AMAG-Chef: Dekarbonisierung kostet hunderte Millionen Erdgas muss durch Wasserstoff ersetzt werden,
dafür braucht man neue Anlagen und Infrastruktur - CEO Mayer beurteilt Dekarbonisierungsziel 2040 für
Österreich skeptisch
Die für Österreich angepeilte Klimaneutralität bis 2040 wird den
börsennotierten oberösterreichischen Aluminiumkonzern AMAG einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag
kosten. Die AMAG müsse dafür das bisher in der Produktion eingesetzte Erdgas durch Wasserstoff ersetzen,
erklärte AMAG-Chef Gerald Mayer am Mittwoch im Klub der Wirtschaftspublizisten. Dafür sei noch viel
Forschung und Entwicklung nötig und hohe Investitionen in Anlagen und Infrastruktur im Unternehmen.
Die AMAG könne die Umstellung bei entsprechenden Rahmenbedingungen, für die die Politik sorgen
müsse, schaffen, sagte Mayer. "Wir sind zum einen überzeugt, dass es notwendig ist. Ob das bis 2040
realistisch ist, ganz generell für Österreich und die Industrie, bin ich schon skeptischer."
Die AMAG (Austria Metall AG) brauche in Österreich jährlich rund 750 GWh an Energie, zwei Drittel davon
aus Erdgas, ein Drittel Strom, erklärte Mayer. Das Erdgas könne man aus produktionstechnischen Gründen
nur zum Teil durch Strom ersetzen, deshalb werde man sehr wahrscheinlich Wasserstoff verwenden müssen.
Dafür brauche man neue Anlagen, die es nach aktuellem Stand der Technik zum Teil noch gar nicht gebe.
Auch müsse man für den Einsatz von Wasserstoff die dafür notwendige Infrastruktur im Werk
schaffen: Man brauche etwa die dreifache Menge an Wasserstoff, um die gleiche Energie zu bekommen wie aus
Erdgas. Dafür brauche man entsprechende Rohre und auch Platz, auch für Transformatoren, wenn man statt
Erdgas mehr Strom einsetze.
Die Umstellung auf Wasserstoff bei der Produktion bringe ein
weiteres Problem mit sich, weil Wasserstoff mit Aluminium reagiere und Poren und Einschlüsse entstünden.
Man werde dafür eine Lösung finden, aber man brauche dafür Zeit. Die Energieeffizienz habe man schon aus
Kostengründen in den vergangenen Jahren stark verbessert und spare dadurch rund 30 GWh pro Jahr ein, das
entspreche etwa 4.000 Haushalten. Weitere Einsparungen seien sehr schwierig.
Aufgabe der Politik sei es dafür zu sorgen, dass lokal ausreichend "grüne" Energie zum richtigen
Zeitpunkt und zu einem wettbewerbsfähigen Preis zur Verfügung stehe, sagte Mayer. Auch das für Österreich
formulierte Ziel, bis 2030 Strom bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, sieht
der AMAG-Chef skeptisch. Vor zwei Wochen habe man selbst die größte Photovoltaik-Aufdach-Anlage
Österreichs präsentiert. "Wir haben auf den Dächern unserer neuen Walzwerke eine ca. 55.000 Quadratmeter
große PV-Anlage installiert. Um das Ziel von 11 TWh PV-Leistung zu erreichen, müsste man in Österreich
jeden zweiten Tag so eine Anlage eröffnen, wie wir es gemacht haben." Die AMAG will die Kapazität ihrer
PV-Anlagen verdoppeln.
Die AMAG mit Sitz in Ranshofen hat in Österreich zwei Gießereien - eine
für Gusslegierungen mit einer Jahresproduktion von 90.000 Tonnen, eine zweite erzeugt das Vormaterial für
das eigene Walzwerk, das vor Corona 230.000 Tonnen pro Jahr erzeugt hat. In Kanada sind die
Oberösterreicher mit 20 Prozent an einer Elektrolyse beteiligt, von deren Produktion 120.000 Tonnen pro
Jahr auf die AMAG entfallen.
Die coronabedingten Auftragseinbrüche hat die AMAG dank
Kurzarbeit gut überstanden und inzwischen auch hinter sich gelassen. "Der Bedarf zieht jetzt überall an.
Normalerweise haben wir bei uns im Walzwerk einen vernünftigen Auftragsstand, der gesund ist und gut,
zwischen zweieinhalb und drei Monaten. Wir sind binnen kürzester Zeit auf fünf, sechs Monate angestiegen,
wo wir dann schon gebremst haben und gesagt haben: Weiter nach vorn wollen wir nicht mehr, weil das
bringt Risken mit sich, etwa steigende Kosten." Jetzt müsse man die Kapazität nach oben anpassen. Derzeit
suche man 90 Leute insbesondere für den Schichtbetrieb. "Das ist ganz schwierig, weil Vollbeschäftigung
herrscht in unserer Gegend."
Weitere Herausforderungen seien derzeit die Energie- und
Logistikpreise und die Verfügbarkeit von Schiffsraum und Containern. "Eine völlig andere Situation, das
kennen wir so eigentlich gar nicht." Der Gaspreis sei derzeit siebenmal so hoch wie im Durchschnitt 2020.
Allerdings falle die Masse des Energieverbrauchs der AMAG in Kanada an, wo Strom billiger sei als in
Europa.
Der Rohstoffnachschub sei für die AMAG kein Problem. "Als Recyclingunternehmen
beziehen wir die Masse unseres Vormaterials aus einem Umkreis von 500 Kilometern und weniger aus
Fernost." Recycling habe außerdem den Vorteil, dass man für die Erzeugung von Recycling-basiertem Metall
nur fünf bis zehn Prozent der Energie brauche, die für Primäraluminium nötig ist.
Bei der
angekündigten Steuerreform wünscht sich der AMAG-Chef vor allem eine Senkung der Lohnnebenkosten, das
wäre noch besser als eine niedrigere Körperschaftsteuer, so Mayer. Investitionsförderungen würden der
AMAG weniger helfen. "Wir haben in den letzten Jahren eine Milliarde Euro investiert. Für die nächsten
Jahre sehe ich nicht, dass wir wieder eine Milliarde investieren."