Gazprom muss Nord-Stream-2-Gaspipeline offenbar allein bauen
Konsorten zogen Joint-Venture-Anmeldung in Polen zurück -
Frühere Verträge dürften damit obsolet sein - Auch OMV sollte
neben Shell & Co mit an Bord bei der 1.200-km-Leitung sein
Der russische Gaskonzern Gazprom
muss die geplante Nord-Stream-2-Gaspipeline durch die Ostsee
womöglich alleine bauen, also ohne die geplanten fünf westlichen
Partner, darunter die OMV. Die sechs Unternehmen ziehen ihre
fusionskontrollrechtliche Anmeldung bei der polnischen
Wettbewerbsbehörde zurück, hieß es am Freitag seitens Gazprom, ENGIE
(früher GDF Suez), OMV, Shell, Uniper und Wintershall.
Gazprom hätte an der Nord-Stream-2-Gesellschaft 50 Prozent halten
sollen, die fünf Partner jeweils 10 Prozent, sah der im September
2015 unterzeichnete Gesellschaftervertrag vor. Der wird jedoch nicht
umgesetzt, Gazprom bleibt 100-Prozent-Eigentümer der Nord Stream 2
AG.
Beobachter gehen davon aus, dass die Gazprom das Projekt allein
durchziehen will, nachdem es in Warschau mit dem Plan gehakt hat,
grünes Licht für die Gründung eines Joint Ventures der fünf Partner
mit Gazprom zu bekommen. Alle bestehenden Verträge im Hintergrund,
die ein gemeinsames Vorgehen der Sechs vorgesehen hatten, sind damit
obsolet geworden, mutmaßen Experten.
Bei der OMV als einem der vorgesehenen Gazprom-Partner für das
Projekt nimmt man über eine gemeinsame schriftliche Erklärung der
sechs Antragsteller hinaus nicht Stellung. In der Erklärung heißt
es, dass die Antragsteller nun jeder für sich "alternative Ansätze"
prüfen würden, "um zur Umsetzung des Projekts beizutragen", das von
entscheidender Bedeutung für das europäische Energiesystem sei.
Die Entscheidung der Antragsteller, ihre Anmeldung bei der
polnischen Wettbewerbsbehörde zurückzuziehen, "wird sich nicht auf
den planmäßigen Bau der Nord-Stream-2-Pipelines oder den
betreffenden Zeitplan auswirken", wird in dem gemeinsamen
Presse-Statement von Gazprom, Nord Stream 2 AG und den fünf
westlichen Energieunternehmen von Freitagnachmittag versichert.
Die 1.200 km lange Nord Stream 2 sollte bis 2018-19 gebaut werden
und bis Ende 2019 in Betrieb gehen. Zwei parallele Leitungen von der
Region Sankt Petersburg (Russland) durch die Ostsee bis zur
deutschen Ostseeküste sollten je 27 Mrd. m3 Jahreskapazität
aufweisen, zusammen rund 55 Mrd. m3.
Diese Kapazität würde rund ein Drittel der zusätzlich benötigten
Gasimport Europas in den nächsten zwei Jahrzehnten decken, hieß es
nach früheren Angaben der Nord Stream 2 AG. Als vorläufiger
Investitionsaufwand waren 8 Mrd. Euro veranschlagt, zur Gänze privat
finanziert.
In Polen war der Widerstand gegen die Nord-Stream-II-Pläne immer
groß gewesen, da die Verbindung das Festland umgehen sollte und
damit auch die durchs Land führende Jamal-Pipeline, die auch von
Durchleitungsgebühren lebt. So würde die geplante Ostsee-Pipeline
nach Ansicht der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo Europa
teilen, hatte sie Ende Juni nach einem Treffen mit der deutschen
Kanzlerin Angela Merkel in Berlin erklärt: "Das ist eine
Investition, die für die Spaltung Europas sorgt", sagte Szydlo.
Doch auch aus konservativen Kreisen im Westen gab es Gegenwind
für das Vorhaben. Im April sprach sich etwa der Vorsitzende der
konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, gegen
das Projekt aus. In einem Brief an EU-Energiekommissar Miguel Arias
Canete und den deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)
nannte der CSU-Politiker den Bau "unvereinbar" mit dem Ziel der
Diversifizierung der Energielieferungen in die EU. "Im Gegenteil
würde es zu einem erheblichen Anstieg der EU-Abhängigkeit von
russischen Gaslieferungen führen", warnt Weber in seinem Brief.
Die deutsche Kanzlerin Merkel bezeichnete das Projekt dagegen im
Juni erneut als wirtschaftliches und nicht politisches Projekt. Es
seien nicht nur deutsche Firmen, sondern auch die österreichische
OMV und der britisch-niederländische Ölkonzern Shell beteiligt,
erinnerte sie. Sie könne die Fragen Polens und anderer
osteuropäischer Staaten verstehen, sagte sie, aber sie überlasse die
Prüfung der EU-Kommission.
(Schluss) sp/stf
ISIN AT0000743059
WEB http://www.omv.com
http://www.gazprom.com/