Wien-Einstieg bei EVN abgesegnet - BWB hat EnergieAllianz im Visier
28,35-%-Einstieg durch BWB
durchgewunken: "Keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken" - Behörde stolperte aber über Vertriebskooperation
EnergieAllianz: "Gesonderte Prüfung ist angezeigt"
Die Wiener Stadtwerke dürfen bei der
niederösterreichischen EVN mit 28,35 Prozent einsteigen und werden damit zweitgrößter Aktionär nach dem
Land Niederösterreich, das 51 Prozent hält. Nach umfassender Prüfung durch die Bundeswettbewerbsbehörde
(BWB) wurde der Deal nun freigegeben. Bedenken hat man bei der BWB jedoch zur gemeinsamen
Vertriebskooperation EnergieAllianz (EAA) von EVN und Wienern.
"Die Prüfung des Zusammenschlusses
ergab keinen Hinweis auf wettbewerbsrechtliche Bedenken hinsichtlich des unmittelbaren Fusionsvorgangs",
hieß es am Freitag auf der Homepage der Behörde zum Kauf des 28,35-prozentigen EVN-Anteils des deutschen
Energieversorgers EnBW durch die Stadtwerke. Daher stelle die BWB keinen Prüfungsantrag an das
Kartellgericht. Der Deal wird mit Ablauf des heutigen Tages freigegeben. Die Stadtwerke waren schon mit
rund 0,01 Prozent beteiligt, künftig sind es somit 28,36 Prozent.
Es sei durch den Deal "nicht
mit einer kritischen Erhöhung der Marktkonzentration zu rechnen", erklärte die BWB, da nur geringfügige
Überschneidungen zwischen den Wiener Stadtwerken und der EVN bestünden und weil es sich um eine
nicht-kontrollierende Minderheitsbeteiligung handle. Eine umfassende Marktuntersuchung habe keine
Hinweise auf wettbewerbliche Bedenken geliefert. "Die befragten Marktteilnehmer sahen grundsätzlich keine
oder keine negativen Auswirkungen durch den Zusammenschluss", heißt es.
Allerdings
"stolperten" die Wettbewerbsprüfer über die seit Jahren bestehende Vertriebskooperation für Strom und
Gas, die seit Jahrzehnten besteht und an der die Stadtwerke-Tochter Wien Energie und die EVN je 45
Prozent halten (10 Prozent die Energie Burgenland). Es werde nämlich, so die BWB in ihrer "abschließenden
Beurteilung", "eine gesonderte wettbewerbsrechtliche Prüfung der EAA sowie der zugrundeliegenden
Entscheidung des Kartellgerichts, insbesondere der im Zuge der Gründung der EAA im Jahr 2001 zwischen den
beteiligten Unternehmen getroffenen Nebenabreden und sonstigen Vereinbarungen sowie der seinerzeit
getroffenen Prognoseentscheidungen und Marktabgrenzung, angezeigt sein".
Zwar
seien für 2003 bis 2020 keine unmittelbaren Strompreis-Effekte durch die EAA festgestellt worden, so die
BWB, "allerdings könnte das aufgezeigte Ost-West-Gefälle bei den Stromgesamtpreisen sowie beim
Einsparungspotenzial ein Hinweis auf eine preistreibende Wirkung der Wettbewerbsbeschränkungen durch die
EAA sein". In einer Marktbefragung durch die BWB äußerte ein Mitbewerber, dass die EAA bisher nicht als
aggressiver Marktakteur aufgefallen sei. Andere Konkurrenten sahen eine Ausweitung der Geschäftsaktivität
der EAA auf andere Bereiche als die Endkundenversorgung von Strom und Gas als Folge des
Zusammenschlusses.
Die vorläufige Prüfung der Preisentwicklung in den seit 2001 umfassten
Energieversorgungsmärkten hat laut BWB gezeigt, dass seither Strom zwar für Endkunden im Gebiet der EAA
mitunter etwas teurer war als im Österreich-Schnitt, "signifikant höhere Preise als Auswirkung der EAA
konnten daraus allerdings nicht abgeleitet werden". In den vergangenen Jahren seien die Preise der von
EVN, Wien Energie und Energie Burgenland getragenen EAA rund um den Durchschnittspreis der anderen
lokalen Anbieter gelegen. Im Vergleich zum jeweils günstigsten lokalen Stromanbieter habe die EAA seit
2010 im Schnitt 13,77 Prozent mehr verrechnet.
Direkt und indirekt gerechnet wird sich durch
die Aufstockung der Wiener Stadtwerke bei der EVN auf 28,36 Prozent der Anteil der Stadtwerke (jeweils
inkl. Wien Energie) an der EAA von momentan exakt 45,38 auf 59,18 Prozent erhöhen. Weil die Unternehmen
verflochten sind, steigt auch der Anteil der Wiener an der Burgenland Holding von 7,81 auf 29,01 Prozent
bzw. an der Energie Burgenland von 3,8 auf 14,21 Prozent. Beim an der Börse notierten Stromkonzern
Verbund, der zu 51 Prozent der Republik Österreich gehört, erhöht sich der Anteil der Wiener direkt und
indirekt von 12,12 auf 15,39 Prozent - weil die EVN ihrerseits derzeit direkt mit 11,55 Prozent am
Verbund beteiligt ist. Der Wiener-Anteil an der Kärntner Kelag steigt (indirekt) von 4,26 auf 5,41
Prozent.
Die Wiener Stadtwerke - mit 3 Mrd. Euro Umsatz und 15.000 Beschäftigten
Österreichs größter kommunaler Infrastrukturdienstleister - belieferten zuletzt nach Angaben von März
knapp 2 Millionen Kunden mit Strom, Gas und Fernwärme. Die EVN setzte jährlich zuletzt 2,2 Mrd. Euro mit
6.900 Mitarbeitern um und zählte 4,7 Millionen Kunden (2 Mio. in Österreich, 1,8 Mio. in Bulgarien,
900.000 in Nordmazedonien).
Beim Stadtwerke-Einstieg bei den EVN handelt es sich um eine reine
Finanzbeteiligung, die dem Käufer keine Kontrolle ermöglicht, so die BWB. Das hatten auch die zu 100
Prozent im Eigentum der Stadt Wien stehenden Stadtwerke, größter regionaler Energieversorger in
Österreich, betont: Man sehe den Einstieg als langfristige Investition und Finanzbeteiligung, um die
Pensionen der Mitarbeiter abzusichern, hieß es Anfang März.
Durch die EVN-Dividenden könnten
die Pensionen abgesichert werden, hatte Vize-Generaldirektor Peter Weinelt damals zur APA gesagt. Seit
Ausgliederung aus der Stadt Wien zahlen die Wiener Stadtwerke die Pensionen für die beamteten Mitarbeiter
direkt und haben dafür hohe Rückstellungen in der Bilanz gebildet. Laut Geschäftsbericht 2018 waren es
3,8 Mrd. Euro.
Zum Kaufpreis mache man keine Angaben, hatten der Anteilsverkäufer EnBW und die
Wiener Stadtwerke bei der Bekanntgabe des Deals am 5. März erklärt. In Medienberichten wurden damals rund
870 Mio. Euro kolportiert.