Gute Aussichten für die wichtigsten Anlageklassen
Das geopolitische und ökonomische Umfeld
dürfte 2024 herausfordernd bleiben. Trotz aller Risiken bietet das Jahr für langfristig orientierte
Anlegerinnen und Anleger aber Chancen, betonten die Experten der Deutschen Bank in ihrem
Kapitalmarktausblick 2024, den sie heute in Frankfurt am Main vorgestellt haben.
Für Aktien
und Anleihen dürfte es der Analyse zufolge ein unter dem Strich gutes Jahr werden - vorausgesetzt, die
geopolitischen Krisen eskalieren nicht und die Wirtschaft wächst, wenn auch schwach. "Der Gleichlauf der
beiden Anlageklassen könnte noch eine Zeit lang weitergehen: Bis Ende 2024 erwarten wir hohe einstellige
Renditen bei Aktien und Anleihen", erklärt Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und
Firmenkunden der Deutschen Bank.
Allerdings müssen sich Anlegerinnen und Anleger der Risiken
bewusst sein, diese gezielt steuern und die Investitionen je nach Lage von Wirtschaft und Finanzmärkten
anpassen. So wird die Inflation wahrscheinlich zwar zurückgehen, erweist sich aber als hartnäckig - und
kann zwischenzeitlich sogar noch einmal ansteigen, zum Beispiel wegen höherer CO2-Bepreisungen. Kurzum:
Das Wirtschaftswachstum bleibt schwach, die Zinsen hoch. Erst ab Mitte 2024 rechnen die Experten mit
Zinssenkungen in Europa und den USA.
Schwache Konjunktur
Das Wachstum der globalen
Wirtschaftsleistung dürfte sich im kommenden Jahr weiter verlangsamen, erwartet Stefan Schneider,
Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. "Für die Eurozone erwarten wir ein kleines
Plus, für die USA halten wir als Basisszenario an einer leichten Rezession im ersten Halbjahr 2024 fest",
sagt Schneider. China ist zuletzt zwar etwas stärker als erwartet gewachsen, allerdings dürfte dies nicht
von Dauer sein. "Die strukturellen Probleme dämpfen zusehends die Konjunktur, was die chinesische
Regierung zu einem umfangreichen Konjunkturpakt veranlasst hat", so Chefvolkswirt Schneider.
Die Fachleute der Deutschen Bank prognostizieren, dass die US-Wirtschaft 2024 um 0,6 Prozent und die
Eurozone um 0,2 Prozent wachsen wird. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil haben die Volkswirte ihre
Wachstumsprognose für Deutschland nach unten korrigiert. "Obwohl die finanzpolitische Anpassungen seitens
der Bundesregierung noch ausstehen, dürfte die wirtschaftspolitische Verunsicherung und Ausgabenkürzung
das Wachstum 2024 um rund einen halben Prozentpunkt reduzieren. Das BIP dürfte damit im kommenden Jahr
erneut leicht um 0,2 Prozent sinken", erwartet Schneider. Für das weltweite Bruttoinlandsprodukt rechnet
die Deutsche Bank mit einem Anstieg von 2,4 Prozent, was in etwa der üblicherweise für die Weltwirtschaft
unterstellten Rezessionsschwelle entspricht.
Inflation und Zinsen sinken - aber nur
allmählich
Mitentscheidend wird sein, wie sich die Teuerungsrate entwickelt. "Die
Zentralbanken werden sich noch längere Zeit um die Inflation sorgen müssen", warnt Schneider. Zwar ist
die Teuerungsrate zuletzt deutlich zurück gegangen und dürfte tendenziell weiter fallen. "Es gibt
allerdings viele Gründe, warum sie in den nächsten Jahren nicht dauerhaft unter 2 Prozent sinken dürfte",
so Schneider. Dazu zählen die langfristigen Folgen der expaniven Finanzpolitik, zu geringe Investitionen,
der sich verschärfende Arbeitskräftemangel sowie die kostenintensive grüne Transformation der
Wirtschaft.
"Kurzfristig profitieren wir noch von Basiseffekten, weil die Energiepreise
gegenüber dem Vorjahr sinken", warnt Schneider. Die Deutsche Bank sieht daher die Inflationsrate Ende
2024 bei 1,8 Prozent in den USA und jeweils 2,0 Prozent in der Eurozone und Deutschland. Dass die
Teuerungsrate auf das niedrige Niveau der vergangenen Dekade zurückgeht, erwartet Schneider nicht.
Die Zentralbanken haben 2024 eine Gratwanderung zu meistern. Einerseits müssen sie
durch restriktive Geldpolitik die Inflation bekämpfen, anderseits wollen sie die Wirtschaft nicht in eine
Rezession abgleiten lassen. "Die zunehmenden Rezessionsrisken in der Eurozone reduzieren
Zweitrundeneffekte wie weiter deutlich steigende Tarifabschlüsse, was den Notenbanken die Möglichkeit
eröffnet, zur Jahresmitte mit Zinssenkungen zu beginnen", sagt Schneider.
Zinsenkungen in USA
und Eurozone ab der Jahresmitte
In den USA würde der Leitzins demnach 2024 um 175 Basispunkte
von aktuell 5,25 bis 5,50 Prozent auf dann 3,50 bis 3,75 Prozent sinken, in der Eurozone werden
Zinssenkungen um 100 Basispunkte erwartet. Der Einlagensatz läge dann im Dezember 2024 bei 3,00
Prozent.
Angesichts der ähnlichen Ausrichtung der Geldpolitik und dem moderatem Wachstum
sowohl in den USA als auch in der Eurozone, erwartet die Deutsche Bank einen weitgehend stabilen
Euro-Dollar-Kurs von 1,10 zum Jahresende 2024.
Rohstoffe: Öl und Industriemetalle im Fokus
Der Wandel hin zu einer grünen Wirtschaft mit einer geringeren Abhängigkeit von fossilen
Brennstoffen ist aufgrund der immensen Investitionen inflationstreibend. Noch ist Öl aber einer der
wichtigsten Rohstoffe mit einer Rekordnachfrage von 103 Millionen Barrel am Tag und das trotz
schwächelnder Konjunktur. "Dazu beigetragen hat, dass ein Teil der durch den Russland-Ukraine-Krieg
ausgefallenen russischen Gaslieferungen durch Öl ersetzt wurde", so Stephan.
Auch die OPEC+
nimmt Einfluss auf die Preisentwicklung. Die Mitglieder der Organisation wollen angesichts des jüngsten
Abwärtsdrucks auf die Ölpreise ihre freiwilligen Produktionskürzungen in nächster Zeit weitgehend
fortsetzen. Zudem übt Saudi-Arabien Druck auf andere Länder aus, ebenfalls Kürzungen vorzunehmen. Die
Preise dürften deshalb leicht ansteigen und die Sorte Brent in zwölf Monaten 88 US-Dollar pro Barrel
kosten.
Bei den Industriemetallen dürfte die Transformation zu einer grünen
Wirtschaft die Preise treiben. Kupfer und Lithium könnten sich nach einem teils deutlichen Rückgang
wieder verteuern. Industriemetalle werden unter anderem in Batterien verarbeitet, der Trend zur
E-Mobilität erhöht die Nachfrage. Kupfer wird beispielsweise für Windräder benötigt.
Der
Kupferpreis könnte weiter anziehen, von derzeit rund 8.200 auf 9.050 US-Dollar pro Tonne bis Ende 2024.
Auch, weil es teuer ist, neue Minen zu erschließen oder sie zu erweitern - und es dagegen Proteste
gibt.
Aktien: höhere Gewinnerwartungen
In einem makroökonomischen Umfeld mit
allgemein niedrigem Wirtschaftswachstum, einer sinkenden Inflation und niedrigeren Leitzinsen gehören
Aktien zu den Anlageklassen, die 2024 gut laufen sollten. "Wir sehen ein Aufwärtspotenzial von knapp zehn
Prozent, denn die Gewinne der Unternehmen dürften 2024 anziehen", sagt Stephan. Das Plus bei den Gewinnen
dürfte in den USA, Europa und Japan im mittleren bis hohen einstelligen Bereich liegen, in den
Schwellenländern sogar bei bis zu zehn Prozent. "Gleichzeitig haben die Aktien aber mit Gegenwind durch
weiter hohe Zinsen, Lohninflation und damit sinkenden Margen zu kämpfen", so Stephan. "Die
Herausforderung wird darin bestehen, sich für den geldpolitischen Lockerungszyklus neu zu positionieren",
sagt Stephan. "Wir setzen auf Qualität und Wachstum."
US-Aktien dürften in der Gunst der
Anleger bleiben, da sie in einer Welt mit geringem Wachstum weiterhin steigende Gewinne versprechen. Das
gilt insbesondere für US-Big-Tech (die Magnificent Seven), Kommunikationsdienstleistungen sowie Industrie
und Energie. Die Fachleute prognostizieren für den S&P 500 zum Jahresende 2024 einen Stand von 4.700
Punkten.
"Darüber hinaus stehen Europa und Japan auf der Kaufliste", sagt Stephan.
Europäische Aktien sind im historischen Vergleich und relativ zu anderen Märkten interessant bewertet.
Sie dürften Kursgewinne und Dividenden bieten, die deutlich über den Anleiherenditen liegen. Für den
STOXX Europe 600 sieht die Bank für Ende 2024 ein Kursziel von 465 Punkten. Der Dax dürfte bei 16.600
Zählern stehen. Auch der japanische Aktienmarkt dürfte 2024 interessant sein. Laut Stephan profitiert er
von niedrigen Bewertungen, hohem Gewinnwachstum der Unternehmen und einem schwachen Yen. Diese Aktien
seien zudem eine gute Möglichkeit, indirekt an den Wachstumschancen Chinas zu partizipieren. Der MSCI
Japan dürfte per Ende Dezember bei 1.520 Punkten liegen.
Trotz der erwarteten Senkungen
bleiben die Zinsen hoch und sorgen für nachhaltigen Rückenwind bei europäischen Banken, Finanzwerten und
Versicherungen. Deren Aktien haben sich zuletzt bereits gut entwickelt. Sie dürften aber weiter
profitieren, denn mit dem Erreichen des Zinsgipfels sollte sich auch das Investmentbanking-Geschäft
erholen. Der Sektor ist überdies mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs günstig bewertet und bietet
interessante Dividenden-Renditen. Interessant sind auch die Bereiche Energie, Industrie und
diskretionärer Konsum.
Der Ausblick für den Automobilsektor fällt dagegen gemischt aus. Der
globale Absatz dürfte zwar steigen, wovon aber nicht alle Anbieter in gleichem Maße profitieren.
Luxushersteller sind attraktiver als Massenanbieter. "Die Konkurrenz aus China wird vor allem bei der
E-Mobilität immer stärker", so Stephan. Meiden würde er Aktien aus dem hoch bewerteten, defensiven Sektor
"Food & Beverages" sowie große Versorger.
Mit Blick auf die Schwellenländer sei vor allem
Asien interessant. "Der chinesische Aktienmarkt ist niedrig bewertet und könnte gutes Wachstumspotenzial
bieten", sagt Stephan. "Wer sich in China engagiert, muss allerdings immer mit Eingriffen der
Kommunistischen Partei rechnen. Zudem ist die Krise am chinesischen Immobilienmarkt trotz der neuerlichen
Bemühungen um die Finanzierung von Entwicklern noch nicht ausgestanden." Aber auch andere Länder seien
eine Überlegung wert. Taiwan ist stark im Halbleitermarkt, Korea punktet bei Elektronik und Smartphones,
Indien bei Finanzunternehmen, Software-Services und Pharma. Zudem ist der Binnenkonsum in Asien sehr
stark.
Anleihen: voraussichtlich ein gutes Jahr voraus
"2024 dürfte auch ein gutes
Jahr für festverzinsliche Wertpapiere sein", sagt Stephan. Stabile oder leicht sinkende Zinsen böten
attraktive Gesamtrendite-Aussichten. "Wir erwarten eine mittlere bis hohe einstellige Rendite am
Rentenmarkt. Unser Fokus liegt auf Qualität."
Die Experten der Deutschen Bank bevorzugen
weiterhin europäische und amerikanische Unternehmensanleihen mit guter bis sehr guter Bonität
("Investment Grade") gegenüber Hochzinsanleihen ("High Yield") mit schwächerem Rating, deren Ausfallraten
steigen dürften. "Unternehmen mit schwachen Bilanzen, hohem Refinanzierungsbedarf und geringer
Rentabilität dürften zunehmend Probleme bekommen", sagt Stephan.
Geopolitische
Krisen könnten dazu führen, dass mehr Kapital in sichere Häfen fließt. "Das könnte bei US-Staats- und
Bundesanleihen zu etwas niedrigeren Zinssätzen führen", so Stephan. Insgesamt dürften die Renditen von
Anleihen leicht zurückgehen. Zwei- und zehnjährige Bundesanleihen sollten Ende 2024 mit 2,5 Prozent
beziehungsweise 2,7 Prozent verzinst sein, entsprechende US-Anleihen mit 3,95 Prozent und 4,20
Prozent.
Gold: als "sicherer Hafen" gefragt
Gold hat seinem Ruf als Krisenwährung
in unsicheren Zeiten zuletzt alle Ehre gemacht. Vor dem Hintergrund des Israel-Gaza-Kriegs stieg die
Notierung für das Edelmetall um gut zehn Prozent. Geopolitische Risiken und wirtschaftliche
Unsicherheiten könnten den Goldpreis weiter steigen lassen auf rund 2.250 US-Dollar pro Unze zum
Jahresende 2024. Darüber hinaus dürften auch Zentralbanken der Schwellenländer verstärkt Gold kaufen und
den Preis stützen. Sie sind die größten Käufer von Gold. Allein China hat in den ersten neun Monaten des
laufenden Jahres 181 Tonnen Gold gekauft. Auch die Notenbanken halten insgesamt 33.000 Tonnen Gold - 25
Prozent mehr als vor zehn Jahren.
"Gold könnte zudem vor allem in der zweiten Jahreshälfte
weniger Gegenwind von der Zinsseite bekommen", sagt Stephan. Denn wenn die Zinsen wie erwartet leicht
sinken, verringern sich die Opportunitätskosten für Gold, das keine laufenden Erträge in Form von Zinsen
oder Dividenden abwirft.
Immobilien: Zinsschock verdaut
Höhere Zinsen haben
weltweit zu einem Preisrückgang von 10 bis 20 Prozent geführt. Dieser Schock dürfte nun allmählich
verdaut und das neue Zinsumfeld weitgehend berücksichtigt sein. Somit könnten sich 2024 interessante
Einstiegschancen bieten - insbesondere in den Sektoren Wohnimmobilien und Logistik. "Ich gehe davon aus,
dass sich die Wohnimmobilienpreise in Deutschland nach überstandenem Zinsschock stabilisieren und danach
auch wieder Aufwärtspotenzial bieten könnten", sagt Stephan. "Die Mieten dürften weiter steigen,
wenngleich etwas langsamer. Straffere Finanzierungsbedingungen erschweren den Bau, was das Angebot an
Wohnraum insgesamt verknappt."
Bei Gewerbeimmobilien scheint das Segment Logistik interessant.
Die Nachfrage nach Lagerhallen profitiert von den Bemühungen, die Lieferketten zu regionalisieren und dem
Wachstum des Onlinehandels.
Bei Büroimmobilien - vor allem in den USA - mahnen die
Experten der Deutschen Bank dagegen zur Vorsicht. "Das Segment könnte sich in einem längeren Abwärtstrend
befinden", sagt Stephan. Mietverträge laufen allmählich aus, während in den nächsten Jahren ein erhöhter
Refinanzierungsbedarf besteht. Potenzial sehen die Experten vor allem bei hochwertigen Bürogebäuden, die
die ESG-Anforderungen erfüllen.