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74727, Kreditklemme ist die grösste Schimäre seit langem
Eingetragen von FulgorX, 07.4.09 17:41
könnte man den hörmanseder nicht zweimal klonen und bei der wienerberger und vöestalpine einsetzen? :-)

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'Kreditklemme ist die grösste Schimäre seit langem'
Mayr-Melnhof-Chef Wilhelm Hörmanseder über innovative Modelle zur Personalanpassung, Sondierung von Akquisitionsobjekten und die Krise, die zwar schwierig, aber nicht dramatisch ist

Börse Express: Zuletzt gab es aus Ihrer Branche überwiegend negative Nachrichten. Kapazitätskürzungen und Gewinnwarnungen stehen an der Tagesordnung. Experten erwarten, dass es angesichts der schwächeren Profitabilität und der schwierigeren Refinanzierung zu einem beschleunigten Restrukturierungsprozess kommt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Wilhelm Hörmanseder: Ich halte die Kreditklemme für die grösste Schimäre seit langem. Die Investitionsneigung ist stark zurückgegangen, das hängt allerdings einzig und allein mit der Nachfrage zusammen. Jene, die jetzt laut Kreditklemme rufen, haben auch vor der Krise keinen Kredit erhalten oder benötigen ihn, um Verluste zu finanzieren. Und dafür sind die Banken nicht da. Der Ausleseprozess wird im dritten, vierten Quartal beginnen und dann liquiditätsgetrieben sein. Vielen Unternehmen wird der Umsatz wegfallen bzw. können Forderungen nicht mehr eingetrieben werden. Wenn die Situation dann 2010 nicht besser wird, könnte einigen der Atem stocken. Aber noch einmal: Die Ursache liegt in einer mangelnden Kalkulation, in einer mangelnden finanziellen Sorgfalt. Ich erwarte aber jetzt auch kein grosses Sterben in der Kartonbranche. Europaweit liegt die wirkliche Überkapazität auf Basis einer gesunden Nachfrage etwas über 10%. Das ist zwar noch immer viel, aber doch steuerbar.

BE: Wie geht es Mayr-Melnhof in diesem Umfeld?

Hörmanseder: Wir haben eine hohe Bonität und keine Bankenwege, auch bei grösseren Akquisitionen nicht. Neben unserem Cash-Bestand von rund 350 Mio. Euro verfügen wir über feste, bislang nicht ausgenutzte Kreditzusagen von rund 200 Mio. Euro, die wir über Nacht ziehen können. Auch Forderungsausfälle können uns schwer passieren: Bei uns ist jede Forderung kreditversichert. Das ist vielleicht ungewöhnlich, aber in einer Marktlage wie dieser sehr gut.

BE: Das vierte Quartal war sehr schwach, wie ist das erste Quartal verlaufen?

Hörmanseder: Generell kann man sagen, dass das erste Quartal besser verlaufen ist. Wir legen uns ins Zeug, Marktanteile zu gewinnen, und zwar über einen Kostenwettbewerb. Die Signale sind eindeutig: Alle Kunden stellen Preisforderungen, weil sie selbst unter Druck sind. Das Gegenrezept: So lange die Stückkosten schneller oder gleich schnell wie die Preise sinken, ist die Entwicklung gesund.

BE: Und das ist synchron zu schaffen?

Hörmanseder: Wir fahren natürlich eine vernünftige Preispolitik und achten auf eine gesunde Marge. Preis geht immer vor Menge. Aber wenn sie die Kosten für Energie, Wasser, Chemikalien, Transport betrachten, so sind diese gesunken bzw. gehen runter. Uns kommt natürlich zugute, dass wir Marktführer sind. Die zweite Jahreshälfte wird sicher anstrengend, aber ich bin überzeugt, dass wir gestärkt hervorgehen.

BE: Sie haben etliche Kostenfaktoren angesprochen, wie sieht es mit den Personalkosten aus?

Hörmanseder: Die Personalkapazität atmet mit der Nachfrage. Das Rezept haben wir nicht neu erfunden, wir hatten auch in der Vergangenheit zahlreiche Flexibilisierungsansätze für die Arbeitszeit.

BE: Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man glauben, es gibt gar keine Krise.

Hörmanseder: Natürlich ist die Situation schwierig, aber nicht dramatisch. In unseren internen Planungen stellen wir uns darauf ein, dass die Nachfrage-Situation aufgrund möglicher Kaufkraftverluste noch schlechter wird, bevor es wieder bergauf geht. Das heisst, wir sind nicht überrascht, wenn es dann tatsächlich so kommt.

BE: Was bedeutet das mit Blick auf Personal- und Kapazitätsanpassungen konkret?

Hörmanseder: Wir waren schon immer sehr personaleffizient, folglich haben wir keine Personalreserven, sind aber auch sehr loyal. Wir konnten bereits in der Vergangenheit ein paar Prozent in der Auslastungsschwankung über die Beschäftigung abfedern. Eine Anpassung des Personalstands ist nicht unsere erste Handlungsalternative. Wir haben sehr teure Maschinen, sehr tüchtige Leute im Fünf-Schicht-Betrieb. Die benötigen wir, wenn es 2010 oder 2011 wieder zu einer Erholung kommt. Wir überlegen uns derzeit für alle Länder prophylaktisch Konzepte, falls es tatsächlich zu einem Stillstand der Wirtschaft von zwölf bis 18 Monaten kommt.

BE: Kündigungen sind dabei ein Thema?

Hörmanseder: Kündigungen sind in der aktuellen Situation nicht das Thema. Wir müssen vielmehr unser gesamtes intellektuelles Potenzial und die Vertrauensbasis ausschöpfen, bevor es dazu kommt. Ich bin kein Sozialromantiker, aber ich bin zuversichtlich, dass uns etwas einfallen wird.

BE: Was sagen Sie zur Kurzarbeit?

Hörmanseder: Das war für uns bisher keine Lösung - und zwar weder für die betroffene Person, die damit das Gefühl erhält, "aus dem Prozess draussen zu sein", noch für das Unternehmen, das damit - über die Behaltefristen - eine gefährliche Hypothek eingeht. Ich spreche jetzt vom alten Modell der Kurzarbeit, das neue müssten wir erst prüfen. Aber wir wollen generell innovativere Modelle andenken, die in beiderseitigem Interesse sind. Die genaue Lösung kann ich Ihnen jetzt auch noch nicht sagen.

BE: Sie haben vorhin den Gewinn von Marktanteilen angesprochen. Welche Rolle spielen dabei Akquisitionen?

Hörmanseder: Wir sind derzeit viel unterwegs, um passende Akquisitionsprojekte zu finden, und recht zuversichtlich. Es ist nicht so, dass einzelne Unternehmen um Hilfe rufen, aber die Preiserwartungen werden realistischer. Zudem kommt jetzt die Zeit, in der doch etliche Unternehmer überlegen, die Mehrheit abzugeben.

BE: Die Mehrheit muss es sein?

Hörmanseder: Ja, wir wollen das Sagen haben.

BE: Welche Märkte sind dabei interessant?

Hörmanseder: Zum einen Europa, wo wir auch Russland stark im Fokus haben, zum anderen Nordafrika und der Mittlere Osten. Diese Region ist zum einen gut erreichbar und kann daher auch in puncto Management gut abgedeckt werden, zum anderen sind das Märkte mit einer stark wachsenden jungen Bevölkerung mit einer steigenden Nachfrage nach Konsumgütern. Wir fahren im Prinzip eine einfache Strategie: Wir wollen einen Marktanteil von 50% erobern und diesen dann bei einer wachsenden Wirtschaft in der Region nicht mehr hergeben.

BE: Welche Preisvorstellungen sind aktuell vertretbar?

Hörmanseder: Ungefähr fünf mal Cash Earnings oder sechs mal EBITDA abzüglich Schulden, wobei wir natürlich auch immer auf jene Multiples achten müssen, mit denen uns der Markt bewertet. Wir agieren immer sehr konservativ. Eine Folge ist, dass wir nahezu keine Firmenwerte in der Bilanz haben, lediglich 50 Mio. Euro bei einer Bilanzsumme von rund 1400 Mio. Euro. Das ist vielleicht etwas hausbacken, wird im aktuellen Umfeld aber stark gewürdigt.

BE: Ist unter den Akquisitionsobjekten auch ein börsenotiertes Unternehmen?

Hörmanseder: Nein, derzeit nicht.

BE: Sie haben ein Aktienrückkaufprogramm laufen und zuletzt im März einige Rückkäufe getätigt. Was haben Sie vor?

Hörmanseder: Die Aktie hat sich zuletzt sehr gut gehalten, aufgrund der Rückkaufregeln können wir bei steigenden Kursen auch gar nicht kaufen. Generell muss natürlich auch gesagt werden, dass die Liquiditätssicherung derzeit bei uns Priorität hat.

BE: Die Dividende für 2008 bleibt aber trotz eines gesunkenen Überschusses stabil.

Hörmanseder: Ja, wir wollen unverändert 1,7 Euro pro Aktie ausschütten und erhöhen die Quote damit auf 37%. Zuvor haben wir immer gesagt, dass wir bis zu einem Drittel des Jahresgewinns ausschütten wollen. Insofern ist das als Signal für den Markt zu verstehen, auch für 2009.

BE: Das Signal ist eine stabile Dividende?

Hörmanseder: Sagen wir so, die Quote ist kein Dogma.


Interview: Bettina Schragl

Aus dem Börse Express vom 7. April 2009
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