pandemie wieder gestiegen sind. Da die aktuellen
Umfragedaten vor der Bekanntgabe der Omikron-Variante erhoben wurden, wird sich die Stimmung hinsichtlich
der kurzfristigen Aussichten unweigerlich noch weiter verschlechtert haben.
Besonders gedämpft
sieht das Wachstum in Deutschland und Frankreich aus, wo sich die Lieferengpässe deutlich stärker auf den
Industrie- und Servicesektor ausgewirkt haben. In Spanien und Italien war das Wachstum
widerstandsfähiger, aber auch hier sind die jüngsten Zuwächse gefährdet, wenn die Social
Distancing-Maßnahmen verschärft werden müssen.
Die Kletterpartie bei den Preisen hat sich
indes unaufhaltsam fortgesetzt, wobei die Steigerungsraten sowohl bei den Kosten als auch bei den
Verkaufspreisen für Güter und Dienstleistungen im November neue Höchststände erreichten.
Während sich die Wachstumsrisiken verringerten, scheinen die Risiken für die Inflationsaussichten nach
oben zu tendieren, wenn die Infektionszahlen weiter steigen und neue Beschränkungen eingeführt werden.
Darunter werden nicht nur die Versorgungsketten leiden, auch die Personalverfügbarkeit wird sich
verschlechtern und die Ausgaben könnten sich wieder von Dienstleistungen auf Waren verlagern, was das
Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage weiter verschärfen würde."