Eurozone im Februar: Industrie-Aufschwung kaschiert stärkeren Rückgang im Servicesektor
Die
Eurozone-Wirtschaftsleistung sank im Februar zum vierten Mal hintereinander. Ausschlaggebend hierfür war
die beschleunigte Talfahrt des Servicesektors, wo die Corona-bedingten Restriktionen vielen Unternehmen
weiter zu schaffen machten. Die Industrieproduktion wurde hingegen abermals rasant ausgeweitet, angeführt
von Deutschland. Die Geschäftsaussichten fielen so optimistisch aus wie zuletzt vor knapp drei Jahren, da
sich die Unternehmen von der an Fahrt aufnehmenden Impfkampagne zunehmende Lockerungen erhoffen.
Die rasant steigende Nachfrage nach Rohstoffen sorgte allerdings für rekordverdächtige Lieferengpässe,
was die Einkaufspreise in der Industrie so stark steigen ließ wie seit nahezu zehn Jahren nicht mehr.
Mit aktuell 48,1 Punkten gegenüber 47,8 im Januar signalisiert der IHS Markit Flash Eurozone
Composite Index Produktion zwar eine leichte Verbesserung, er notiert damit allerdings zum vierten Mal
hintereinander unter der neutralen Referenzlinie von 50 Punkten, ab der Wachstum angezeigt wird.
Trotz des minimalen Anstiegs im Februar fällt der Indexdurchschnitt für das erste
Quartal 2021 mit 47,9 Punkten bislang geringfügig niedriger aus als die 48,1 im vierten Quartal 2020. Der
anhaltende Abwärtstrend deutet folglich darauf hin, dass sich die Konjunktur weiter verschlechtern
dürfte, da die Corona-bedingten Eindämmungsmaßnahmen die Unternehmen in der gesamten Region weiter
belasten.
Immerhin notierte der Composite-PMI in den letzten vier Monaten deutlich höher als
während des ersten Lockdowns im letzten Frühjahr, was bedeutet, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen
der zweiten Infektionswelle erheblich schwächer ausfallen dürften als während der ersten Welle.
Ausschlaggebend für das erneute Minus der Eurozone war der Servicesektor, wo es vor allem wegen der
Corona-bedingten Einschränkungen zu den zweithöchsten Geschäftseinbußen seit letztem Mai kam. Mit
beschleunigter Rate bergab ging es in Deutschland und Frankreich, während sich die Talfahrt in den
übrigen Ländern im Vergleich zu Januar verlangsamte.
Im Gegensatz zur sich
verschlimmernden Krise im Servicesektor wurde die Industrieproduktion dank des boomenden Auftragseingangs
mit der zweithöchsten Rate seit drei Jahren gesteigert. Der entsprechende Index notiert aktuell höher als
in den drei Vormonaten. Deutschlands Industriesektor vermeldete besonders starkes Wachstum, doch auch in
Frankreich wurde die Produktion nach dem kurzzeitigen Rückgang im Januar wieder moderat ausgeweitet. Die
übrigen von der Umfrage erfassten Länder verzeichneten im Durchschnitt das stärkste Produktionswachstum
seit letztem August.
Die deutsche Wirtschaft wuchs aufgrund der Stärke des dortigen
Industriesektors im Februar zwar etwas stärker als im Januar, die Schwäche des Servicesektors sorgte
jedoch dafür, dass der Composite Flash-PMI binnen Monatsfrist nur um magere um 0,5 Punkte auf 51,3
zulegte.
In Frankreich gab der entsprechende Composite-Flash wegen der beschleunigten Talfahrt
des dortigen Servicesektors um 2,5 Punkte auf 45,2 nach – der tiefste Wert seit November letzten Jahres.
In den übrigen von der Umfrage erfassten Ländern verlangsamte sich der Abwärtstrend im Februar.
Da die Nachfrage das Angebot bei Weitem überstieg, kam es bei Vormaterialien in der
gesamten Eurozone zu Engpässen. Die Einkaufsmenge wurde so stark ausgeweitet wie zuletzt vor drei Jahren,
was den Druck auf die Lieferketten zusätzlich erhöhte. Folglich verlängerten sich die Vorlaufzeiten so
stark wie nie seit Umfragebeginn im Jahr 1997 - mit Ausnahme von April 2020, als weltweite
Fabrikschließungen für eine massive Unterbrechung der Lieferketten sorgte. In Deutschland verlängerten
sich die Lieferzeiten sogar mit neuer Rekordrate.
Die boomende Nachfrage und Lieferengpässe
ließen die Einkaufspreise so stark in die Höhe schnellen wie seit April 2011 nicht mehr, was wiederum
dafür sorgte, dass die Verkaufspreise in der Industrie so rasant stiegen wie zuletzt im Mai 2018.
Im Servicesektor legten die Kosten verhaltener zu, hier sorgte die schwache Nachfrage dafür, dass
die Angebotspreise zum zwölften Mal in Folge sanken.
Unterm Strich blieben die Verkaufs- bzw.
Angebotspreise für Güter und Dienstleistungen konstant, nachdem sie zuvor elf Monate lang gesunken
waren.
Die weiter abnehmenden Auftragsbestände zogen den zwölften Personalabbau in Folge nach
sich. Das erste leichte Stellenplus in der Industrie seit April 2019 wurde vom Rückgang der Beschäftigung
im Servicesektor überkompensiert.
In Deutschland kam es zu einem mäßigen Stellenaufbau, in
Frankreich fiel er so stark aus wie zuletzt vor einem Jahr, und in den übrigen Ländern sank die
Beschäftigung im Durchschnitt ein weiteres Mal.
Dank der gestiegenen Zuversicht sowohl bei den
Herstellern als auch im Dienstleistungssektor fielen die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist insgesamt
so optimistisch aus wie seit März 2018 nicht mehr. Die Hoffnungen der Befragten ruhen dabei in erster
Linie auf der erfolgreichen Durchführung der Impfkampagnen in den kommenden Monaten.
Chris Williamson, Chief Business Economist bei IHS Markit, kommentiert den aktuellen
Eurozone Flash-PMI:
“Der anhaltende Corona-bedingten Lockdown schadete dem
Eurozone-Servicesektor im Februar weiter erheblich. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das
Eurozone-BIP auch im ersten Quartal 2021 sinkt. Der beschleunigte Aufschwung in der Industrie milderte
die Auswirkungen immerhin etwas ab, womit der jetzige Rückgang deutlich schwächer ausfallen dürfte als in
der ersten Jahreshälfte 2020. Dank der beeindruckenden Performance der deutschen Industrie und dem Trend
zu wieder stärkeren Produktionssteigerungen in den übrigen Ländern fiel das Produktionswachstum im
Februar insgesamt so stark aus wie selten zuvor in den zurückliegenden drei Jahren.
Die
Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen trug indes mit dazu bei, dass sich das Geschäftsklima wieder
aufhellte und die Unternehmen zunehmend optimistisch sind hinsichtlich einer wirtschaftlichen
Belebung.
Vorausgesetzt, dass auch der Dienstleistungssektor von den Impfkampagnen profitiert
und die Industrie weiter boomt, dürfte es im zweiten Halbjahr zu einem kräftigen Aufschwung kommen.
Sorge bereitet allerdings die weitere Intensivierung der Lieferengpässe, die die Rohstoffpreise
steigen ließen. Die Lieferverzögerungen bewegen sich auf Rekordniveau, was zum stärksten Anstieg der
Einkaufspreise seit fast zehn Jahren geführt hat. Im Moment dämpft die schwache Verbrauchernachfrage –
vor allem im Servicesektor – den Preisdruck. Es sieht jedoch ganz danach aus, dass die Inflation in den
kommenden Monaten wieder anziehen dürfte.“