Immofinanz kritisiert vor Zivilverfahren Justiz und Gutachter
Zehetner sieht faires Verfahren in Gefahr - Fast 600 Klagen
noch anhängig - Streitwert bei 245 Mio. Euro - Kritik an
Doppelrolle des Sachverständigen Altenberger
Der dramatische Kursverfall der Immofinanz-Aktie hat
der Immobilien-Gruppe (Immofinanz, Immoeast) etliche hundert Klagen
von enttäuschten Anlegern eingebracht. Nunmehr beginnt sich das
Unternehmen dazu in Stellung zu bringen und schießt sich gegen die
Justiz und den Sachverständigen Gerhard Altenberger ein. Den
Richtern wird mangelnde Objektivität und Altenberger Befangenheit
vorgeworfen.
"Wir beobachten, es geht nicht in unsere Richtung, wir sind nicht
einverstanden damit", sagte Immofinanz-CEO Eduard Zehetner am
Mittwoch bei einem Hintergrundgespräch in Wien.
Rund 890 Klagen wurden im Laufe der letzten Jahre gegen die
Immofinanz und ihre Tochtergesellschaft Immoeast eingebracht. Der
Streitwert beläuft sich auf rund 252 Mio. Euro. Bei einigen
Verträgen seien Vergleiche oder "ewiges Ruhen" vereinbart worden.
Aktuell seien noch 589 Verfahren mit einem Streitwert von 245
Mio. Euro anhängig. Ein Verfahren habe man bisher verloren, vier
weitere Urteile zugunsten der Kläger seien noch nicht rechtskräftig.
Zugunsten der Immofinanz seien bisher 43 Verfahren rechtskräftig
entschieden, 23 weitere klagsabweisende Urteile seien noch nicht
rechtskräftig. Zudem habe es 19 Klagszurückziehungen gegeben. Die
restlichen Verfahren - größtenteils aus den Jahren 2010 und 2011 -
seien noch offen und durchwegs noch in der ersten Instanz.
Den Richtern am vorwiegend zuständigen Handelsgericht Wien wirft
Zehetner vor, "kreative Verfahrensführung" zu machen, um das Problem
der Überlastung los zu werden. Diese mangelnde Objektivität seitens
mancher Richter verletze das Recht auf ein faires Verfahren.
So würden etwa per gerichtsinternen Rundschreiben von
freiwilligen Richtern fremde Verfahren gesammelt. Dies diene nur der
gemeinsamen Gutachtenerstellung, danach sollen die Verfahren wieder
getrennt werden. Nicht nur finde so kein Konzentrationseffekt statt,
sondern stelle dieses Vorgehen auch eine Rechtsschutzlücke dar, da
dagegen nicht mit Rechtsmittel vorgegangen werden könne. In der
Folge käme es zu keinen Vernehmungen von Klägern und Zeugen vor der
Gutachteneinholung.
Kritisiert wird auch, dass von den von der Immofinanz
vorgebrachten Befangenheitsgründen gegen Richter ein Großteil wegen
"Verspätung" und ohne tiefere inhaltliche Prüfung zurückgewiesen
worden seien.
Kritisiert wird auch die Rolle des Gutachters Gerhard
Altenberger. Dieser habe ein "Monopol als Sachverständiger" und
"eigenartige Rechtsansichten", so Immofinanz-Rechtschef Josef Mayer.
Eine Unabhängigkeit sei offensichtlich nicht gegeben, da er mit
selbstständigen Ermittlungen beauftragt worden sei. Seine
Doppelrolle als "Gehilfe der Anklage" und als
Gerichtssachverständiger sei bereits Gegenstand eines laufenden
VfGH-Verfahrens.
"All das geht so nicht, wir werden den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof damit beschäftigen müssen", kündigt Mayer
an und fordert ein faires Verfahren.
(Schluss) ggr/gru
ISIN AT0000809058
WEB http://www.immofinanz.com