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ForennameÖsterreichische Aktien im In- und Ausland
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59654, „2009 sehen wir die Parität“
Eingetragen von DrEvil, 25.10.08 11:39
Währungsexperte Hans-Günter Redeker von der BNP Paribas spricht im Interview über Euroschwäche, den Währungskollaps in Osteuropa und was dadurch auf Österreichs Banken zukommt.

WirtschaftsBlatt: „Warum verliert der Euro gegenüber dem US-Dollar derzeit derart stark an Wert, wo doch die USA in einer Rezession stecken und ein überbordendes Budgetdefizit ausweisen?
Hans-Günter Redeker: Der Wechselkurs ist fundamental nicht klar begründbar. Die Rezession steht überall vor der Tür. Jedenfalls wurde die noch im Frühjahr geltende Theorie, wonach sich Europa von einem Wirtschaftsabschwung in den USA entkoppeln könnte, bitter enttäuscht. Das wäre ungefähr für einen Rückgang von 1,6 auf 1,4 Dollar je Euro verantwortlich. Alles weitere hat ganz andere Gründe.

Und zwar welche?
Man muss sich ansehen, inwieweit war der Dollar eine Refinanzierungswährung und in welchem Umfang war das weltweit beim Euro der Fall. Alleine bei den derzeit arg gebeutelten Banken wird mit Blick auf die Bilanzen schnell klar was für die raschen Wechselkursverschiebungen verantwortlich ist: Nichtamerikanische Banken haben den US-Dollar im Ausmaß von rund 10,5 Billionen Dollar zur Refinanzierung benutzt. Nichteuropäische Banken haben dagegen den Euro nur in einem Volumen von umgerechnet 4,5 Billionen Dollar zur Refinanzierung verwendet. Nun wird weltweit die Verschuldung zurückgeführt und die überdehnten Bilanzen werden gestrafft. Was soviel heißt, als dass derzeit mehr als zweimal so viele Dollar gekauft werden müssen als Euro, um die Schulden zu tilgen. Diese Rückführung an Kapital ist mit ein Grund für die neue Stärke des Greenback.

Wo endet der Kursrutsch? Welches Kursziel haben Sie für den Euro gegenüber dem Dollar?
Im Frühjahr haben wir pro­gnostiziert, dass der Euro unter 1,3 Dollar fallen wird. Bis zum ersten Quartal 2009 haben wir jüngst auf ein Ziel von 1,13 Dollar reduziert. Mittlerweile wächst aber die Wahrscheinlichkeit von Tag zu Tag, dass der Euro zum Dollar 2009 die Parität erreicht.

Inwieweit passen dabei die Währungsturbulenzen in Osteuropa ins Bild?
In den letzten zehn Jahren stieg der Exportanteil der europäischen Währungsunion nach Osteuropa von 13 auf 23 Prozent, „Kerneuropa" profitierte enorm vom Wachstum in Osteuropa, besonders auch Österreich. Diese Dynamik bricht nun weg. Länder wie Ungarn, Polen oder Rumänien haben enorme Leistungsbilanzdefizite angehäuft, die nun nicht mehr finanzierbar sind. Sogar ungarische Häuslebauer haben sich im Euro, Dollar und Franken verschuldet. Die Verschuldung steigt nun aber von Tag zu Tag in heimischer Währung. Die Zentralbanken stecken in einem Dilemma, denn die Währungen müssen mit aller Kraft stabil gehalten werden und die Zinsen müssen folglich steigen, gleichzeitig schmiert nun aber die Konjunktur ab. Der Druck auf Zentraleuropa wächst täglich, nun ist schon von einem IWF-Hilfspaket die Rede. All das ist sehr negativ für den Euro.

Erwarten Sie einen Flächenbrand in Osteuropa?
Wir hatten etwa in Rumänien schon Übernachtzinsen von 900% - das hält keiner aus! Ein Flächenbrand ist daher eine Möglichkeit. Jedenfalls haben die Mitglieder der Währungsunion und, im speziellen auch Deutschland, sehr zu dieser Eskalation beigetragen, weil wir uns verweigert haben an einer internationalen Lösung frühzeitig mitzuarbeiten. In globaliserten Märkten kann man einfach nicht auf nationalstaatliche Lösungen setzen. Wäre Europa so wie früher von einer Mauer umgeben, dann wurde das funktionieren, aber die Osterweiterung hat die Anforderungen verändert. Der Euro wird nun eben auch zur Refinanzierung in Ungarn und Polen gebraucht. Aber die Banken werden dort im Stich gelassen, sie bekommen einfach kein Geld mehr. Wir haben derzeit einen diskriminierten Geldmarkt, die Schwellenländer werden einfach diskriminiert.

Das heißt, die EU hat versagt?!
Es ist zumindest eine gewisse Ignoranz und ein zu spät Erkennen der Probleme vorhanden. Die Mischung aus Protektionismus, guten und schlechten Lösungsansätzen zugleich, ergibt einen nur noch falschen Cocktail.

Was hätte man besser machen können?
Die Franzosen hatten vor dem Meeting in Paris einen richtigen Vorschlag. Sarkozy wollte einen europaweiten Hilfsfonds. Deutschland sagte: „Nein, wir zahlen doch nicht für euch!". Die direkte Folge davon war der Zusammenbruch der HypoReal Estate, weil die Refinanzierung aufgrund der hohen Libor-Sätze nicht mehr möglich war. Da besteht ein kausaler Zusammenhang, das wäre durch ein schnelles und gemeinsames Handeln zu verhindern gewesen. Derzeit geht es um jede Stunde, ob eine Bank in den Abgrund schlittert oder nicht.

Österreichische Banken sind sehr stark in Osteuropa verankert. Ein Flächenbrand in dieser Region müsste doch verheerende Folgen für Erste Bank und Co. haben?
Mit diesem Problem ist Österreich nicht alleine. Auch die Schweden haben erhebliche Probleme, weil sie in den baltischen Staaten sehr verankert sind. Fakt ist jedenfalls, dass die CDOs nach oben laufen. Ich möchte jetzt gar nicht beurteilen, ob die Geschäftspolitik der österreichischen Banken richtig oder falsch war. Eines ist jedoch sicher, je größer das Osteuropageschäft einer Bank, desto größer wird derzeit vom Markt das Kreditrisiko des jeweiligen Instituts bewertet. Das zuvor gewinnbringende Osteuropageschäft erweist sich nun als gewaltiger Bumerang.

Könnte Österreich mit seinem Bankenrettungsfonds die heimischen Banken überhaupt auffangen. Können wir das alleine überhaupt bewältigen?
Euer Rettungspaket ist 100 Milliarden € schwer. Dabei muss man unterscheiden, zwischen dem was direkt Budgetwirksam via Kapitalinjektionen bereitgestellt wird und dem was nur als Garantie- also Versicherungsleistung angeboten wird um dem Markt wieder Sicherheit zu geben. Derzeit weiß leider niemand wieviel uns das alles tatsächlich kosten wird.
Der angekündigte IWF-Hilfsfonds für Schwellenländer soll 1,3 Billionen Dollar schwer sein, damit kann man natürlich einiges erreichen. Allerdings bedeutet das natürlich trotzdem, dass Insitute mit hohem Osteuropageschäft vor erheblichen Abschreibungen stehen.

Wie lautet ihre persönliche Einschätzung, wie lange wird uns die Finanzkrise noch beschäftigen bzw. welche Auswirkungen werden wir noch zu spüren bekommen?
Mervyn King, Chef der Zentralbank in England, hat erst kürzlich gemeint, dass wir die schlimmste Bankenkrise seit dem 1. Weltkrieg haben. Er geht also davon aus, dass die jetzige Situation schlimmer ist als 1929. Wir müssen also zurückgehen bis in das Jahr 1873. Seinerzeit dauerte das auslöffeln der Suppe die gesamte Dekade. Und je mehr wir nun zögern, desto größer wird das Problem. Denn die Realwirtschaft hat eigentlich noch gar nicht so sehr auf die Finanzkrise reagiert, das steht uns noch alles bevor. Ich erwarte in den nächsten Monaten einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht nur in Europa und den USA, sondern weltweit. Wir werden eine Rezession erleben, die die tiefste seit geraumer Zeit sein wird. Ob es gar zu einer Depression kommt, hängt davon ab, wie zögerlich wir handeln und wie nationalstaatlich wir denken.

Im Prinzip wäre diese Krise aber auch eine einmalige Chance, um die Staaten näher zusammenrücken zulassen?
Das ist definitiv eine Chance und wäre wünschenswert. Aber es ist einfach erschreckend, dass wir nicht einmal in Europa trotz Euro in der Lage sind, effektiv an internationalen Lösungen zusammen zu arbeiten.

Zurück zum Euro-Verfall gegenüber dem Dollar: Unternehmen wi ThyssenKrupp oder EADS haben erst kürzlich aufgrund der Dollar-Schwäche Standorte in die USA verlegt. Das wird nun alles auf den Kopf gestellt. Was bedeutet das für die betroffenen Unternehmen?
Derartige Auslandsinvestitionen werden in der Regel durchgezogen, auch wenn sie sich sehr rasch als falsch herausstellen. Da waren schon in der Vergangenheit deutsche Konzerne „Spezialisten" für derartige Fehlschläge. Da sind aber noch ganz andere Fehler passiert. Im Frühsommer habe ich verzweifelt versucht europäische Unternehmen davon abzuhalten bei 1,55 Dollar je Euro, ihre Export-Exposures zu hedgen. Das ging leider sogar soweit, dass Unternehmen sogar überhedged waren, das heisst die Euro-Geldmenge das Exportgeschäft sogar überstiegen hat.
Nun ist das Problem, dass sehr viele Konzerne noch immer gehedget sind. Der Verfall des Euro wird daher erst viel später ertragswirksam und zu bösen Überraschungen in den Bilanzen führen. Das kostet laufend Geld.

Was ist Anlegern aufgrund des Dollar-Comebacks zu raten? Etwa ein Aktieninvestment in den USA?
Ich denke schon. Eines ist natürlich klar, die Aktienmärkten schießen derzeit nach unten über, deshalb ist das Timing schwer. Risikoloser wäre es an US-Unternehmensanleihen zu denken. Gute Qualität rentiert aufgrund der Marktsituation sehr hoch und die Volatilität ist auch wesenltich geringer. Da erreicht man eine Rendite von mindestens neun Prozent und den Währungsgewinn nehmen sie auch noch mit. Das muss der Aktienmarkt erst einmal schlagen.

Wirtschaftsblatt
25.10.2008
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